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Politik: „Schon viel erreicht“

Korruptionsbekämpfer Eigen über Nigeria

Nigeria wählt am Samstag einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament. Wie wichtig ist diese Wahl für Afrika?

Sie ist sehr wichtig. Nigeria ist der Gigant auf dem Kontinent, dreimal so groß wie Südafrika, mit der größten Bevölkerung. Und es ist das erste Mal seit der Unabhängigkeit 1960, dass in Nigeria eine demokratische Regierung durch eine demokratische Wahl abgelöst wird. Präsident Olusegun Obasanjo darf nach zwei Amtszeiten ja nicht mehr antreten.

Obasanjo galt bei seinem Amtsantritt 1999 als Hoffnungsträger. Jetzt wollte er gegen die Verfassung eine dritte Amtszeit.

Er selbst hat das nicht versucht, aber er hat zugelassen, dass Politiker aus seinem Umfeld sich für eine Verfassungsänderung eingesetzt haben. Das hat seine Glaubwürdigkeit beeinträchtigt und viele seiner Mitstreiter enttäuscht. Allerdings muss man auch sehen, dass er sich dem ablehnenden Urteil des Obersten Gerichts dazu sofort gebeugt hat.

Nigeria ist noch immer einer der korruptesten Staaten. Hat Obasanjo versagt?

Obasanjo gehört wie ich zu den Gründern von Transparency International. Ich kenne ihn sehr gut und bin in dieser Frage sicher nicht ganz unparteiisch. Dennoch sage ich: Nigeria wurde über Jahrzehnte von korrupten, autoritären Regimen beherrscht. Da kann man sich nicht von heute auf morgen als Saubermann durchsetzen. Schließlich sind da noch die Gouverneure der 36 Bundesstaaten, einflussreiche Persönlichkeiten im Parlament und viele mächtige Militärs. Die Verhältnisse in den Landesteilen sind zudem sehr unterschiedlich, es gibt kaum einen Zusammenhalt zwischen den vielen ethnischen und religiösen Gruppen, dem muslimischen Norden und dem christlich-animistischen Süden.

Heißt das, der Kampf gegen die Korruption ist aussichtslos?

Regierungen allein können tatsächlich wenig ausrichten. Zum Beispiel ist es für manche ausländische – auch deutsche – Konzerne nach wie vor fast selbstverständlich, Bestechungsgelder zu zahlen, um an Aufträge zu gelangen.

Was muss also passieren?

Es wäre naiv, zu glauben, ein Land wie Nigeria könnte in ein paar Jahren wieder ehrlich gemacht werden. Die Bürger müssen sich organisieren und gegen die Korruption wehren.

Gibt es zivile Initiativen in Nigeria?

Transparency International ist eine davon. Ich muss aber zugeben, dass unsere nationalen Sektionen in Nigeria und in Kenia zunächst zu eng mit den neuen demokratischen Regierungen zusammengehalten haben. Ein starkes zivilgesellschaftliches Gegengewicht ist so nicht entstanden. Obasanjo sah Nichtregierungsorganisationen wie Transparency nach seinem Amtsantritt zunächst als natürliche Verbündeten an. Als sie ihm widersprochen haben, hat er sie vielfach als naive Weltverbesserer abgetan.

Sind Sie also von ihm enttäuscht?

Nein, denn er hat trotz aller Widerstände viel erreicht. Ohne ihn würde es die „Extractive Industries Transparency Initiative“, deren Vorsitzender ich heute bin, nicht geben. Er hat sich dem begeistert angeschlossen. Ziel der Initiative ist es, alle Zahlungen von Unternehmen an Regierungen offenzulegen, die für die Ausbeutung von Rohstoffen geleistet werden. Obasanjo hat außerdem eine starke Antikorruptionsbehörde geschaffen.

Kritiker werfen ihm vor, die Behörde gegen seine Gegner ermitteln zu lassen.

Solche Vorwürfe sind keine Seltenheit in einem Wahlkampf. Zumal in einem Land, in dem die Menschen aufgrund ihrer Geschichte tiefes Misstrauen gegen die Herrschenden hegen. Ich halte das aber für abwegig, denn an der Spitze der Behörde steht mit Nuhu Ribadu ein absolut unbestechlicher Mann. Er hat zum ersten Mal auch die großen Tiere zur Rechenschaft gezogen: den Polizeipräsidenten, Gouverneure und Abgeordnete. Tausende sind verhaftet worden. Auch einige große Firmen in USA oder Deutschland dürften ihn bald kennenlernen.

Der Oppositionskandidat Atiku Abubakar war wegen Korruptionsvorwürfen von der Wahl ausgeschlossen worden und klagte erfolgreich dagegen. Gerichte in Afrika erweisen sich immer öfter als unabhängige Instanz. Ist das ein Hoffnungsschimmer?

Ja, selbstverständlich. Aber man darf den Gerichten nicht zu viel Verantwortung aufbürden – aus der deutschen Vergangenheit wissen wir, dass sich die Justiz unter politischem Druck doch anpasst. Ich bin von den Juristen in Afrika sehr beeindruckt. Das ist ein hoffnungsvolles Zeichen, denn in einer Demokratie ist ein funktionierendes System von Checks und Balances außerordentlich wichtig – wichtiger fast als eine Wahl.

Das Interview führte Ulrike Scheffer.

Peter Eigen (68),

Gründer von Transparency International, legt mit der Extractive Industries Transparency Initiative Zahlungen an Regierungen für die Ausbeutung

von Rohstoffen offen.

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