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Vor den Ruinen ihres Daseins: Ein älteres Paar und das, was von ihrem Haus nach Kämpfen zwischen regulären Truppen und Separatisten übrig blieb.

© AFP

Separatisten verzeichnen Landgewinne: Der Krieg ist zurück in der Ostukraine

Die Vereinbarung von Minsk ist das eine – die Wirklichkeit im Donbass das andere: Der Krieg ist zurück, täglich sterben Menschen.

Seit fast fünf Monaten gelten die Vereinbarungen von Minsk. Eigentlich sollten seit Mitte Februar die Kämpfe eingestellt und schwere Waffen abgezogen sein – doch das Gegenteil ist der Fall. In der Ostukraine herrscht Krieg, nach Angaben ukrainischer Experten haben die Separatisten wieder Landgewinne zu verzeichnen. Nun hat US-Präsident Barack Obama seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin aufgefordert, alle Truppen und das Kriegsgerät Moskaus aus dem Donbass abzuziehen.
Während eines Telefonats sollen die beiden Präsidenten auf Initiative Russlands am Donnerstagabend über die Zukunft der Minsker Vereinbarungen gesprochen haben. Dabei habe Putin erneut bekräftigt, in der Ostukraine befänden sich keine russischen Soldaten, Moskau unterstütze die Separatisten auch nicht.

Putin und Obamareden wieder miteinander

Offenbar bereiten die USA und Russland neue Gespräche zur Einhaltung des Minsker Abkommens vor. In Kürze sollen der russische Vizeaußenminister Grigori Karassin und die Europabeauftragte der US-Regierung, Victoria Nuland, Gespräche über die Umsetzung des in Minsk ausgehandelten Friedensplans aufnehmen.
In der Ukraine halten immer mehr Vertreter aus Politik und Wirtschaft Minsk für gescheitert. Präsident Petro Poroschenko soll vor allem enttäuscht von der EU sein. Das nach Meinung Kiews sture Beharren auf den Minsker Vereinbarungen habe für die Ukraine kaum sichtbare Erfolge gebracht, heißt es aus Regierungskreisen. Im Gegenteil, trotz Waffenstillstand gingen die Kämpfe Tag für Tag weiter.
Mehr noch, im Vergleich zum Februar 2015 kontrollierten die Separatisten mittlerweile weitere Landesteile. „Die hybride Kriegsführung Moskaus geht unverändert weiter. Putin holt sich Stück für Stück Teile des ukrainischen Territoriums, und wir sollen das schweigend hinnehmen“, empört sich ein enger politischer Vertrauter von Präsident Poroschenko.

Im Osten kommen durchschnittlich zwei Menschen pro Tag durch Kriegshandlungen ums Leben. Ganze Großstädte sind dauerhaft von der Wasser-, Gas- und Stromversorgung abgeschnitten, und Wohngegenden werden immer häufiger zum Ziel schwerer Angriffe mit Artillerie und Mörser. Was tut der Westen? Er fordert die Ukraine dazu auf, die Ostukraine den Separatisten zu überlassen. In der vergangenen Woche war EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn zu Besuch in Kiew und in der ostukrainischen Stadt Charkiw. Dort warb er für die Idee „Land gegen Frieden“. Obwohl die Minsker Vereinbarungen nicht eingehalten werden, solle die ukrainische Seite den Separatisten die besetzten Teile des Donbass überlassen. „Vollkommen inakzeptabel“, urteilte der sonst gemäßigte, als proeuropäisch geltende Politologe Wolodymir Fessenko in einem Beitrag für die Internetzeitung „Apostroph“. Bei der ukrainischen Regierung gilt die Idee als „nicht umsetzbar“. Nach über einem Jahr Krieg mit tausenden Toten und fast zwei Millionen Vertriebenen sei es den Menschen nicht zuzumuten, ihnen ein solches Angebot zu unterbreiten, heißt es. Einzig die frühere Regierungspartei, die sich heute „Oppositionsblock“ nennt, begrüßte den Hahn- Vorschlag als einen möglichen Weg zum Frieden.

Donezk und Mariupolwurden stundenlang angegriffen

Aus den besetzten Gebieten kommen dagegen neue, beunruhigende Meldungen. Allein in der Nacht zu Freitag seien die Großstädte Donezk und Mariupol stundenlang angegriffen worden. Vor der Kleinstadt Marjinka seien 16 Panzer der Separatisten im Einsatz. Früher lebten dort knapp 10.000 Einwohner, jetzt steht der Ort kurz vor der Übernahme durch die Militanten. Die Stadt liegt knapp 30 Kilometer südlich von Donezk an der Fernstraße 15, die direkt in die Industriestadt Saporischschja führt, bislang noch unter ukrainischer Kontrolle.
Die ukrainischen Behörden haben Sorge, dass von den besetzten Gebieten aus Material und Unterstützer in die Nachbargebiete gelangen könnten. Die Ängste sind wohl nicht ganz unbegründet, verzeichnen die Behörden in den Grenzregionen doch zunehmende Gewalttaten. Am Donnerstagnachmittag eröffneten Unbekannte das Feuer auf zwei Taxifahrzeuge in Charkiw. Der Inlandsgeheimdienst wurde mit den Ermittlungen beauftragt.

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