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Der Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies äußert sich am 02.01.2017 in Köln (Nordrhein-Westfalen) zu den Sicherheitsmaßnahmen in der Silvesternacht.

© dpa

Update

Silvestereinsatz in Köln: Kölner Polizeipräsident: "Die Stimmung hätte kippen können"

Jürgen Mathies verteidigte das Vorgehen der Polizei. Auch die Bundesregierung ist mit Verlauf der Silvesternacht zufrieden, kündigt aber Überprüfung des "Racial Profiling"-Vorwurfs an.

Das Bundesinnenministerium sieht den von der Kölner Polizei auf Twitter verwendeten Begriff „Nafris“ kritisch. Dies sei „keine offizielle Sprachregelung oder ein offizieller Begriff, den wir verwenden würden“, sagte ein Sprecher am Montag in Berlin. Die Kölner Polizei hatte am Silvesterabend über den Kurznachrichtendienst mitgeteilt: „Am HBF werden derzeit mehrere Hundert Nafris überprüft. Infos folgen.“ Der Begriff „Nafri“ wird im Polizeijargon intern für „nordafrikanische Intensivtäter“ verwendet.

Der Begriff sei zwar „nicht originell, aber taugt auch nicht für eine tagelange Empörung“, erklärte der SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka. Der Einsatz sei insgesamt gut verlaufen. Die Kölner Polizei habe diesmal „mit Konsequenz“ Vorfälle wie vor einem Jahr verhindert, sagte der Bundestagsabgeordnete.

Auch die Bundesregierung zeigte sich mit dem Verlauf der Silvesternacht zufrieden. Sie sei „sehr erleichtert, dass die öffentlichen Silvesterfeiern weitgehend friedlich und vor allem ohne so schreckliche Vorfälle wie im vergangenen Jahr“ abgelaufen seien, betonte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter. Dafür wolle sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel ausdrücklich bei den Einsatzkräften der Polizei bedanken.

Bundesinnenministerium: Vorwürfe des "Racial Profiling" müssen überprüft werden

Der Sprecher des Innenministeriums sagte zu dem Vorwurf, die Polizei habe in Köln an Silvester Nordafrikaner diskriminiert, man werde „sehr genau schauen müssen, ob an dieser Behauptung etwas dran ist“. Eine Kontrolle nur nach Äußerlichkeiten sei rechtswidrig, aber so würde die Bundespolizei auch nicht agieren, sagte Ministeriumssprecher Johannes Dimroth am Montag in Berlin. Er bestätigte aber auch Berichte, wonach in Zügen "hochaggressive" Gruppen festgestellt worden sind, die dann offenbar in Köln kontrolliert und festgehalten wurden. Das sei ein "polizeirechtlich hinreichendes Kriterium", um Gefahren abzuwenden, sagte der Sprecher. Er betonte, die Verantwortung für den Polizeieinsatz in Köln habe bei der Landespolizei gelegen. Der Einsatz der Bundespolizei unter anderem am Hauptbahnhof werde überprüft.

Polizeipräsident verteidigt Vorgehen

Der Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies hat das Vorgehen der Polizei zu Silvester erneut mit Nachdruck verteidigt. Er sei "froh" gewesen, dass die Polizei am Silvesterabend in Köln "so gut aufgestellt" gewesen sei, sagte Mathies am Montag vor Journalisten in der Domstadt. Er habe vorübergehend die Befürchtung gehabt, dass der Polizeieinsatz "hätte kippen können".

"Die Polizei Köln ist mit Augenmaß vorgegangen", sagte Mathies. Bei den Kontrollen sei es "nicht um das Aussehen, sondern um das Verhalten der jungen Männer gegangen". "Wir haben sehr genau darauf geachtet, welches Verhalten legen diese Personen an den Tag", sagte Mathies. Bereits ab 19 Uhr seien am Hauptbahnhof Gruppen junger Männer aus Nordafrika alkoholisiert und aggressiv aufgefallen, schilderte Mathies, der in der Silvesternacht vor Ort war.

Polizei hält eine große Gruppe Nordafrikaner am Hauptbahnhof in Köln am Silvesterabend auf.
Polizei hält eine große Gruppe Nordafrikaner am Hauptbahnhof in Köln am Silvesterabend auf.

© dpa

Die Polizei habe zwar nach den Übergriffen in der Silvesternacht 2015 wieder mit der Anreise vieler junger nordafrikanischen Männer nach Köln gerechnet, die hohe Zahl habe die Einsatzkräfte aber überrascht, sagte der Polizeipräsident. Zu Problemen in der Einsatzbewältigung sei es dank der guten Vorbereitung mit zunächst 1.500 Polizisten im Einsatz nicht gekommen. Zwei Hundertschaften wurden in der Nacht noch hinzugezogen. Zur Kritik von Grünen-Chefin Simone Peter sagte Mathies, er habe am Montag von einigen Politikern auch der Grünen-Bundestagsfraktion Anrufe erhalten. Dabei sei deutlich geworden, dass diese Politiker Peters Ansicht nicht teilten. Neben zahlreichen Anrufen hätten das Kölner Polizeipräsidium mehr als 800 E-Mails erreicht, deren Verfasser "großen Zuspruch für den Einsatz der Polizei" deutlich gemacht hätten.

Auch die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) nahm die Polizei in Schutz. "Frau Peter und andere, die den Polizeieinsatz jetzt kritisieren, irren", sagte sie der Zeitung "Kölner Express". Die Polizisten hätten "vor allem geguckt, wer sich in Gruppen aufhält, und das waren nun mal häufig Personen nordafrikanischer Herkunft".

Wegen der sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht 2015 in Köln hatte es beim aktuellen Jahreswechsel einen Großeinsatz der Polizei gegeben. Rund 1.000 junge Männer vornehmlich aus dem nordafrikanischen Raum waren an der Anreise zum Dom gehindert worden. Der Polizei wurde daraufhin sogenanntes "racial profiling" vorgeworfen. Dabei werden Menschen nur aufgrund ihres Aussehens kontrolliert. Das "racial profiling" ist nur in engen Grenzen zulässig. Menschenrechtsorganisationen fordern seit längerem ein komplettes Verbot.

Grünen-Chefin Peters fragt Nach Rechtmäßigkeit

Grünen-Chefin Simone Peter hatte sich zunächst kritisch über die Art und Weise des Einsatzes der Kölner Polizei bei den Silvesterfeierlichkeiten geäußert. „Das Großaufgebot der Polizei in Köln und anderen Städten hat Gewalt und Übergriffe in der vergangenen Silvesternacht deutlich begrenzt“, sagte sie der „Rheinischen Post“. Allerdings stelle sich die Frage nach der Verhältnis- und Rechtmäßigkeit, „wenn insgesamt knapp 1000 Personen alleine aufgrund ihres Aussehens überprüft und teilweise festgesetzt wurden“, sagte Peter.

Peter schloss sich zudem der Kritik an der Verwendung des Begriffs „Nafris“ für Nordafrikaner an, wie ihn die Kölner Polizei auf Twitter am Silvesterabend benutzt hatte. „Völlig inakzeptabel ist der Gebrauch von herabwürdigenden Gruppenbezeichnungen wie „Nafris“ für Nordafrikaner durch staatliche Organe wie die Polizei“, sagte Peter.

Nach den Erklärungen der Kölner Polizei nahm Grünen-Chefin Simone Peter ihre anfängliche Kritik zurück und ließ am Abend ein ausdrückliches Lob für die Polizei folgen.

Zuvor hatte dies etwa auch der frühere Piratenpolitiker Christopher Lauer kritisiert. „Ich halte diesen Begriff für in hohem Maße entmenschlichend“, sagte er der dpa. Lauer, der Piraten-Vorsitzender in Berlin war und zur SPD übertrat, sieht die Verwendung des Begriffs als äußerst problematisch: „Wenn die nun in der Silvesternacht hunderte Menschen so bezeichnen, ist das eine pauschale Verurteilung einer ganzen Bevölkerungsgruppe nur nach dem Aussehen.“

Die Kölner Polizei hatte am Samstagabend getwittert: „Am HBF werden derzeit mehrere Hundert Nafris überprüft.“ Polizeipräsident Jürgen Mathies sagte dazu am Sonntag bei einer Pressekonferenz, nach seiner Einschätzung hätte der Begriff „Nafri“ besser nicht nach außen verwendet werden sollen. Eine Häufung an Straftaten von Personen aus dem nordafrikanischen Raum lasse sich aber nicht bestreiten, und dafür müsse dann polizeiintern auch ein Begriff gefunden werden. Mathies betonte, dass die allermeisten in Deutschland lebenden Nordafrikaner natürlich keine Straftäter seien.

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Mathies bekräftigte am Montag noch einmal sein Bedauern. „Den Begriff finde ich sehr unglücklich verwendet hier in der Situation“, sagte Mathies im WDR. „Das bedauere ich außerordentlich.“ Die Bezeichnung werde als „Arbeitsbegriff“ innerhalb der Polizei verwendet.

Mathies verteidigte zugleich noch einmal das Vorgehen der Polizei, die Gruppen zu überprüfen. Die Bundespolizei habe zuvor schon aus den Zügen gemeldet, dass „hochaggressive“ Gruppen nach Köln unterwegs seien. Die Polizei habe dann das Gruppenverhalten und auch das Verhalten einzelner Personen beobachtet und davon ausgehend kontrolliert.

„Es ist nun mal so, dass gerade auch aus den Erfahrungen der vergangenen Silvesternacht, aus Erfahrungen, die wir durch Razzien insgesamt auch gewonnen haben, hier ein klarer Eindruck entstanden ist, welche Personen zu überprüfen sind“, sagte Mathies. „Es waren keine grauhaarigen älteren Männer oder blondhaarigen jungen Frauen.“ In einer solchen Situation, in der Tausende Menschen gleichzeitig am Hauptbahnhof einträfen, müsse die Polizei zwingend sofort Entscheidungen treffen.

In der Silvesternacht vor einem Jahr hatte es in Köln und anderen Städten massenhaft sexuelle Übergriffe auf Frauen gegeben. Die Verdächtigen und Verurteilten waren überwiegend Nordafrikaner.

Der CSU-Innenexperte Stephan Mayer wies die Kritik an der der Kölner Polizei zurück und nahm die Beamten gegen Rassismusvorwürfe in Schutz. Das Vorgehen gegen Menschen nordafrikanischer Herkunft habe "nichts mit Diskriminierung zu tun", sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag am Montag im ZDF-"Morgenmagazin". Die Beamten hätten "konsequent und entschieden" Straftaten und sexuelle Übergriffe wie vor einem Jahr verhindert.

Mayer sagte, er sei voll Respekt für den Polizeieinsatz in Köln und mit der Polizeiarbeit "sehr zufrieden".

Durch Ausweiskontrollen, Platzverweise und Festnahmen habe die Kölner Polizei eine Wiederholung der Ereignisse in der Silvesternacht vor einem Jahr schon "im Vorfeld verhindert", sagte Mayer. Für "pauschale Kritik" an einem angeblich diskriminierenden Vorgehen der Polizei habe er daher "kein Verständnis", sagte der CSU-Politiker.

Beamte prüften Identität von 650 Personen

Die Kölner Polizei war zum Jahreswechsel zunächst mit 1500 Beamten im Einsatz, forderte noch einmal Verstärkung an, so dass sich die Zahl der Polizisten schließlich auf 1700 belief. Die Beamten überprüften die Identität von 650 Personen. Dabei habe es sich fast ausschließlich um Nordafrikaner gehandelt, sagte Mathies.

Die Polizei sprach 190 Platzverweise aus und nahm 92 Personen in Gewahrsam. 27 Personen wurden vorläufig festgenommen. Es wurden zehn Sexualdelikte angezeigt, Vergewaltigungen waren nicht darunter.

Polizeipräsident Mathies verwahrte sich gegen den Vorwurf des „racial profiling“, womit ein gezieltes polizeiliches Vorgehen nach ethnischen Gesichtspunkten bezeichnet wird. Es sei um das Verhalten dieser Männer gegangen, betonte er. „Der ganz überwiegende Teil war so, dass mit drohenden Straftaten zu rechnen war“, sagte der Polizeipräsident. Dies habe die Polizei verhindert. Im übrigen seien genauso auch Deutsche überprüft worden.

Auch die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) bezeichnete den großen Polizeieinsatz als „erforderlich“. Wolfgang Wurm von der Bundespolizei berichtete, dass mindestens 1000 „fahndungsrelevante Personen“ nach Köln gereist seien. Viele von ihnen hätten offenbar im Hauptbahnhof bleiben wollen, was die Polizei aber nicht zugelassen habe. (dpa/epd)

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