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Runter mit den Plakaten, ab in die Opposition.

© Roland Weihrauch/dpa

SPD, AfD und Linke: Die neue Opposition wird ein chaotischer Hühnerhaufen

Die Parteien der - nach aktuellem Stand - neuen Opposition verbindet nichts außer dem Schicksal, Opposition zu sein. Für alle gilt: Auch die Gegner des Gegners sind Gegner. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Malte Lehming

Neu, groß, schrill, zerstritten: So wird die künftige Opposition im Bundestag sein. Neu wegen der AfD, groß wegen der Zahl der Abgeordneten, laut wegen des Zwangs, sich profilieren zu müssen, zerstritten wegen ihrer Disparität.

Vorbei jedenfalls ist die Zeit, als während der sozialliberalen oder christlich-liberalen Koalition immer eine Volkspartei die Oppositionsrolle übernahm. Vorbei auch die Zeit, als gegen die große Koalition ein Mini-Gegner aus Linken und Grünen antrat, dessen Rechte – für die Einberufung von Untersuchungsausschüssen und Enquetekommissionen – extra erweitert werden mussten, damit sie wahrgenommen werden konnten.

Die Parteien der neuen Opposition - in Farben ausgedrückt: rot-blau-dunkelrot - verbindet nichts außer dem Schicksal, Opposition zu sein. Ihren Auftrag, sowohl die Regierung zu kontrollieren, als auch sich vorzubereiten auf die Übernahme der Macht, kann sie, was den zweiten Teil betrifft, nicht erfüllen. Denn der Druck, sich untereinander voneinander abzugrenzen, lastet schwer auf ihr. Die Bereitschaft, gemeinsam als Gegenspielerin der Regierung zu agieren, dürfte gen Null tendieren. Die Kakophonie der von und in ihr vertretenen Standpunkte könnte das Publikum vor allem verwirren.

AfD und Linke werden aufgrund ihrer schrillen Rhetorik die Trumpisierung des politischen Diskurses befördern. Das gilt besonders für die Rechtspopulisten. Sie werden Klartext nennen, was Provokation sein soll. Und man kann nur hoffen, dass sie damit nicht jedesmal die Reflexe hyperventilierender Antifaschisten aktivieren. Denn das wird von der Gegenseite als Punktsieg verbucht. So kam es zu einem paradoxen Effekt: Je eindringlicher im Wahlkampf vor der AfD gewarnt wurde - "alles Nazis" - desto stärker wurde die Partei.

Das Image von AfD und Linken ist das Dagegensein

Die Anhänger von AfD und Linke eint, Sympathien für Wladimir Putins Russland zu hegen und Antipathien gegen Amerika. In dieser Beziehung wird ihnen von der SPD voraussichtlich nur wenig Paroli geboten. Ansonsten befehden sie sich und buhlen um Protestwähler. Ihr Image ist das Dagegensein. In diesem Duell hat die Linke einen kleinen strategischen Nachteil, weil sie auf vielen Ebenen schon Koalitionen mit Sozialdemokraten und Grünen geschmiedet hat. Dadurch gehört sie, in der Rhetorik der AfD, zum verachteten Establishment.

Die SPD wiederum ist zwar klar stärkste Oppositionskraft, müsste aber zu AfD und Linken äußerste Distanz halten. Außerdem hat sie nicht nur viele Jahre lang mit der Union regiert, sondern auch schon mit FDP und Grünen. Das macht sie immer dann angreifbar, wenn sie mit ihrer Kritik an der Regierung überzieht. Den sozialdemokratischen Identitätskern wiederzubeleben, ohne unglaubwürdig zu wirken, wird in dieser Konstellation zum Balanceakt. Alle Oppositionsparteien sind sich untereinander spinnefeind. Das Tabu, gemeinsam mit der AfD abzustimmen, wird notwendigerweise fallen. Andernfalls müssten SPD und Linke immer zur Regierung halten oder sich immer enthalten. Das geht natürlich nicht.

Das Recht auf Bildung einer Opposition gehört zu den grundlegenden Prinzipien der Verfassung. Die Opposition ist Teil des politischen Prozesses. Über die notwendigen Stimmen, um Gesetze vors Bundesverfassungsgericht zu bringen, Sondersitzungen oder Untersuchungsausschüsse einzuberufen, verfügt sie. In welchem Maße das aber geschieht, hängt davon ab, wen sie bevorzugt ins Visier nehmen will – die Regierung oder die Mitkonkurrenten im Lager der Kritiker.

Für die neue Regierung schließlich könnte die Zerstrittenheit der Opposition ganz bequem sein. Sie sieht sich keinem geeinten Block gegenüber sondern einem Hühnerhaufen, in dem alle durcheinander gackern. Das wird einen Teil der medialen Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die Tendenz, Schrillheit zu thematisieren, nützt denen, die in aller Ruhe ihrem politischen Handwerk nachgehen wollen.

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