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Auf geht's: SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz eröffnete am Sonntag im ZDF und bei RTL den TV-Wahlkampf zur Bundestagswahl am 24. September.

© Axel Schmidt/AFP

SPD-Kanzlerkandidat: Schulz eröffnet den TV-Wahlkampf

Der SPD-Chef stellt sich den Fragen von ZDF und RTL. Nur ein Auftritt verläuft für den Kandidaten erfolgreich. Auch der Dieselskandal ist Thema.

Zwei Sender, zwei Formate – und ein Kandidat mit zwei Gesichtern: Für Martin Schulz liegen Freud und Leid an diesem Wahlkampfsonntag eng beieinander. Morgens soll er im ZDF den entschlossenen Merkel-Herausforderer und sattelfesten SPD-Chef geben, zur Mittagszeit dann bei RTL als mitfühlender Spitzen-Sozi Bürgerfragen beantworten. Aber nur eines von beidem gelingt.

Das ZDF und sein Moderator Thomas Walde haben sich für das Sommerinterview mit dem SPD-Kanzlerkandidaten eine besondere Kulisse ausgesucht: die „Factory“ an der Bernauer Straße, ein restauriertes Fabrikgebäude, in dem Hipster aus der Berliner Start-up-Szene an der digitalen Zukunft werkeln. „Tolle Location“, lobt Schulz. Aber man spürt: Besonders wohl fühlt sich der Ex-Bürgermeister von Würselen hier nicht.

Waldes Fragen machen die Sache nicht besser. Sie zielen auf die Probleme der Schulz-Kandidatur. Zum Beispiel auf die gute Wirtschaftslage, die bei vielen Wählern einfach keine Wechselstimmung aufkommen lässt. Oder die Alleingänge von Außenminister Sigmar Gabriel, der kürzlich per Interview eine große Koalition ausgeschlossen hat, als sei er noch immer der SPD-Vorsitzende.

"Ich werde Kanzler", sagt Schulz - aber präsentiert sich nicht so

Schulz wirkt angespannt, der Wahlkampf zehrt. Im Willy-Brandt-Haus versichern sie, der Kandidat habe eine Phase der Niedergeschlagenheit hinter sich gelassen. Trotzdem kommt er im Interview nur schwer aus der Defensive, auch wenn er sich alle Mühe gibt. Fortsetzung der Koalition mit der Union? Schulz versucht es mit einem lockeren Spruch: „Ich hab nix gegen ’ne große Koalition unter meiner Führung. Wenn dann die CDU als Juniorpartner eintreten will, soll’n sie sich das überlegen.“ Und überhaupt: „Ich rechne damit, dass ich eine gute Chance habe, die nächste Bundesregierung anzuführen. Ich werde Kanzler.“

Kann man der Schulz-SPD das zutrauen – die Bundesrepublik zu regieren? Das ist die große Frage, die ständig mitschwingt und die sich auch die Zuschauer stellen, ob bewusst oder unbewusst. Doch ausgerechnet bei den Megathemen Dieselaffäre und Nordkoreakrise unterlaufen der SPD und ihrem Spitzenmann Patzer. Auf der Terrasse der „Factory“ erklärt Schulz den Diesel-Gipfel kurzerhand für „gescheitert“, lobt aber andererseits Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) dafür, dass sie bei diesem Gipfel viel für die Dieselfahrer herausgeholt habe. Logisch ist das nicht.

Beim Thema Nordkorea demonstriert Schulz, ganz Staatsmann, Einigkeit mit der Kanzlerin. „Es gibt Situationen, in denen muss ein Volk zusammenhalten.“ Die Deutschen könnten sich darauf verlassen, „dass ich eine solche Krise nicht zum Wahlkampfthema machen werde“. Dumm nur, dass SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann an diesem Sonntag einen ganz anderen Eindruck erweckt und die Kanzlerin in harten Worten dazu auffordert, der Kriegsrhetorik von US-Präsident Trump klarer entgegenzutreten.

Bei besorgten Bürgern kommt der Kandidat an

So schwer sich Schulz beim ZDF tut, sich als Kanzler von morgen zu präsentieren, so leicht fällt ihm das direkte Gespräch mit besorgten Bürgern. Das „Townhall-Meeting“ im RTL-Hauptstadtbüro ist ein Format, bei dem der Kandidat seine größten Stärken ausspielen kann: Empathie und das Verständnis für die Nöte der ganz normalen Leute. Bei RTL erzählen sie Schulz ihre Geschichten – und er antwortet in einer klaren Sprache. Das kommt an.

Da ist zum Beispiel die 73-jährige Dagmar Willms aus Leipzig, die in ihrer Straße Drogenhandel und Rockerkriminalität erlebt, Tag für Tag. „No-go- Areas darf es in Deutschland nicht geben. Da muss der Staat sich durchsetzen“, sagt Schulz. Und weiter: „Solche Typen müssen mal richtig einen auf die Mappe kriegen, damit sie spüren, wer im Land das Sagen hat.“

Einer, der Klartext spricht und sich kümmert – so hat Schulz seinen Wahlkampf von Beginn an angelegt, und hier geht das Konzept einmal auf. Die Anspannung des Morgens ist von ihm abgefallen, jetzt dreht er richtig auf. Einem Potsdamer Polizeibeamten, der über die unterschiedliche Besoldung in den Bundesländern klagt, verspricht er: „Ich hole als Kanzler die Ministerpräsidenten und die Innenminister der Länder an einen Tisch.“ Und einem 18-jährigen Flüchtling aus Afghanistan sagt er zu, sich bei Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer gegen die drohende Abschiebung einzusetzen. So geht das fast eine Stunde lang.

Am Ende fragt RTL-Moderator Peter Kloeppel, was Martin Schulz, der seit Jahren Tagebuch führt, über die Sendung aufschreiben wird. Nur Gutes, versichert Schulz. Der Kandidat trägt jetzt ein breites Lächeln im Gesicht. Was er zu seinem Auftritt beim ZDF notieren will, verrät er lieber nicht.

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