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Es sieht in den geräumten Camps aus wie auf einem Trümmerfeld. Präsident Mansur wusste sich nicht mehr anders zu helfen: Er rief den Notstand aus.

© AFP

Update

Staatskrise am Nil: Regierung: 343 Tote bei Räumung der Protestlager für Mursi

Am Morgen nach den heftigen Auseinandersetzungen ist im Land eine gespannte Ruhe eingetreten. Am Vortag hatte es hunderte Tote und Verletzte gegeben, der Ausnahmezustand wurde ausgerufen und eine Ausgangssperre verhängt.

Bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen in Ägypten sind nach Angaben der Regierung vom Donnerstagvormittag zufolge mindestens 343 Menschen getötet worden. Diese Zahl gab das ägyptische Gesundheitsministerium bekannt. Unter den Toten seien auch 43 Polizisten. Schon am Vorabend hatte das Ministerium von mehr als 2000 Verletzten gesprochen. Die Muslimbrüder dagegen sprachen von bis zu 2000 Toten. Die Nacht nach der gewaltsamen Räumung zweier Protestlager der Anhänger des gestürzten Präsidenten Mohamed Mursi verlief ruhig. Die Armee hatte eine nächtliche Ausgangssperre verhängt.

Am Mittwoch hatte sich von Alexandria bis Assuan eine Spur der Gewalt durch ganz Ägypten gezogen. Nach der forcierten Auflösung der beiden Protestcamps der Mursi-Anhänger in Kairo schwappte die Gewalt auf viele Städte des Landes über. Übergangspräsident Adli Mansur reagierte am Nachmittag mit der Verhängung des Ausnahmezustandes für einen Monat. Die Polizei erhielt dadurch weitreichende Befugnisse, Verhaftungen ohne richterlichen Beschluss vorzunehmen. Die persönlichen Freiheiten können eingeschränkt werden. Mit dieser Maßnahme sollten Sabotageakte, Attacken auf öffentlichen und privaten Besitz und der Verlust an Leben eingedämmt werden, hieß es in der präsidialen Mitteilung.

Regierung verhängt Ausnahmezustand in Kairo und elf anderen Provinzen

Die Regierung ordnete zudem für 12 Provinzen, darunter Kairo, Giza und Alexandria, eine Ausgangssperre von abends sieben bis morgens sechs Uhr an. Der liberale Politiker und Nobelpreisträger Mohammed el Baradei hat als Reaktion auf die brutale Polizeiaktion gegen die Demonstranten seinen Rücktritt als Interimsvizepräsident angekündigt und sich von dieser Entscheidung deutlich distanziert. Gerüchte zwei Vize-Premiers wollten es ihm gleichtun, wurden von Seiten der Regierung dementiert.

Demonstranten versuchten neue Protest-Lager zu bilden

Nach der Räumung der Protest-Camps mit Waffengewalt hatte die „Allianz zur Unterstützung der Legitimität“ Solidaritätskundgebungen im ganzen Land organisiert. Mancherorts kam es zu blutigen Zusammenstössen mit der Polizei, die alle Versuche, neue Protest-Lager zu bilden, gewaltsam unterband. Armee und Polizei verstärkten den Schutz strategisch wichtiger Einrichtungen wie Flughäfen.

Wütende Anhänger der gestürzten Präsidenten, unterstützt von erzkonservativen Salafisten, hatten Polizeistationen angegriffen, Strassen gesperrt und Brandbomben gegen mehrere koptisch-christliche Kirchen in Oberägypten geworfen. Die Tamarod-Rebellen riefen zur Bildung von Volkskomitees auf, um die christlichen Gotteshäuser zu schützen. Der Scheich der al Azhar Moschee, der den letzten gescheiterten Vermittlungsversuch zwischen Regierung und Muslimbrüdern unternommen hatte, appellierte an alle Seiten, das Blutbad zu beenden und einen Dialog aufzunehmen. Das Kabinett kam zu einer Krisensitzung zusammen. Die Regierung will am Fahrplan der politischen Transformation festhalten.

Die Opferbilanz blieb bis zum Mittwochabend unvollständig. Das Gesundheitsministerium bestätigte landesweit 278 Tote, davon 49 rund um die beiden Protest-Camps Kairo und über 1400 Verwundete. Andere Quellen nannten deutlich höhere Zahlen von Toten und Verletzten. Die Anhänger des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi hatten dagegen schon am Nachmittag von mehr als 2200 Toten und 10.000 Verletzten gesprochen. Das Innenministerium gab die Zahl der Verhaftungen mit über 540 an und erklärte am späten Abend, auch Rabaa al Adawiya sei unter vollständiger Kontrolle der Sicherheitskräfte.

Innenminister verteidigt Einsätze der Polizei

Nach Angaben des Innenministers Mohammed Ibrahim sind auch 43 Polizei-Angehörige getötet worden. Insgesamt seien mehr als 200 Beamte verletzt worden. Der Minister verteidigte zugleich das Vorgehen der Sicherheitskräfte. Im Land seien unter anderem 21 Polizeiwachen angeriffen worden. Auch ins Finanzministerium sei eingebrochen worden. Zudem seien die Sicherheitskräfte nahe der Rabea-al-Adawija-Moschee in Kairo beschossen worden. (mit dpa)

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