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Fluch oder Segen? Stammzellen sollen Krankheiten heilen helfen.

© dpa

Stammzellen: „Kein EU-Geld für Embryonenforschung“

Deutsche Abgeordnete wollen die EU-Förderung für Forschung an menschlichen Embryonen verhindern. Sie sehen darin einen Verstoß gegen deutsches Recht. Die Grünen warnen vor der Ausbeutung des weiblichen Körpers.

Der Streit tobt seit gut einem Jahrzehnt. Er bewegt sich im Spannungsfeld von Lebensschutz, Menschenwürde und Forscherinteressen – und die Fronten ziehen sich quer durch die Parteien. Darf man menschliche Embryonen in der vagen Hoffnung „verbrauchen“, mithilfe ihrer Stammzellen irgendwann einmal bisher unheilbare Krankheiten therapieren zu können? In Deutschland ist derartige Forschung nur unter strengen Auflagen möglich. Und mit einer parteiübergreifenden Initiative wollen deutsche Abgeordnete nun verhindern, dass sie weiterhin über die Europäische Union gefördert wird. Mit dabei sind Politiker sämtlicher Bundestagsfraktionen – mit Ausnahme der FDP.

Es müsse sichergestellt werden, dass deutsches Steuergeld nicht länger „über den Umweg Europäische Union“ in Forschung fließe, die hierzulande „aus guten Gründen unter Strafe gestellt wurde“, forderten Günter Krings (CDU), Rene Röspel (SPD), Biggi Bender (Grüne) und Ilja Seifert (Linke) am Dienstag in Berlin und appellierten diesbezüglich auch an Forschungsministerin Annette Schavan (CDU). Anlass für den Vorstoß ist die aktuelle Debatte über das neue EU-Forschungsrahmenprogramm für 2014 bis 2020. Darin soll die bisherige Förderung in Europa von 50 auf 80 Milliarden Euro aufgestockt werden.

Explizit ausgeschlossen hat die Europäische Kommission eine Förderung bislang nur für Projekte, bei denen Embryonen direkt zerstört werden. Eine Stichtagsregelung wie in Deutschland (wo nur mit Stammzellen experimentiert werden darf, die bereits vor dem 1. Mai 2007 gewonnen wurden) gibt es bei der EU nicht. So sei es möglich, in anderen Ländern Embryonen gezielt für die Wissenschaft zu produzieren und die Forschung an deren Stammzellen dann aus EU-Mitteln gefördert zu bekommen, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der konservativen EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Peter Liese (CDU). Die deutschen Steuerzahler finanzierten dann „etwas mit, was in Deutschland bei Strafe verboten ist“.

Allerdings dreht sich auch im EU-Parlament offenbar der Wind. Am 18. September beschloss dessen Rechtsausschuss mit klarer Mehrheit, die Forschung mit menschlichen embryonalen Stammzellen komplett aus der Forschungsförderung herauszunehmen. Die Mitglieder beriefen sich dabei auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom vergangenen Jahr, wonach menschliche Embyronen und deren Stammzellen nicht patentierbar sind, weil dies gegen die Menschenwürde verstoße. Das Forschungsrahmenprogramm dagegen ermutigt Wissenschaftler ausdrücklich, ihre Ergebnisse patentieren zu lassen.

Die Folgerung aus diesem Urteil könne nur sein, die embryonale Stammzellforschung aus der Förderung herauszunehmen, meinen auch Experten wie der Bonner Jurist Klaus Gärditz. Anderenfalls riskiere man, dass der EuGH das gesamte Förderprogramm für nichtig erkläre.

Die Abgeordneten von Union, SPD, Grünen und Linkspartei begrüßten das Votum des Rechtsausschusses. Es könne nicht angehen, dass man auf EU-Ebene eine Forschung legitimiere, die national derart umstritten sei, sagte der SPD-Politiker Röspel. CDU-Mann Krings fordert eine europaweite „offensive Debatte“ darüber, wie weit man „Menschen verzwecken“ dürfe. Der Linken-Abgeordnete Seifert berichtet, dass die Definition von Wert und Unwert menschlichen Lebens bei Behinderten große Ängste auslösten. Und die Grünen-Expertin Bender warnte vor einer Ausbeutung des weiblichen Körpers. Eizellen seien nur durch Hormonstimulation und operative Eingriffe zu gewinnen, sagte sie. Schon jetzt sei zu erkennen, dass die Begehrlichkeiten der Forscher für Frauen in ärmeren Ländern zur Einkunftsquelle zu werden drohten.

Zudem habe die Forschung mit embryonalen Stammzellen bisher keineswegs den versprochenen medizinischen Durchbruch gebracht, betonten die Abgeordneten. Die Förderung solle sich auf erfolgversprechendere Projekte mit adulten oder künstlich reprogrammierten Stammzellen konzentrieren.

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