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Russlands Osten: Starren auf die Wolke

Menschen im äußersten Osten Russlands kaufen Jodpräparate und Geigerzähler. Dabei halten Wetterdienst und Katastrophenschützer die Befürchtungen für unbegründet.

Moskau - „Ruhe bewahren und nicht in Panik verfallen.“ Seit sich die Situation im japanischen Kernkraftwerk Fukushima am Dienstag dramatisch zuspitzte, wiederholen Fernsehen und Radio im äußersten Osten Russlands im Stundentakt Aufrufe der Regionalregierung an die Bevölkerung. Korrespondenten russischer Medien in der Pazifikregion berichteten bereits am Montag, die Menschen dort würden Jodpräparate hamstern und Geigerzähler kaufen. In den südlichen Gebieten der Region – die Insel Sachalin und die Kurilen sind weniger als 2000 Kilometer vom Unglücksort entfernt – würde die Bevölkerung sogar den Aufenthalt im Freien auf ein Minimum beschränken. Bewohner der Kurilen-Insel Iturup rüsten sich bereits für eine Evakuierung.

Wetterdienst und Katastrophenschützer halten die Befürchtungen für unbegründet. Über 70 Messstationen im Fernen Osten, so Roman Wildfand, Russlands oberster Meteorologe, würden alle zwei Stunden Proben von Luft und Wasser nehmen. Bisher seien alle Werte im grünen Bereich. So wurden auf Sachalin am Dienstag 9,3 Mikroröntgen gemessen, während die zulässige Obergrenze bei zwölf Mikroröntgen liegt. Selbst „beim schlimmsten anzunehmenden Verlauf“, so Wildfand bei Radio „Echo Moskwy“, drohe den Menschen in Russlands äußerstem Osten keine Gefahr. Die Luftströme würden sich bis mindestens 20. März von West nach Ost bewegen, die Radioaktivität werde auf den Stillen Ozean geweht. Fast wortgleich äußerte sich Sergej Kirijenko, Chef der russischen Atombehörde. Putin selbst versuchte schon am Montag, die Bevölkerung zu beruhigen, hatte damit aber so wenig Erfolg wie die Meteorologen.

Die Nation hat noch nicht vergessen, dass die Sowjetregierung im April 1986 die Katastrophe von Tschernobyl erst zwei Tage nach dem Unfall zugab und selbst dann mit der Wahrheit nur scheibchenweise herausrückte. Laut Umfragen im äußersten Osten des Landes vertrauen lediglich 40 Prozent den Darstellungen der Katastrophenschützer. Der Krisenstab von Russlands Atombehörde kritisierte, dass Japan nur „äußerst unzureichend und unregelmäßig“ über die Entwicklungen informiert. Seit Montag versuchen daher Experten der Russischen Akademie der Wissenschaften und von Rosenergo-Atom – der Staatsholding, die die Kernkraftwerke beitreibt –, sich am Unglücksort ein eigenes Bild von der Lage zu machen. Premier Putin wie Präsident Medwedew hatten bereits am Montag angekündigt, die Sicherheitsbestimmungen für russische Kernkraftwerke weiter zu erhöhen. Abstriche beim Programm zum Bau weiterer Kernkraftwerke, so Putin, werde es jedoch künftig nicht geben. Derzeit betreibt Russland insgesamt 31 Atomkraftwerke, sieben sind im Bau und fünf weitere in der Planung. Bereits vor über 20 Jahren ging der letzte Reaktor des Typs RBMK-1000 – der auch in Tschernobyl stand – vom Netz.

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