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Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD)

© Wolfgang Kumm/dpa

Streit um Integrationskosten: Schäuble, die Flüchtlinge und das Dragoner-Areal

Der Finanzminister verknüpft zwei Dinge, die eigentlich nicht zusammengehören: die Integrationskosten und Länderrechte beim Immobilienverkauf des Bundes. Sigmar Gabriel protestiert.

Von Antje Sirleschtov

Der monatelang schwelende Streit um Aufteilung der Integrationskosten für Flüchtlinge zwischen Bund und Ländern geht in eine neue Runde. Nachdem sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Anfang Juli mit den Ministerpräsidenten der Länder darauf geeinigt hatte, dass der Bund für die Bewältigung der Integration von Flüchtlingen in den nächsten drei Jahren insgesamt sieben Milliarden Euro zusätzlich zahlt, will nun Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel dem entsprechenden Gesetzentwurf des Kabinettskollegen Wolfgang Schäuble (CDU) nicht zustimmen.

Der Grund: Der Finanzminister will das bestehende Recht des Bundesrates zur Mitbestimmung beim Verkauf von wichtigen Immobilien des Bundes abschaffen. Das würde die Interessen der Ländern, ganz besonders auch des Landes Berlin tangieren: Seit geraumer Zeit wird mit dem Bundesfinanzminister über die Zukunft des Dragoner-Areals in Kreuzberg gestritten.

Genau genommen haben die Verteilung der Integrationskosten für Flüchtlinge und der Passus der Bundeshaushaltsordnung zum Mitwirkungsrecht der Länder bei außergewöhnlichen Immobiliengeschäften des Bundes nichts miteinander zu tun. Nach Informationen des Tagesspiegels hat Schäuble aber beide Sachverhalte in einem Referentenentwurf verknüpft, der in diesen Tagen zur Abstimmung in die Ressorts der Bundesregierung versandt wurde. Ohne deren Zustimmung kann der Entwurf im Kabinett nicht abgestimmt werden.

Wolfgang Schäuble ist die Möglichkeit der Bundesländer, ihm in Immobiliengeschäfte hineinzureden, schon lange ein Dorn im Auge, weil die Länder über diesen Hebel die Möglichkeit haben, lukrative Immobilienverkäufe des Bundes zu stoppen. Die Länder wollen darüber Einfluss behalten, um soziale Entwicklungen baulich steuern zu können.

In Kreuzberg wird der Konflikt sichtbar

Ein Beispiel ist der umstrittene Deal um das Berliner Dragoner-Areal: Das zentrumsnahe Grundstück in Berlin-Kreuzberg gehört dem Bund, dessen Immobiliengesellschaft Bima es einem österreichischen Investor für einen hohen Preis verkaufen will.

Das Dragoner-Areal in Berlin-Kreuzberg
Das Dragoner-Areal in Berlin-Kreuzberg

© Tsp

Der Kauf wurde jedoch 2015 auf Druck der SPD-regierten Bundesländer im Bundesrat gestoppt, weil Berlin befürchtet, der Investor werde dort keine Sozialwohnungen, sondern hochpreisige Wohnungen bauen. Ein angestrebter Kauf des Areals durch eine Berliner Wohnungsbaugesellschaft, die dann günstigere Wohnungen dort bauen könnte, wurde wegen des hohen erzielbaren Kaufpreises als nicht denkbar betrachtet. Bis heute schwelt der Streit um das große Areal am Mehringdamm.

Schäubles aktueller Vorstoß zur Änderung der Haushaltsordnung hat nun in Berlin zu neuer Verunsicherung über dessen Pläne mit dem Dragoner-Areal geführt. Schließlich liegt der Verkauf zwar seit 2015 auf Eis – wie der Finanzminister mit dem Areal weiter umgehen will, hat er aber seitdem noch nicht erkennen lassen. Und in Berlin muss sich die Politik fragen lassen, warum das Grundstück für den dringend benötigten Bau von Wohnungen nicht endlich nutzbar gemacht wird.

Schäuble nutzt den Zeitdruck - für politischen Druck auf die Länder

Dass der Finanzminister die Umsetzung des Flüchtlingsdeals der Kanzlerin mit den Ländern ausgerechnet mit einer Änderung der Bundeshaushaltsordnung verknüpft, die unweigerlich die Rechte der Länder beschneiden würde, wird im Wirtschaftsministerium von Sigmar Gabriel als dreister Versuch mit Erpressungspotenzial empfunden. Schließlich haben die Länder lange mit der Bundesregierung um die Integrationskosten gerungen. Auch sie müssten im Bundesrat noch zustimmen. Dass sie das Geld dringend brauchen und an einer Verzögerung kein Interesse haben, schwächt natürlich ihre Verhandlungsposition bei der Neuregelung der Mitwirkung an Immobiliendeals. Für die Länder könnte es interessant sein, statt über den Bundesrat lieber direkt mit der Bundesregierung zu verhandeln – als Bundesland, in dem der Bund eine Immobilie veräußern will.

Der Vizekanzler hat Schäuble nach Informationen des Tagesspiegels nun mitgeteilt, dass er dem Gesetzentwurf in dieser Form nicht zustimmen wird. Auf jeden Fall verzögert sich also – neben konkreten Bauvorhaben in den Ländern, die auch für die Unterbringung von Flüchtlingen wichtig sein können – die Umsetzung der Bund-Länder-Vereinbarung zur Aufteilung der Integrationskosten. Das Finanzministerium lehnte eine Stellungsnahme zu dem Vorgang ab.

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