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Wahlparty: Türkische Wählerinnen feiern den Sieg des Ja am Sonntag mit einem Autokorso auf dem Berliner Kurfürstendamm.

© Fabrizio Bensch/Reuters

Streit um türkische Wähler: Kritik an Schröder-Köpf auch aus der SPD

Eingeschränktes Wahlrecht für Doppelstaatler? In der SPD fühlt man sich durch Doris Schröder-Köpfs Vorschlag an AfD-Debatten erinnert.

Niedersachsens Migrationsbeauftragte Doris Schröder-Kopf (SPD) hat vorgeschlagen, das Wahlrecht für Doppelstaatler ruhen zu lassen: Auch wer zwei Pässe hat, solle nur in einem Land wählen können. „Das Wahlrecht sollte an ein Land gekoppelt sein, und zwar an das Land, in dem man hauptsächlich lebt“, sagte Schröder-Köpf der Neuen Presse Hannover. Die aktuelle Regelung, dass Doppelstaatler in beiden Staaten wählen, sei „nicht fair gegenüber den Menschen, die nur in einem Land wählen dürfen“. Wer wählt, solle die Folgen seiner Wahl auch tragen. Sie meine damit nicht nur die Türkei, sondern auch die EU-Staaten. „Wie können Leute, die hier wohnen beispielsweise für eine Einschränkung der Pressefreiheit in Ungarn oder Polen stimmen“, fragte die SPD-Politikerin. Sie sei aber keine Juristin.

SPD-Politiker Bozkurt: Nicht der AfD auf den Leim gehen

Die Debatte um das Wahlrecht im Ausland läuft, seit die deutschen Ergebnisse zum türkischen Verfassungsreferendum bekannt geworden sind. Demnach hat die Mehrheit derjenigen, die in Deutschland abstimmten – das waren allerdings weniger als die Hälfte der hiesigen türkischen Wahlberechtigten – zu 63 Prozent Erdogans autoritärer neuer Verfassung zugestimmt.
Schröder-Köpf stellt sich mit ihrem Vorschlag auch gegen die Position ihrer eigenen Partei. Gegenwind erhielt sie von der SPD-Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt. Deren Vorsitzender Aziz Bozkurt warf ihr indirekt vor, sich bei der konservativen und rechten Konkurrenz zu bedienen: „Wir sollten dem Loyalitätsdiskurs der Union und der völkischen AfD nicht auf den Leim gehen“, sagte Bozkurt dem Tagesspiegel. Zu Schröder-Köpfs Ansicht, in zwei Ländern zu wählen, sei ungerecht allen anderen gegenüber, sagte Bozkurt, so knüpfe man „nur an die Debatten der Ewiggestrigen an“. Denn auch die suggerierten, „dass der Doppelpass ein berechtigter Grund zum Neid sei“. Ihnen gehe es um Spaltung, während seine und Schröder- Köpfs SPD „für den Zusammenhalt in unserer weltoffenen Gesellschaft“ stehe, mahnte Bozkurt.

Türkische Gemeinde für mehr statt weniger Wahlrecht

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, warf Schröder-Köpf vor, einen „Nebenschauplatz“ aufzumachen. „Deutschland sollte seine Integrationspolitik lieber an den Verhältnissen hier ausrichten, als in die Türkei zu schauen“, sagte Sofuoglu. Dazu gehöre etwa die Einführung des kommunalen Wahlrechts: „Wenn Menschen, die hier seit mehr als 50 Jahren leben, Mitbestimmungsrechte bekommen, fördert das deren Zugehörigkeitsgefühl mehr, als wenn man ihr Wahlrecht an anderer Stelle einschränkt.“ Sofuoglu nannte Schröder-Köpfs Plan zudem aussichtslos: „Am Wahlrecht der türkeistämmigen Deutschen könnte nur die Türkei etwas ändern, nicht wir hier.“
Nach deutschem Wahlrecht sind die Möglichkeiten deutscher Staatsbürger ohnedies eingeschränkt, wenn sie hauptsächlich im Ausland leben. Auslandsdeutsche, also Staatsbürger ohne gemeldeten Wohnsitz in Deutschland, dürfen nur dann mitwählen, wenn sie „Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen“ in der Bundesrepublik Deutschland haben – wozu es nach Mitteilung des Bundeswahlleiters nicht genügt, am ausländischen Wohnort deutsche Zeitungen zu lesen oder Fernsehsender einzuschalten. Außerdem müssen sie laut Bundeswahlgesetz von den politischen Verhältnissen in Deutschland „betroffen“ sein. Das träfe zum Beispiel nicht für Auswanderer zu, die im Ausland arbeiten und auch sonst ausschließlich dem Recht des anderen Staates unterstehen, in dem sie ihren Wohnsitz haben.

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