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Der russische Außenminister Sergei Lawrow und sein Ministerium werden auf Twitter parodiert. Lawrows Sprecherin machte nun die deutsche Heinrich-Böll-Stiftung für die "Angriffe" verantwortlich.

© Sergey Chirikov/dpa

Streit um Twitter-Parodie: "Persönliche Angriffe auf die russische Führung"

Neuer Ärger im deutsch-russischen Verhältnis: Moskau wirft einer deutschen Stiftung vor, hinter einer Twitter-Parodie auf das russische Außenministerium zu stehen. Berlin weist die Vorwürfe zurück.

Es gibt kaum einen bekannten Staats- oder Regierungschef, der nicht in den sozialen Netzwerken parodiert wird. Über Angela Merkel, Barack Obama und Wladimir Putin gibt es längst Parodien auf Twitter. Auch Russlands Außenminister Sergej Lawrow und sein Amt werden im Internet auf die Schippe genommen. Doch nun ist eine solche Parodie überraschend zum Thema im Verhältnis zwischen Deutschland und Russland geworden. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, warf der „deutschen Seite, besonders der Partei der Grünen“ in einem Presse-Briefing „persönliche Angriffe auf die Führung der Russischen Föderation und das Außenministerium“ vor.

Ein Mitarbeiter der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, der Büroleiter in Kiew, führe einen falschen Twitter-Account des Außenministeriums, sagte Sacharowa am Donnerstag vor Journalisten. Das Konto @Fake_MIDRF, das es seit fast vier Jahren gibt und von mehr als 191.000 Menschen verfolgt wird, kommentiert russische Innen- und Außenpolitik ironisch und von einem kremlkritischen Standpunkt. Die Böll-Stiftung wies die Vorwürfe zurück. „Die Behauptungen von Frau Sacharowa entbehren jeder Grundlage“, erklärte der Stiftungsvorstand Ralf Fücks. Die Stiftung habe den entsprechenden Blog „zu keinem Zeitpunkt finanziell oder organisatorisch unterstützt“.

Kremltreue Medien: "antirussische" Tweets von "europäischen Schwulen"

In den kremltreuen russischen Medien kursiert die Geschichte über die angeblichen Urheber der „antirussischen“ Tweets bereits seit einigen Tagen. Manche Medien wie das Boulevardblatt „Komsomolskaja Prawda“ behaupteten sogar, „europäische Schwule“ steckten dahinter. Man hätte die ganze Geschichte als Posse oder als weiteres Beispiel der Diskreditierung echter oder vermeintlicher Kreml-Gegner abtun können.

Doch Lawrows Sprecherin erhob indirekt auch Vorwürfe gegen die Bundesregierung. Denn Sacharowa wies ausdrücklich darauf hin, dass die Böll-Stiftung wie andere politische Stiftungen in Deutschland staatliche Mittel erhält. „Für unsere deutschen Kollegen ist das ein sehr guter Anlass darüber nachzudenken, dass ihre Anschuldigungen hinsichtlich irgendeiner russischen Propaganda nach solchen Enthüllungen einfach lächerlich erscheinen.“ Im Auswärtigen Amt in Berlin hieß es, für die Behauptungen der Sprecherin gebe es keine Grundlage. Auch der an das Auswärtige Amt gerichtete Vorwurf der „antirussischen Propaganda“ sei „unbegründet“.

Sorge um Spielräume für Nichtregierungsorganisationen in Russland

Unklar ist, ob die Vorwürfe aus Moskau Folgen für die Arbeit der Böll-Stiftung im Land haben werden. „Wir sind grundsätzlich besorgt über die Spielräume für unsere Arbeit in Russland und die unserer Partner“, sagt Walter Kaufmann, Leiter des Referats Ost- und Südosteuropa der Böll-Stiftung. In Russland müssen sich Nichtregierungsorganisationen, die Unterstützung aus dem Ausland erhalten, als „ausländische Agenten“ registrieren lassen. Die Internationale Gesellschaft Memorial, eine Menschenrechtsorganisation, mit der die Böll-Stiftung lange zusammenarbeitet, könnte Ende September auf die Agenten-Liste gesetzt werden.

Selbst das Meinungsforschungsinstitut Lewada-Zentrum wurde als „ausländischer Agent“ eingestuft. Sollte es dabei bleiben, werde das Zentrum die Arbeit einstellen müssen, weil man mit diesem Stigma keine Umfragen durchführen könne, sagte der Leiter des Zentrums, Lew Gudkow. Bevor die Behörden begannen, gegen das Zentrum vorzugehen, hatten die Meinungsforscher der Regierungspartei „Einiges Russland“ sinkende Popularität bescheinigt. Am Sonntag kommender Woche wird in Russland ein neues Parlament gewählt.

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