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Ärger mit Brüssel. Ungarns Regierungschef Viktor Orban von der rechtskonservativen Fidesz-Partei

© dpa

Streit um Ungarns Verfassung: Orban – Verteidiger gegen fremde Herren

Erst die Habsburger, dann die Sowjetunion, jetzt Brüssel - viele Ungarn reagieren allergisch auf Fremdherrscher. Im Streit um die neue Verfassung stärken sie deshalb ihrem rechtskonservativen Regierungschef Viktor Orban den Rücken.

Feierabend in Budapest. Das Dandar-Thermalbad im IX. Stadtbezirk ist gut besucht. Hier ist das Bad noch günstig, im Halbrund mit dem Mosaik aus sozialistischen Zeiten gibt es gerade einmal drei kleine Becken. Man sitzt im Wasser, lässt die Beine baumeln und diskutiert: Familie, Arbeit, Sport. Politik ist kein Thema.

Szenenwechsel: Im Clubcafe „SRLY“ im angesagten VII. Bezirk sitzen Teenager auf alten Sofas und planen die nächste Aktion. Transparente hängen über wackligen Stühlen, ein paar Studenten schauen sich die Besetzung des Fidesz-Hauptquartiers im Internet an. Mit dabei war Kata Balogh. „Wir müssen die Gesellschaft aufrütteln“, sagt die junge Frau.

Die Protestaktion gegen die neueste Verfassungsnovelle der Regierung Viktor Orban von der rechtskonservativen Partei Fidesz hat weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Da Fidesz die Wahlen 2010 mit einer Zweidrittelmehrheit gewonnen hatte, kann die Partei das Grundgesetz alleine ändern. Dies werde rücksichtslos zum eigenen Machterhalt ausgenutzt, sagen Kritiker im In- und Ausland. Manche sehen darin den ersten Schritt zum Autoritarismus.

„Orban biegt endlich ein paar Sachen wieder zurecht“, widerspricht Istvan Lantos, der nach langen Jahren in Bayern sein Alter in der Heimat verbringen will. Orbans Ziel sei es, Ungarn vor der Dominanz der internationalen Finanzmärkte zu schützen und die ehemaligen kommunistischen Seilschaften aus der Vorgängerregierung zu besiegen, sagt Lantos in traditioneller Volkstracht vor dem Nationalmuseum. „Wir verteidigen unser Land gegen Fremdherrscher wie den IWF und die EU“, ruft seine betagte Begleiterin kämpferisch dazwischen.

Die Regierung igelt sich derweil ein, Orban hält EU-kritische Brandreden. Budapest werde missverstanden, die Presse dresche auf das Land ein, ohne die kritisierten Gesetze im Originaltext zu kennen, klagt Orbans Sprecher für die Auslandpresse. Ferenc Kumin nimmt sich dabei viel Zeit, die beanstandete Verfassungsnovelle zu erhellen. Ein Staatssekretär im Außenministerium ergänzt, dass Orban mit seiner Kraftmeierei vor allem das politisch keineswegs monolithische eigene Lager konsolidieren wolle. Es gälte eben Rhetorik und Taten scharf zu trennen, sagt der Regierungsbeamte, und verweist auf das Brüsseler Lob für Ungarns EU-Ratspräsidentschaft 2011.

„Die Verfassung ist für die Mehrheit der Ungarn überhaupt kein Thema“, sagt der Soziologe Pal Tamas. Der Text sei auch auf Ungarisch für Nicht-Juristen kaum verständlich, dazu hätten die meisten ganz andere Sorgen. Ungarn erlebt eine der schwersten Wirtschaftskrisen in seiner Geschichte. Auch haben sich die meisten Ungarn mehr Wohlstand vom EU-Beitritt erhofft. Brüssel wird deshalb als Fremdherrscher wie einst die Habsburger und später die Sowjetunion wahrgenommen. „Die EU-Kritik schadet der Regierung nicht, sondern gibt Orban die Möglichkeit zur Selbstdarstellung als aufständischer Bursche, der Ungarn beschützt“, sagt Tamas.

Der zum Populismus neigende Regierungschef nutzt diese Emotionen gekonnt aus. „Die Opposition ist schwach, deshalb ruft sie das Ausland zu Hilfe und behauptet die Demokratie sei in Gefahr“, beten Orban-Anhänger immer wieder die Regierungsposition vor.

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