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Nach den Einheitsfeierlichkeiten in Dresden gibt es Kritik an der Polizei: War sie zu nachsichtig mit rechten Pöblern?

© Arno Burgi/dpa

Update

Tag der Einheit in Dresden: Scharfe Kritik am Einsatz der Polizei

Ein Polizist hat Pegida "einen erfolgreichen Tag" gewünscht. Die sächsischen Sicherheitsbehörden hätten mit ihrem Einsatz Glaubwürdigkeit verspielt, kritisieren SPD und die Landtagsopposition.

Von
  • Matthias Meisner
  • Frank Jansen

Die sächsische Polizei hätte wissen können, was sich auf den Einheitsfeierlichkeiten in Dresden zusammenbraut. Schon am Samstag hatte Pegida-Anführer Lutz Bachmann seinen Anhänger auf Facebook mitgeteilt, dass er am Montagvormittag in der Dresdner Innenstadt eine "Rauchpause" vor dem Pegida-Spaziergang einlegen wolle, dazu das Hashtag "Dem Ferkel Dampf machen". Auf Nachfrage, wie lange diese Rauchpause dauern werde, fügte Bachmann hinzu: "Es wird durchgeraucht." Auf Fragen nach dieser Versammlung schrieb die sächsische Polizei am Samstag auf Twitter: "Der Aufruf in FB ist auch für uns sichtbar und wurde entsprechend mit in unsere Einsatzplanung einbezogen."

Am Montag, dem Einheitsfeiertag, sollte sich dann zeigen, wie Bachmann und seine Leute doch noch mobilisieren können. Hunderte Wutbürger bepöbelten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundespräsident Joachim Gauck und andere Ehrengäste der Festveranstaltungen mit Rufen wie "Merkel muss weg", "Haut ab" und "Volksverräter". Als ein dunkelhäutiger Gast zum Festgottesdienst in der Frauenkirche durchgelassen wurde, ertönten Affenlaute und "Abschieben"-Rufe. Die Polizei drängte zwar einzelne Demonstranten zurück, ließ die Masse aber weitgehend frei gewähren. Selbst ein Plakat mit einem Goebbels-Zitat wurde nicht beschlagnahmt. Die Polizei prüfte lediglich, ob der Stock des Demonstranten nicht länger als die zulässigen zwei Meter war.

Am Dienstag hagelte es Kritik am Einsatz der Polizei - während Landesinnenminister Markus Ulbig (CDU) seine Beamten verteidigte.

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Rico Gebhardt, Landes- und Fraktionschef der Linken, sagte dem Tagesspiegel: "Während in Dresden jahrelang Protest gegen Nazis von der Polizei auf Abstand gehalten wurde, dürfen rechte Pöbler praktisch im Körperkontakt ihren Unmut austoben. Das Bilden von Hass-Spalieren ist nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckt." Friedlichen linken Demonstranten sei unter Aufbietung jeder erdenklichen Vorschrift das Leben erschwert worden, dagegen habe es für rassistische Attacken "wohlwollendsten Begleitschutz" gegeben. "Der Persilschein des Innenministers für den Polizeieinsatz insgesamt ist verfehlt, stattdessen fordern wir eine klare Ansage auch des Ministerpräsidenten, wie Sachsen den Weg zu einer wirklichen demokratischen Kultur findet, in der Mindeststandards der Toleranz und des Respekts gewahrt sind."

Ähnliche Kritik äußerte Valentin Lippmann, Innenpolitiker der Grünen im Landtag: "Mit ihrem vollkommen unterschiedlichen Agieren gegenüber Pegida und Demonstrierenden des linken Spektrums haben die Sicherheitsbehörden einmal mehr Vertrauen und Glaubwürdigkeit unter den Augen der ganzen Bundesrepublik verspielt." Der Wunsch nach schönen Bildern zum Tag der Deutschen Einheit aus Dresden sei "schlicht an der sächsischen Realität zu Grunde gegangen". Einmal mehr wurde nach den Worten des Grünen-Politikers deutlich, "dass wir es in Sachsen mit erheblichen Problemlagen zu tun haben, die man eben nicht ohne weiteres übertünchen kann".

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Lippmann forderte eine umfassende Aufarbeitung und Auswertung des Einsatzgeschehens und des Sicherheitskonzeptes durch die Polizeiführung. "Es muss jetzt sichtbare Zeichen auch gegenüber der Bevölkerung geben, dass das Neutralitätsgebot bei der Polizei tatsächlich durchgesetzt wird. Es muss eine Führungskultur etabliert werden, die politische Neutralität, interkulturelle Kompetenz und Grundrechtsorientierung in der gesamten Polizei sichtbar durchsetzt."

Sachsens SPD macht Innenminister Ulbig mitverantwortlich

Sachsens SPD-Generalsekretärin Daniela Kolbe erklärte: "Es war keine Überraschung, dass Pegida-Anhänger am Montag auf die Straßen gingen. Pegida hatte angekündigt, die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit stören und somit für sich nutzen zu wollen." Trotzdem hätten Demonstranten vor der Frauenkirche ihren Hass verbreiten, andere beleidigen und erniedrigen können. "Hier sind die Grenzen der Meinungsfreiheit und des Anstandes erneut überschritten worden. Gegendemonstranten berichteten gleichzeitig davon, mit Auflagen gestoppt und eingekesselt worden zu sein."

Viele Fragen seien offen, sagte Kolbe weiter: "Weshalb durften Pegida-Anhänger ungehindert demonstrieren, während Gegendemonstranten sanktioniert wurden? Was unternimmt der Innenminister, um dem fatalen Eindruck entgegenzutreten, die Polizei stünde auf der Seite von Pegida?  Wie positioniert sich der Innenminister, der sich doch selbst im vergangenen Jahr noch mit Pegida getroffen hat?" Nach Freital, Heidenau und Bautzen werfe das Agieren des Innenministers erneut Fragen auf. "Dabei braucht Sachsen einen starken Innenminister, der klar Flagge zeigt. Einen Innenminister, der den Demokraten den Rücken stärkt und auf die Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit achtet. Leider sehe ich von Innenminister Ulbig dazu gerade gar nichts."

Die Jusos in Sachsen forderten, Ulbig müsse "Fragen beantworten oder zurücktreten".

Der frühere Leipziger Pfarrer der Thomaskirche Christian Wolff kritisierte nach den Pöbeleien Polizei und Dresdner Ordnungsamt. Es fehle an klarer Positionierung, erklärte Wolff am Dienstag in einem Interneteintrag. Der evangelische Theologe hatte am Montagabend bei einem Friedensgebet in der Dresdner Kreuzkirche gepredigt. "Irgendwie scheint man in Dresden immer noch nicht begriffen zu haben, dass das Miteinanderreden das eine ist, das andere aber ist die klare Positionierung derer, die nicht bereit sind, den Bachmanns, Festerlings, Höckes und Petrys die Demokratie zum Fraß hinzuwerfen", heißt es in einem Blogeintrag Wolffs.

Ulbig lobt "professionelle Arbeit" der Polizei

Die Dresdener Polizei sieht kaum Anlass für Kritik am Einsatz während des Tages der Einheit. "Hinter uns liegen friedliche, ruhige Festtage", sagte der Sprecher der Polizeidirektion, Marko Laske, am Dienstag dem Tagesspiegel. "Wir haben Ordnung und Sicherheit gewährleistet, insofern sehen wir den Einsatz als gelungen." Dass Montagvormittag auf dem Neumarkt Merkel, Gauck und weitere Prominente aus Politik und Justiz von Pegida-Anhängern als "Volksverräter" diffamiert wurden, wollte Laske "nicht rechtlich abschließend bewerten". Ob es sich um Beleidigungen handele, müsse die Staatsanwaltschaft prüfen. Jedenfalls seien die Trillerpfeifen „Ausdruck von Streitkultur“, sagte der Sprecher.

Auch Innenminister Ulbig bescheinigte der Polizeidirektion Dresden, sie habe mit personeller Unterstützung aus 13 Bundesländern und vom Bund "professionelle Arbeit geleistet". Ulbig lobte, die Beamten hätten "den schwierigen Spagat zwischen Fest und Festung insgesamt mit Fingerspitzengefühl gemeistert". Und dies stets im Bewusstsein, dass das Handeln der Sicherheitskräfte in diesen Tagen besonders im kritischen Fokus der Öffentlichkeit stehe.

Der CDU-Innenpolitiker Christian Hartmann dankte der Polizei für ihren "hochprofessionellen" Einsatz. Die Beamten hätten ihre Aufgaben "mit Bravour" gemeistert.

Personalien von Störern offenbar nicht ermittelt

Ausdrücke wie "Volksverräter" sind hingegen aus Sicht der Dresdener Staatsanwaltschaft in der Regel strafrechtlich relevant. "Das kann eine Beleidigung sein, grundsätzlich schon", sagte der Sprecher der Behörde, Oberstaatsanwalt Claus Bogner. Bei Beleidigungen gebe es jedoch häufig das Problem, dass die betroffenen Personen keine Strafanträge stellen. "Ohne Antrag können wir das Delikt nicht zu Gericht bringen", sagte Bogner. Doch selbst wenn die Kanzlerin und ihre Begleiter Strafanträge stellen würden, hätte es die Staatsanwaltschaft vermutlich schwer, Tatverdächtige zu belangen. Polizeisprecher Laske antwortete auf die Frage, ob Beamte Personalien von Störern feststellten, "ich habe keinen Hinweis darauf". Es seien allerdings Platzverweise erteilt worden.

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Unproblematisch erschien der Polizei auch ein Störer, der ein Schild mit einem Zitat von Joseph Goebbels hochhielt. "Das ist im Einsatz nicht als strafrechtlich relevant eingestuft worden", sagte Laske. Auf dem Pappschild stand, "Der Idee der NSDAP entsprechend sind wir die deutsche Linke… Nichts ist uns verhaßter als der rechtsstehende nationale Bürgerblock. J. Goebbels am 06.12.31". Die Parole des späteren Propaganda-Ministers des NS-Regimes kursiert auch auf rechtsextremen Websites. Dort heißt es, Goebbels habe sich so in der Zeitung "Der Angriff" geäußert. Goebbels hatte das braune Blatt 1927 gegründet.

Die Staatsanwaltschaft ist hingegen keineswegs sicher, dass die öffentliche Präsentation des Spruchs des Chefpropagandisten der Nazis keine strafrechtliche Konsequenzen hat. "Unsere Fachabteilung hat eine Prüfung eingeleitet", sagte Oberstaatsanwalt Bogner. "Gegebenenfalls wird von Amts wegen ein Verfahren eingeleitet."

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Kritisch sieht die Polizei bislang nur die Ansage eines Beamten bei der Pegida-Demonstration an der Augustusbrücke am Montagnachmittag. Der Beamte verlas die Auflagen für die Demonstration und äußerte dann: "Wir wünschen einen erfolgreichen Tag für Sie". Die Teilnehmer, darunter Rechtsextremisten, klatschten und skandierten: "Eins, zwei, drei, danke Polizei". Die sächsische Polizei distanzierte sich auf ihrer Homepage von der Äußerung. Diese „entspricht nicht unserer Philosophie und wird einer Überprüfung unterzogen“, hieß es.

Polizeisprecher Laske betonte, der Beamte gehöre zu einer Einheit aus einem anderen Bundesland. Laut einer Meldung des "Hamburger Abendblatts" kommt er aus Niedersachsen. Nach Ansicht des CDU-Innenexperten Ansgar Heveling schadet dieser Vorfall die Neutralität der Polizei insgesamt. „Schon der Anschein einer Parteinahme kann der Polizei schaden“, sagte der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses der „Rheinischen Post“.

Die sächsische Polizei hatte Unterstützung von 1600 Beamten aus 13 Ländern sowie der Bundespolizei bekommen. Dresdens Polizeipräsident Horst Kretzschmar werde "zeitnah" mit dem Beamten ein Gespräch führen, sagte Polizeisprecher Laske. Ob dem Kollegen nun disziplinarische Ermittlungen bevorstehen, ließ er offen. "Was da weiter hinten raus noch denkbar ist, wäre Spekulation." Laske rechtfertigte, dass der Beamte die Auflagen für den Aufzug verlesen hatte, obwohl das Sache des Veranstalters wäre. Die Lautsprecheranlage der Demonstranten sei defekt gewesen, "die Auflagen mussten aber bekannt gegeben werden". Das hätte die Polizei "auch für jede andere Demonstration getan, um einen ordnungsgemäßen Verlauf zu gewährleisten".

Auf die Frage, ob es in der Dresdener Polizei Sympathien für Pegida gebe, reagierte Laske genervt, "da wollen Sie nicht wirklich eine Antwort drauf haben". Der Sprecher sagte dann doch, "mir ist kein Verfahren gegenwärtig´". Aber in die Köpfe "kann man nicht hineinschauen".

Journalisten als "Zeckenpresse" beleidigt?

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Ungeklärt blieb am Dienstag, ob ein Beamter der Bundespolizei am Montag Journalisten "Zeckenpresse" genannt hat, wie das der Twitter-Account "Straßengezwitscher" berichtet hatte. "Wir distanzieren uns von der Wortwahl, auch wenn wir zu dem Vorfall selbst nichts sagen können", sagte ein Sprecher der Bundespolizeidirektion Pirna dem Tagesspiegel.

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