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In Irak und Syrien schließen sich zunehmend deutsche Dschihadisten islamistischen Terrormilizen an.

© AFP

Terror der Dschihadisten: Der „Islamische Staat“ zielt auf den Westen

Ein deutscher Sicherheitsexperte warnt davor, dass IS-Terror auch hier möglich ist. Und ein internationales Institut geht davon aus, dass die Terrorbanden die Welt in ein geopolitisches Dilemma stürzen. Die USA wollen nun ihre Strategie ändern.

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Die Anschlagspläne der Anhänger des „Islamischen Staats“ (IS) in Australien steigern die Sorgen der deutschen Sicherheitsbehörden. Sie befürchten aus mehreren Gründen ähnliche Aktionen in der Bundesrepublik. Auch in den USA wächst die Angst. Sie drängen auf eine international abgestimmte Strategie gegen die Terrormiliz.

Nach Auffassung des Internationalen Instituts für Strategische Studien (IISS) haben die Terrorbanden des IS die Welt in ein geopolitisches Dilemma gestürzt. Die von US-Präsident Barack Obama geschmiedete internationale Allianz reiche nicht aus, um den inzwischen militärisch ernst zu nehmenden IS in die Knie zu zwingen, sagte IISS-Chef John Chipman am Donnerstag in London. „Wer übernimmt den Bodenkampf und wie wird er gemanagt? Diese Frage ist noch immer unbeantwortet“, sagte Chipman bei der Vorstellung des jährlichen Strategischen Überblicks seines Instituts.

„Es gehört zur Philosophie von Terrorgruppen wie IS, den Westen anzugreifen, damit er die Verbündeten des Westens im Irak und in Syrien nicht länger unterstützt“, sagte am Donnerstag ein hochrangiger Sicherheitsexperte dem Tagesspiegel. Das entspreche dem Schema des Terrorangriffs vom 11. März 2004 in Madrid. Damals hatten militante Islamisten in mehreren Vorortzügen Bomben gezündet, 191 Menschen starben, mehr als 2000 wurden verletzt. Anschließend zog die gerade neu gewählte spanische Regierung ihre Truppen aus dem Irak ab – wie es Al Qaida vom Westen verlangt hatte.

Angst vor Nachahmern

Der IS hat bereits in seinem Machtbereich zwei amerikanische Geiseln und einen Briten enthauptet, um die USA und Großbritannien zur Aufgabe der Unterstützung für die irakischen Kurden und die irakische Regierung zu zwingen. Es sei nicht auszuschließen, dass der IS diese Methode auch in westlichen Großstädten anwenden wolle, sagte der Experte. Würde auch nur ein Passant von einem IS-Anhänger geköpft, wäre die Aufregung gewaltig. Die in Medien geäußerte Hoffnung, der IS werde auf Anschläge im Westen verzichten, da die Terrormiliz erstmal ihre Eroberungen in Syrien und Irak festigen müssten, hält der Sicherheitsexperte für eine Illusion.

Als weiteren Grund für die Gefahr von Angriffen in Deutschland nannte er das Risiko, schon allein die Meldungen in den Medien über die geplanten Anschläge in Australien könnten Nachahmer animieren. Vor allem junge, gewaltbereite Salafisten, die sich weitgehend selbst über das Internet radikalisieren. Der Experte verwies auf den Kosovaren Arid Uka, der am 2. März 2011 am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten erschoss und zwei weitere schwer verletzte. Der mit seiner Familie in der hessischen Metropole lebende, damals 21 Jahre alte Uka hatte sich im Internet an salafistischer Propaganda berauscht und in den Wahn hineingesteigert, US-Soldaten für Untaten im Irak bestrafen zu müssen.

Eine ähnlich brutale Logik, warnte der Sicherheitsexperte, könnte auch jetzt bei jungen, militanten Islamisten in Deutschland greifen. Es gebe in den einschlägigen Internetforen  Salafisten, die ähnlich wie Arid Uka ticken. „Möglicherweise sind die meisten nur Spinner“, sagte er. Aber zumindest bei Einzelnen sei zu befürchten, dass sie wie Uka auch zuschlagen wollten. „Und besonders problematisch sind die, von denen die Sicherheitsbehörden gar nichts mitkriegen, weil sie nirgendwo auffallen.“

Dann gibt es noch ein Detail, das dem Experten Sorgen bereitet. Die australischen IS-Anhänger wollten offenbar mit Schwertern auf Passanten losgehen. „Schwerter sind wichtige Symbole für gewaltorientierte Salafisten“, sagte er und erwähnte den inzwischen getöteten Islamisten Shahab Dashti. Der  war 2009 aus Hamburg in die pakistanische Terrorhochburg Wasiristan gereist. Im selben Jahr posierte er in einem Video der Terrortruppe Islamische Bewegung Usbekistans mit einem Schwert. Auf der breiten Klinge war eine religiöse Formel des Islam eingraviert. Dashti warb um Rekruten für den Dschihad. „Das zeigt, welche Bedeutung Schwerter für die Szene haben“, sagte der Sicherheitsexperte. Sie seien ein Symbol, „um Identität zu schaffen“. Dass die australischen Anhänger des IS mit Schwerter Passanten attackieren wollten, „könnte potenzielle Nachahmer in Deutschland zusätzlich stimulieren“.

Salafisten in Deutschland

Der Experte glaubt, „die Lage wird sich massiv verschärfen, auch in Deutschland“. Die salafistische Szene habe sich weiter verfestigt „und sie wird sich noch  vergrößern“. Es entstehe eine „eigene Kultur“, in die der IS mit seiner Ideologie hineinwirke. Etwa 600 bis 700 Salafisten in Deutschland könnten gewaltorientierte Anhänger der Terrormiliz sein, schätzt der Fachmann. Die gesamte Szene taxiert er auf mittlerweile 6600 Personen. Viele fänden den IS „toll“, auch wenn einige Anhänger von Al Qaida die Ausrufung des Kalifats als eigenmächtig kritisierten.

Von den etwa 400 Salafisten, die aus Deutschland in den syrischen Bürgerkrieg gereist sind, seien 130 zurückgekehrt, sagte der Experte. 25 bis 30 hätten wahrscheinlich bei islamistischen Gruppierungen wie dem IS, der mit Al Qaida verbundenen Nusra-Front und anderen Organisationen gekämpft. Wozu die fanatisierten Dschihadisten aus Deutschland fähig seien, zeigten Berichte über Selbstmordanschläge.

Sich vor Anschlägen zu schützen, wie sie in Australien geplant wurden, sei kaum möglich, meint der Experte. Die Sicherheitsbehörden könnten nur versuchen, im Internet potenziell gefährliche Islamisten aufzuspüren und diejenigen, die bekannt seien, im Auge zu behalten. Allerdings mit beträchtlichem Aufwand.

In den Vereinigten Staaten ist nach den grausamen Hinrichtungsvideos und erst recht nach der jüngsten Video-Drohbotschaft die Angst vor terrorgeschulten heimkehrenden Islamisten aus dem Irak und aus Syrien groß. Die US-Regierung dringt deshalb auf eine internationale Strategie gegen die ausländischen Kämpfer. Diese soll nach dem Willen des Weißen Hauses in der kommenden Woche während der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York beschlossen werden. Details dazu, was die US-Regierung plant, dringen nicht nach außen. Im Weißen Haus traf sich zur Beratung der Maßnahmen aber am Mittwochabend (Ortszeit) die komplette Spitze des US-Sicherheitsapparats mit Präsident Obama. (mit dpa)

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