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Verteidigungsminister Thomas de Mazière (CDU) kritisiert im Tagesspiegel-Interview seine Parteikollegen.

© Thilo Rückeis

Thomas de Mazière: "Das ist kein Beitrag zu einer guten Regierungsarbeit"

Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) zur Debatte über eine EU-Fiskalunion, den Initiativen von Koalitionspolitikern und der ausgefallenen Babypause von SPD-Chef Sigmar Gabriel.

Von
  • Michael Schmidt
  • Hans Monath
  • Antje Sirleschtov

Herr Minister, wie wichtig ist im Bundestag eine sehr breite Mehrheit, wenn es um zentrale Fragen der Euro-Rettung geht?

Sehr wichtig.

Warum?

Nicht immer brauchen große Entscheidungen große Mehrheiten. Sowohl die Wiederbewaffnung als auch die Ostverträge wurden nach langer Debatte im Bundestag mit knapper Mehrheit beschlossen. Aber es gibt einige Traditionen, mit denen wir gut gefahren sind. Ich denke an die breiten Mehrheiten bei Rentenfragen und in der Außen-, Sicherheits- und Europapolitik.

Warum ist die Einigkeit gerade bei Entscheidungen gegen die Schuldenkrise wünschenswert?

In vielen Ländern sind die Sparanstrengungen, auf die auch Deutschland dringt, zwischen Regierung und Opposition sehr umstritten. Wenn dann das größte Geberland wichtige Abstimmungen im Parlament mit breiter Mehrheit entscheidet, ist das eine gute Botschaft sowohl für die Finanzmärkte als auch für die Länder, die Hilfe brauchen.

Diese Woche haben Koalitionspolitiker SPD-Chef Sigmar Gabriel wegen seiner Vorschläge zu einer gemeinsamen Haftung als „Wegbereiter des Schuldensozialismus“ angegriffen – zu Recht?

Das ist nicht mein Vokabular. Ich bin Verteidigungsminister und will nicht zu allen Sachfragen der Euro-Rettung Stellung nehmen. Mit Herrn Gabriel habe ich guten Kontakt, ich habe mit ihm auch über seine Babypause geredet. Medial merke ich von der Babypause nur wenig. Ich würde der jungen Familie raten, dass der Vater das auch einmal ernst nimmt, was er angekündigt hat.

Sprechen Sie aus eigener Erfahrung?

Ich habe wenig Babypausen gemacht. Wer eine Auszeit nimmt, sollte auch wirklich loslassen. Wer erklärt, sich einige Zeit intensiv um seine junge Tochter zu kümmern, sollte das auch tun. Scheinaktivität zu entfalten, obwohl man eigentlich abwesend ist, finde ich nicht gut.

Lassen wir einmal das Familienleben hinter uns und reden über den Vorschlag von Gabriel. Er strebt eine Fiskalunion der Euro-Länder an, für die er nach einer Volksabstimmung auf Souveränitätsrechte verzichten will. Dann soll es eine gemeinschaftliche Haftung für Staatsschulden geben. Ist das so weit entfernt von der Haltung der CDU?

Mich stört an der Europa-Debatte im Moment die zu häufige Verwendung von Wenn-dann-Argumenten. Das ist weit weg von dem, was jetzt eigentlich ansteht. Man kann sich gerne Gedanken machen über die Zukunft Europas. In der handfesten politischen Auseinandersetzung sollte man sich aber auf das konzentrieren, was durchsetzbar ist. Wir haben doch gesehen, wie schwierig es ist, europäische Verträge zu ändern – schon deshalb, weil sie in allen Mitgliedsstaaten ratifiziert werden müssen. Der Fiskalpakt zur Schuldenbegrenzung ist ein großer Erfolg der Bundesregierung. Er ist aber noch nicht einmal in allen Ländern in Kraft, auch in Deutschland nicht, da reden wir schon wieder von der nächsten europäischen Vertragsänderung.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat kürzlich die Fiskalunion als Rettungsmittel gegen Spekulationen gepriesen und erklärte, er erwarte ein Europareferendum zum Grundgesetz in wenigen Jahren. Er ist doch kein Mann unbedachter Worte …

Das weiß ich. Ich halte es trotzdem nicht für sinnvoll, darüber zu spekulieren. Bevor wir das Volk über ein neues Grundgesetz abstimmen lassen, müssen wir doch erst einmal in Europa die Verträge ändern. Auf den Finanzmärkten haben solche Debatten negative Auswirkungen, weil sie Erwartungen wecken, die nicht sofort erfüllt werden.

Über den Rüstungsexport will de Mazière ungern reden: Er ist nicht dafür zuständig.

Sie sehen eine Lösung der Schuldenkrise unabhängig von einer Abgabe von Souveränitätsrechten und einer Fiskalunion?

Nein. Es stimmt schon, dass ein Kernproblem der Schuldenkrise eine gemeinsame Währung ohne gemeinsame Fiskal- und Wirtschaftspolitik ist. Aber die Therapie dieses Problems dauert lange.

Wie lange?

Jahre. Das andere Kernproblem ist nämlich die Staatsverschuldung. Auch deren Abbau dauert lange, auch in Deutschland dauert das Jahre. Die beste Therapie ist, dass die Länder, die hohe Zinsen zahlen, glaubwürdig und nachhaltig ihre Schulden abbauen. Das geht nicht über Nacht. Der beste Reformer kann nicht über Nacht eine Jugendarbeitslosigkeit von 40 Prozent beseitigen. Der Fiskalpakt muss noch seine Tauglichkeit in der Praxis beweisen. Mein Rat ist: die nächsten Schritte zu gehen und nicht die übernächsten.

Herr Minister, wir wollen mit Ihnen noch über Rüstungsexporte reden …

Sie wissen, dass die Federführung innerhalb der Bundesregierung dafür beim Bundesminister für Wirtschaft liegt …

… finden Sie das denn richtig?

Ja. Das ist genau richtig.

Warum?

Das Wirtschaftsministerium ist für die Wirtschaft zuständig und darf und muss bestimmte Interessen betonen. Und der Verteidigungsminister ist für Sicherheitspolitik zuständig und kann nicht als Vertriebschef einer Industriebranche fungieren, schon gar nicht der Rüstungsindustrie. Weil wir in anderen Zusammenhängen oft harte Gespräche mit der Industrie führen.

Sie sagen, es sei nicht Ihre Aufgabe, den Export zu unterstützen. Genau das verlangt aber die deutsche Rüstungsindustrie, die Ersatz für den geringeren Bedarf der Bundeswehr sucht …

Erstens: Wir bestellen gar nicht weniger. Ich werde nicht müde zu sagen, dass der Rüstungsetat ungefähr gleich bleibt. Unser Kernproblem ist, dass wir nichts größeres Neues bestellen können, weil die Mittel für die bisher bestellten und zum Teil noch gar nicht gelieferten Rüstungsgüter schon vergeben sind. Zweitens: Exporte in Nato-Staaten sind generell erlaubt. Beim Export in Drittstaaten, die problematisch sind, wägen wir jeden Einzelfall sehr genau ab.

Die Opposition wirft der Bundesregierung vor, sie weiche die Rüstungsexportlinien auf. Tun Sie das?

Nein. Ich bin im November 2005 Chef des Bundeskanzleramts geworden und seither Mitglied des Bundessicherheitsrates. Der Vorwurf trifft nicht zu. Wir halten uns streng an die Kriterien der Rüstungsexportrichtlinien. Meine Entscheidungen im Bundessicherheitsrat haben mit Fragen der Stabilität, der Außenpolitik und der Menschenrechte zu tun. Es ging für mich nie um die Frage, ob eine deutsche Rüstungsfirma gerade einen Auftrag braucht.

Herr Minister, die CDU debattiert gerade die steuerrechtliche Gleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Beziehungen. Das verlangt eine Initiative von 13 Unionsabgeordneten, der sich Familienministerin Kristina Schröder (CDU) angeschlossen hat …

Habe ich zur Kenntnis genommen.

Und wie denken Sie darüber?

Ich finde es schön, wenn sich jeder an seine Zuständigkeiten hält, deswegen werde ich mich auch zum Steuerrrecht nicht äußern. Aber ich will mich zur Methode äußern: Ich finde, so geht es nicht. Wenn sich immer wieder 13, 14, 20 oder 30 Abgeordnete zusammentun, eine Initiative starten und dann erwarten, dass sich andere danach richten, dann lähmt das eine Koalition.

Welche anderen Beispiele meinen Sie?

Wir haben etwa einem Brief entnehmen müssen, dass eine bestimmte Anzahl von CDU-Abgeordneten dem Betreuungsgeld nicht zustimmen kann. So kann man nicht arbeiten. Wenn man der Auffassung ist, dass etwas geändert werden soll, dann gibt es in einer Koalition genug Wege, Initiativen zu starten, und so gibt es am Ende eine geschlossene Haltung. Das darf die Bevölkerung von einer gut arbeitenden Regierung erwarten. Wenn man aber Papierchen macht, die zwingend dazu führen, dass die Opposition sich ins Fäustchen lacht, dann ist das kein Beitrag zu einer guten Regierungsarbeit.

Herr Minister, in London haben Sie vor einer Vorverurteilung der Ruderin Nadja Drygalla gewarnt. Da Sie auf die Ressortzuständigkeit so viel Wert legen: Ist das eine genuine Aufgabe des Verteidigungsministers?

Ich habe in London als Minister, der vor allem seine Sportsoldaten besucht hat, dazu alles gesagt; hier in Berlin bin ich in erster Linie Verteidigungsminister mit einer Leidenschaft für den Sport.

Das Gespräch führten Hans Monath, Michael Schmidt und Antje Sirleschtov. Das Foto machte Thilo Rückeis.

Thomas de Maizière ist der Sohn des früheren Bundeswehr-Generalinspekteurs Ulrich de Maizière, der als einer der Väter des Prinzips der Inneren Führung bei der Bundeswehr gilt. Nach dem Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) als Verteidigungsminister wurde der damalige Innenminister im März 2011 dessen Nachfolger und muss nun die Reform der Bundeswehr zu einem guten Ende bringen. Der 58-jährige Jurist ist geprägt von seiner Zeit als Kanzleramtsminister (2005–2009): Er behält die Koalition als Ganzes im Blick. Seine Mahnungen werden auch deshalb gehört, weil er ein enger Vertrauter der Kanzlerin ist. De Maizière kommt aus der Landespolitik, wo er in vielen Ämtern exekutive Erfahrung sammelte. Der intellektuell gut sortierte, affärenfreie Politiker gilt in der Union auch als möglicher Nachfolger von Angela Merkel.

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