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Die Ränder berühren sich - das gilt auch für die Abspaltungen rechts und links.

© Reuters

Thüringen und Brandenburg: Linke und AfD - die Ränder berühren sich

Die Linke ist etabliert. Die AfD womöglich auf dem Weg dahin. Erstaunlich ist: In ihrem Strukturkonservatismus berühren sich linker und rechter Rand, wobei man manchmal gar nicht mehr so recht weiß, wer hier rechts und wer hier links ist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Und so geht es fort und fort und fort. 25 Jahre nach dem Mauerfall gehört die Partei, die sich immer noch als die des Sozialismus beschreibt, zum Inventar der neuen deutschen demokratischen Republik. Ja, sicher, sie hat auch mal weniger Prozentpünktchen, aber im Großen und Ganzen steht er stabil, der Turm ihrer Wähler. 20 Prozent in Ostdeutschland, sieben bis acht sind es im Westen. Immerhin. Nicht dass hier eine Spielart von Kommunismus zurückkehrt, nein, so platt oder so betoniert ist es nicht. Vielmehr tritt die Linke in einem Maße bewahrend auf – um nicht das Wort konservativ zu verwenden –, dass es sie auch für diejenigen zunehmend als Partner (aus-)wählbar machen wird, die landläufig eher rechts verortet werden. Als da wären: die Alternative für Deutschland, AfD, und die CDU.

Die CDU hat sich zum Sammlungsort der Moderaten entwickelt

Auch die CDU, ja. Die hat sich, ausweislich der Äußerungen und politischen Haltungen und Handlungen von ihrer Bundesspitze an, derart zu einem Sammlungsort der Moderaten entwickelt, zu einer SDU, dass die Unterschiede zur SPD mitunter schwierig aufzuzeigen sind. Vor allem für die Sozialdemokraten, was eben darum sie so vergleichsweise schwach bleiben und zugleich die AfD stärker werden lässt. Bei der es sich doch um die rechte Abspaltung von der CDU handelt, eine, die das zutiefst Konservative, das politisch Schwarze in all dem Roten auf sich zieht – dachte man. Bis der Wahlkampf in Brandenburg kam. Den führte bei der AfD ein „linker Tory“, ein Etatist alter Schule, ein Neorussland aus neoklassischer Sicht zugewandter ehemaliger langjähriger Christdemokrat, den manche in der CDU lange als Vordenker auf Parteitagen zitierten. Einer, der sowohl an die SPD Kurt Schumachers erinnert als auch nebenbei der heutigen Linkspartei Avancen macht, indem er die Segnungen des „Haushaltstags“ aus DDR-Zeiten hervorhebt oder eine intellektuelle Vorliebe für die Euro-Skeptikerin Sahra Wagenknecht, vormals Kommunistische Plattform, erkennen lässt.

So berühren sich der rechte und der linke Rand, wobei man manchmal gar nicht mehr so recht weiß, wer hier rechts und wer hier links ist. Aber genau so wächst da eine Alternative für ganz Deutschland, Ost wie West, heran. Was sich auch ganz gut daran zeigt, dass das CSU-Spitzenpersonal Horst Seehofer und Peter Gauweiler, der besonders, wenig Berührungsängste zu den Rändern haben. Man müsste mal Äußerungen nicht nur zu Russland und der aktuellen Politik des Westens ohne Namenzuschreibung nebeneinander legen, die Ergebnisse würden wohl erstaunlich ausfallen. Und zwar weniger deshalb, weil die CSU bloß den Anspruch hat, eine – zwangsläufig in den Forderungen heterogene – Volkspartei zu sein, nach dem Motto: Bei uns muss eigentlich jeder seinen Platz finden. Vielmehr ist da schon auch Homogenität in der Strukturkonservativität.

Links, rechts, lechts, rinks

Wer beispielsweise gehört hat, wie die Linken Christian Görke, der Finanzminister Brandenburgs ist, und Bodo Ramelow in Thüringen um Wähler geworben haben, der wird finden, dass sie mit dem Ausweis der Solidität nicht nur, aber auch nicht zuletzt in Finanzfragen durchaus konservativ klingen. Was nicht heute, aber morgen, übermorgen völlig neue Optionen ermöglicht. Ach ja, die Wahrheit ist konkret, Genossen, sagte Angela Merkel, die CDU-Chefin, mal. Und das gilt nach diesem Wahltag um so deutlicher: Links, rechts, lechts, rinks, wir werden immer mehr ein einig Volk. Eigentlich schade, dass es keine liberale Partei mehr gibt.

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