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Gab George W. Bush den Auftrag, Gerhard Schröder abzuhören?

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Update

Transatlantisches Misstrauen: NSA hörte auch Gerhard Schröder ab

Die NSA hat nicht nur Angela Merkel ausspioniert, sondern auch ihren Vorgänger Gerhard Schröder. Der Grund soll seine ablehnende Haltung zum Irak-Krieg gewesen sein.

Auch die Ostee-Pipeline von Gerhard Schröder gehört jetzt zur NSA-Affäre. Der Altkanzler hatte die umstrittene Leitung, die Gas von Russland unter Umgehung der Ukraine nach Westeuropa bringt, noch kurz vor dem Ende seiner Amtszeit im September 2005 durchgesetzt. Deshalb telefonierte er häufig mit Russlands Regierungschef Wladimir Putin. Und die NSA hörte wohl mit.

2002 regierte eine rot-grüne Koalition in Deutschland. Grund genug für die USA ein erhöhtes Aufklärungsinteresse zu haben. Immerhin wurde der Atomausstieg vorbereitet, die Waffenexporte diskutiert und eine europäische Front gegen den Irak-Krieg geschmiedet. Ab wann die National Security Agency sowohl technologisch als auch politisch bereit war, Staatschefs anderer Länder abzuhören, ist – zumindest derzeit noch – unklar. Die jetzt öffentlich gemachten internen NSA-Dokumente legen jedoch nach einem Bericht von ARD und der „Süddeutschen Zeitung“ nahe, dass Schröders Kommunikation spätestens seit dem Jahr 2002 überwacht wurde.

Die Überwachung betraf sowohl die Kommunikationsdaten als auch den Gesprächsinhalt. Den neuen Erkenntnissen zufolge könnte der Eintrag in jene Überwachungsliste, die sogenannte „National Sigint Requirement List“, immer den jeweiligen Bundeskanzler oder die Kanzlerin meinen. Damit würde die Überwachung nicht der Person, sondern der Funktion gelten. Bisher war davon ausgegangen worden, dass die Kennziffer „388“ Angela Merkel persönlich zuzuordnen sei und diese bereits im Jahr 2002 noch als CDU-Vorsitzende das Interesse der amerikanischen Agenten geweckt habe. Jetzt sieht es so aus, als ob Merkel möglicherweise erst im Jahr 2005 mit ihrer Kanzlerschaft zum Ziel der Beobachtung wurde.

Was weiß Hans-Christian Ströbele?

Schröders entschiedener Kurs gegen einen militärischen Einsatz im Irak, heißt es jetzt, sei der Grund für die Überwachung gewesen. Man habe Sorge vor einem Bruch in der Nato gehabt. Eine Quelle mit direkter Kenntnis der NSA-Spionage-Aktion sagte der „Süddeutschen Zeitung“: „Wir hatten Grund zur Annahme, dass (Schröder) nicht zum Erfolg der Allianz beitrug.“

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele, der kürzlich Snowden im Moskauer Asyl getroffen hatte, bestätigte die Recherche. „Der Grund dafür scheint ja gewesen zu sein, dass die US-Seite sich informieren wollte über die Position Deutschlands zum Irak-Krieg und insbesondere über Aktivitäten Deutschlands zur Verhinderung eines UNO-Beschlusses“, sagte Ströbele.

Nach seinen Erkenntnissen war wohl auch der damalige grüne Außenminister Joschka Fischer wegen seiner Position zum Irak-Krieg vor dem UN-Sicherheitsrat Zielperson des US-Geheimdienstes. Ströbele bekräftigte, dass es für die deutsche Seite dringend der Informationen des Geheimdienst-Enthüllers bedürfe, denn die Details könnten nur noch Experten entschlüsseln: „Dafür brauchen wir Herrn Snowden.“ Der von den USA gesuchte Snowden versteckt sich seit Monaten im russischen Asyl.

Laut Microsoft nur wenige von Behörden-Anfragen betroffen

US-Internetkonzerne haben zudem erstmals Statistiken zur Abfrage von Kundendaten durch die US-Geheimdienste veröffentlicht. Eine Woche nach einem Kompromiss mit der Regierung legten Google, Microsoft, Yahoo und Facebook Zahlen aus den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres vor. Yahoo verzeichnete nach eigenen Angaben mehr als 30.000 Anfragen und musste damit am häufigsten Informationen herausgeben.

Auch nach der Lockerung der Einschränkungen durch die US-Regierung bieten die in breiten Spannen veröffentlichten Zahlen nur ein vages Bild. Microsofts Chefjustiziar Brad Smith sagte, die Zahlen bestätigten die Beteuerungen, dass unter Millionen Nutzern nur wenige von solchen Behörden-Anfragen betroffen seien. Zugleich bekräftigte er aber die Kritik an Versuchen der Geheimdienste, sich Informationen an der rechtlich vorgeschriebenen Prozedur vorbei zu beschaffen.

Die „Washington Post“ hatte berichtet, dass der US-Abhördienst NSA sich in den Datenverkehr zwischen den Rechenzentren eingeklinkt habe. Das Weiße Haus und andere Regierungen hätten solchen Methoden nicht öffentlich abgeschworen, kritisierte Smith. Nach dem Skandal um die Spähaktivitäten der NSA hatten mehrere Internetkonzerne auf das Recht geklagt, ihre Kunden genauer über das Ausmaß der Anfragen informieren zu dürfen. (mit dpa)

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