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Ban Ki Moon fährt zum Treffen der blockfreien Staaten im Iran.

© dpa

Treffen der Blockfreien Staaten: „Es ist richtig, dass Ban spricht“

In Teheran treffen sich in dieser Woche die Blockfreien Staaten. Der Iran nutzt die Bühne, um für Unterstützung zu werben. Ein Gespräch mit Volker Perthes, seit 2005 Direktor der Stiftung Politik und Wissenschaft und Experte für den Nahen Osten.

Wie wichtig ist das 1961 gegründete Bündnis, dem 119 Staaten angehören, heute überhaupt noch, Herr Perthes?

Die Blockfreien hatten ihre richtig große Zeit in den 60er Jahren, als es noch Blöcke und eine Blockkonfrontation gab. Damals konnten sie sich damit positionieren, dass sie sich weder dem West- noch dem Ostblock zuordnen wollten. Numerisch haben sie auch nach dem Ende des Kalten Krieges noch gewonnen. 119 Staaten gehören dem Bündnis an. Die Mehrheit der in den Vereinten Nationen vertretenen Staaten ist im Blockfreien-Bündnis NAM organisiert, sie vertreten etwas mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung. In vielen Dingen sind sich diese Staaten nicht einig. Dennoch ist das ein großes Potenzial, auch bei Abstimmungen der UN-Generalversammlung. Wo sie sich auf Positionen einigen können, haben sie durchaus noch Einfluss. Wenn er auch kleiner ist als zu Zeiten der Gründer Josip Tito (Jugoslawien), Gamal Nasser (Ägypten), Jawaharlal Nehru (Indien) und Sukarno (Indonesien).

Dem Iran scheint es gelungen zu sein, dieser Konferenz durch Provokation zumindest zu einer gewissen Öffentlichkeit zu verhelfen. Kann der Iran es schaffen, die Konferenz für seine Zwecke zu nutzen?
Sehr begrenzt. Es ist nicht so, dass der Iran gewählt worden wäre, die Präsidentschaft der Blockfreien für ein Jahr zu übernehmen. Er bekommt den Vorsitz turnusmäßig. Wenn der Iran seine Rolle mehr ausnutzt als üblich, würden die anderen Staaten ihm das verdeutlichen. Ein gewisser Prestigegewinn ist dabei. Aber es ist auch eine exponierte Stellung, in der durch die geplante Rede von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon auch für den Iran unangenehme Fragen auf den Tisch kommen werden. Die iranische Regierung kann sich nicht leisten, dem Staatsfernsehen zu verbieten, die Rede von Ban Ki Moon zu übertragen. Das wäre ein richtiger Imageverlust, wenn sie das täten. Der Iran hat ein großes Interesse daran, dass Ban Ki Moon kommt. Sie werden ihn nicht desavouieren wollen. Er wird kommen. Ich finde es auch richtig, dass er kommt. Wegen der historischen Bedeutung der Blockfreien und weil es fast zwei Drittel der UN-Generalversammlung sind, die sich da in Teheran treffen.

Es gab viel Kritik an Ban Ki Moon deshalb.
Ich fand es unsinnig, dass die USA versucht haben, ihn davon abzuhalten, nach Teheran zu reisen. Aber weil es diesen Druck gab, von den USA etwas vermittelt und von Israel sehr deutlich, wird Ban Ki Moon – Diplomat, der er ist – die kritischen Themen zwischen dem Iran und den UN deutlich ansprechen. Es geht um den Atomstreit, die Internationale Atomenergiebehörde IAEO und den Iran, die sich gerade in der vergangenen Woche nicht auf neue Inspektionen einigen konnten. Die IAEO ist eine UN-Organisation. Es geht zudem um die Verhandlungen der Fünf-plus-eins (USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland) mit dem Iran. Diese Verhandlungen werden mit einem Mandat des UN-Sicherheitsrats geführt. Ban Ki Moon wird sicherlich höflich, aber deutlich die Konfliktpunkte ansprechen.

Welche Rolle wird Syrien beim Gipfel der Blockfreien spielen?
Der Iran ist immer noch ein Verbündeter von Syrien. Viele anderen blockfreien Staaten haben sich von Syrien abgegrenzt. Das Thema wird kontrovers sein. Der Gipfel wird aber wohl sehr vorsichtig mit dem Thema verfahren, eben weil es so verschiedene Meinungen dazu gibt.

Wie wichtig ist es für den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, dass der neue ägyptische Präsident Mohammed Mursi sich angekündigt hat?
Es ist wichtig für Ahmadinedschad, dass Mursi kommt. Ägypten hatte die Präsidentschaft vor dem Iran. Die Ägypter haben auch die Abschlusserklärung, die in Teheran verabschiedet werden soll, vorbereitet. Für den Iran ist es wichtig, in der Region zu zeigen, dass das Land ein wichtiger Spieler ist und ernst genommen werden muss. Es ist ja interessant, dass Mursi, der dem Iran sehr kritisch gegenübersteht, gesagt hat, Assad muss gehen, damit die Syrienkrise gelöst werden kann. Aber er hat auch gesagt: Wir brauchen eine regionale Kontaktgruppe, an der alle relevanten Länder beteiligt sind, Saudi-Arabien, die Türkei, Ägypten, aber eben auch der Iran. Den Saudis und den Amerikanern gefällt das nicht, aber ich finde das inhaltlich richtig.

Also ein Versuch des Iran, die internationale Ächtung zu überwinden.
Für den Iran ist es wichtig zu zeigen, dass er nicht isoliert ist. Gerade weil so viele Staaten Sanktionen gegen das Land verhängt haben. Deshalb hat sich Teheran auch sehr um den ägyptischen Präsidenten bemüht. Der Iran und Ägypten haben keine vollen diplomatischen Beziehungen. Es gibt viele Probleme zwischen den beiden Ländern, deshalb war das Kommen von Mursi auch so entscheidend für Ahmadinedschad. Die Iraner finden die Muslimbrüder zwar als Bewegung des politischen Islam wichtig. Aber sie sehen eben auch, dass der politische Islam, den Mursi vertritt, in der Region sehr viel populärer ist als ihr iranischer politischer Islam. Und dass die Muslimbrüder anfangen, gute Beziehungen zu den USA und Europa aufzubauen, sehen sie auch. Deshalb ist es für den Iran wichtig, zu Ägypten zumindest gute Arbeitsbeziehungen zu haben. Der Iran wird auch herausstellen, wie eigenständig die ägyptische Außenpolitik ist.

Das Gespräch führte Dagmar Dehmer.

Volker Perthes ist seit 2005 Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik. Er ist Experte für den Nahen Osten. Sein jüngstes Buch, „Der Aufstand“, reflektiert den Arabischen Frühling.

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