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Treuhandanstalt: Ohne Plan

Vor 20 Jahren wurde die Treuhandanstalt gegründet – die Linkspartei hört sich dazu vor allem selbst an.

Von Matthias Schlegel

Man solle, so hatte Linksfraktionschef Gregor Gysi seine Parteifreunde vor diesem Blick 20 Jahre zurück vorsorglich gewarnt, nicht etwa durch das Schönreden der DDR-Wirtschaft die berechtigte Kritik an der Treuhandpolitik Anfang der 90er Jahre diskreditieren. Nun, die Sorge war unbegründet: Die Treuhandanstalt als Feindbild bot der Linkspartei bei ihrer Anhörung am Montag im Bundestag so viel Stoff, dass man gar nicht mehr groß auf den Zustand der DDR-Betriebe und die Wirkung der Planwirtschaft einzugehen brauchte. Gysi selbst legte die polemische Messlatte: „Wenn wir jemals eine Sonderstaatsanwaltschaft gebraucht hätten, dann für die Treuhandanstalt. Aber die gab es nicht.“

Angesichts der personellen Übermacht der Linkspartei-Referenten stand der einstige Treuhanddirektor Heinrich Bonnenberg, der 19 Jahre in verschiedensten Funktionen in dieser Anstalt und ihren Nachfolgeeinrichtungen tätig war, von vornherein auf verlorenem Posten – den er dann auch noch nahezu kampflos aufgab. Sein früher Einspruch außerhalb der Tagesordnung, er habe in dieser Institution „nicht ein einziges Mal das Gefühl gehabt, dass ich angetreten bin, das Land platt zu machen“, und sein Hinweis, dass nicht ein einziger Eigentumsübertrag ohne vorheriges Wertgutachten erfolgt sei, ging in den Gegenargumenten unter. Dabei hätte er die Chance gehabt, von der historisch und weltweit einmaligen Herausforderung zu sprechen, eine ineffiziente, weithin marode, die Umwelt schädigende und schließlich ihrer Absatzmärkte beraubte Volkswirtschaft in marktwirtschaftliche, also wettbewerbsfähige, Strukturen zu überführen. Oder von westlichen Glücksrittern und Konkurrenzkartellen, die oft auch die Treuhänder selbst über den Tisch zogen. Oder von den eindeutigen Vorgaben aus der Politik, Privatisierung um jeden Preis zu betreiben. Vielleicht hätte es das Publikum gewogener, einsichtiger gemacht. Stattdessen hält es Bonnenberg für eine „unglaubliche Leistung“, dass zwischen 1992 und 1994 von 45 000 Beschäftigten unter seiner Leitung DDR-Industrieanlagen für jährlich 4,5 Milliarden D-Mark demontiert wurden. Das schafft in diesem Raum keine Freunde.

Gysi selbst und der früheren Wirtschaftsministerin im Modrow-Kabinett, Christa Luft, bleibt es überlassen, das Urteil über die Treuhandanstalt zu fällen: Sie habe „die größte Vernichtung von Produktivvermögen in Friedenszeiten“ betrieben (Luft). Sie sei als „Prellbock“ installiert worden, damit die geballte Wut der Ostdeutschen nicht die Politik treffe (Gysi). Dass sie dem Bundesfinanz- und nicht dem Wirtschaftsministerium unterstanden habe, dass ihre Mitarbeiter von der Haftung für grobe Fahrlässigkeit freigestellt worden seien und dass es Boni für jede Privatisierung, aber nicht für den Erlös gegeben habe, seien gravierende Fehler gewesen (Gysi). Und der Fraktionschef weist mit der ihm eigenen Süffisanz darauf hin, dass es „zwischen 1991 und 1993 in Ostdeutschland mehr Demos gab als 1989 in der DDR“.

Hatte Bonnenberg noch argumentiert, in der Treuhandanstalt hätten Deutsche aus Ost und West gemeinsam Zukunft gestaltet, sieht Roland Claus, der Ostkoordinator der Linksfraktion, das genau andersherum: Die Abwicklungspolitik habe dem Osten die Zukunft verbaut. Er verweist unter anderem auf das bis heute nachwirkende Ausmaß der Deindustrialisierung und die daraus folgende „Zwangsmigration von Fachkräften“, auf die gekappten traditionellen Kooperationen der Betriebe mit der Wissenschaft und auf die einstigen Verbindungen von Wirtschaftseinheiten und sozialen Aufgaben, die mit dem Vorwurf delegitimiert worden seien, darunter leide die Produktivität.

Es sind wohl Nachhutgefechte. Doch weil noch immer ehemals volkseigener Boden, Seen und Wälder privatisiert werden, will die Linke weiter Wacht halten. Nicht am Rhein, sondern an der Spree.

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