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Seit zwei Wochen besetzen die Demonstranten nun schon den Gezi-Park im türkischen Istanbul. Die mehrfachen Aufforderungen von Erdogan, den Park zu räumen, finden kein Gehör.

© AFO

Türkei: Demonstranten im Gezi-Park bleiben skeptisch: Platz für Verhandlungen?

Am Freitag rief der türkische Ministerpräsident Erdogan die Demonstranten im Gezi-Park nochmals dazu auf, den Park zu räumen. Er gibt sich dabei jedoch so kompromissbereit wie nie. Die Protestler trauen der neuen Linie noch nicht.

Im Gezi-Park von Istanbul wird schon seit zwei Wochen viel diskutiert, aber am Freitag gab es noch mehr Debatten als sonst. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte den Demonstranten im Park ein neues Angebot vorgelegt und sie noch einmal aufgerufen, den Park zu verlassen. Erdogans neue Position ist weit entfernt von seiner Haltung vor Ausbruch der Unruhen Anfang des Monats: Damals tat er die Demonstranten als eine Handvoll „Plünderer“ ab, nun will er ihnen so weit entgegenkommen wie nie zuvor. Dennoch war die Skepsis unter den Park-Besetzern groß.

Erdogan unterbreitete seine neue Offerte in einem Treffen mit Künstlern und Vertretern der Protestbewegung am späten Donnerstagabend in Ankara. Schon am Mittwoch hatte er sich mit Demonstranten getroffen, doch diesmal ging er noch einen Schritt weiter. Im Grunde genommen ist der Ministerpräsiden jetzt bereit, auf das bis vor kurzem noch als unabänderlich bezeichnete Bauprojekt in dem Park auf Jahre hinaus zu verzichten.

Das könnte ein Wendepunkt für die landesweite Protestwelle sein. Eine kleine Demonstration gegen Erdogans Pläne für den Park löste am 31. Mai die schwersten Unruhen seit dem Amtsantritt des Ministerpräsidenten vor zehn Jahren aus. Bei Straßenschlachten in mehreren Landesteilen starben vier Menschen, mehr als 7000 wurden verletzt.

Die Regierung verpflichtet sich nach den Worten Erdogans, den derzeitigen Rechtsstreit um die auf dem Parkgelände geplante Wiedererrichtung einer osmanischen Kaserne aus dem 18. Jahrhundert abzuwarten und bis zu einer endgültigen Klärung den Park nicht anzurühren. Ein Istanbuler Verwaltungsgericht hatte am 31. Mai die Vorbereitungen für das Bauprojekt gestoppt, Erdogans Regierung will die Entscheidung anfechten. Sollte der Fall, wie zu erwarten ist, bis vor das Oberste Verwaltungsgericht in Ankara gebracht werden, dürften Jahre ins Land gehen. Selbst wenn die Gerichte am Ende grünes Licht für das Projekt geben, will Erdogan das Bauvorhaben von einer Bürgerbefragung in Istanbul absegnen lassen. Entscheiden sich die Wähler dagegen, will er dies anerkennen. „Was kann ich noch mehr sagen?“ fragte Erdogan am Freitag in einer Rede.

„Bitte verlasst den Park und geht nach Hause“, sagte der Ministerpräsident an die Demonstranten im Gezi-Park gerichtet. Wer noch viel länger bleibe, müsse mit „anderen Methoden“ rechnen, sprich: der gewaltsamen Räumung des Parks durch die Polizei. Tayfun Kahraman von der Gruppe „Taksim Solidarität“, der am Treffen mit Erdogan am Donnerstagabend teilgenommen hatte, sprach von einem „positiven Ergebnis“. Die Organisation wollte am Freitagabend ihre Entscheidung über Erdogans Offerte bekannt geben.

Viele Park-Besetzer sagten aber, sie wollten ihre Aktion auf jeden Fall fortsetzen. „Keiner hier geht nach Hause“, betonte die 18-jährige Jurastudentin Özge. Sie traut Erdogan nicht und sorgt sich, dass der Ministerpräsident alle Zusagen ignorieren wird, sobald die Besetzer den Park verlassen haben. „Ich habe Angst, dass wir alles Erreichte wieder verlieren, wenn wir jetzt gehen“, sagte sie.

Die Möglichkeit eines neuen Gewalteinsatzes der Polizei blieb deshalb bestehen. Die Behörden ließen aber durchblicken, dass sie den Demonstranten noch etwas Zeit zur Entscheidung geben wollen. Der Istanbuler Gouverneur Hüseyin Avni Mutlu sagte nach einem Treffen mit Demonstranten, die Besetzer sollten ihre Zelte nun allmählich abbrechen. Die Öffentlichkeit solle wieder Zutritt zu dem Park haben – und zwar rechtzeitig für ein „Picknick am Sonntag“.

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