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Präsident Recep Tayyip Erdogan (Mitte) trat nach der Annahme des Präsidialsystems wieder in die regierende AKP-Partei ein.

© Reuters

Türkei: Erdogan droht mit Ausstieg aus EU-Verhandlungen

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ist mächtiger denn je – und demonstriert dies gleich mit einem neuen Ultimatum Richtung Brüssel.

Mit warmen Worten für die eigene Partei und scharfer Kritik an der EU hat Recep Tayyip Erdogan am Dienstag eine neue politische Ära in der Türkei eröffnet. „Ich kehre zurück zu meiner Heimat, zu meiner Liebe. Die Sehnsucht hat ein Ende“, sagte der 63-Jährige im Hauptquartier der Regierungspartei AKP in Ankara. Auch die ein oder andere Träne der Rührung vergoss er. Mit einer Unterschrift trat Erdogan erneut in jene Partei ein, die er im Jahr 2001 gegründet und zur Regierungsmacht geführt hatte. Bei seiner Wahl zum Staatspräsidenten vor drei Jahren hatte er aus der AKP austreten müssen, doch das umstrittene Referendum im April ermöglichte seine Rückkehr. Erdogan ist mächtiger denn je – und demonstrierte dies gleich mit einem neuen Ultimatum Richtung Brüssel.

Seit einem halben Jahrhundert ist kein Staatspräsident der Türkei mehr Mitglied in einer politischen Partei gewesen. Das Prinzip der Überparteilichkeit des Staatsoberhauptes sollte dessen Rolle als Schiedsrichter und Wächter über die grundlegenden Prinzipien des Staates stärken. Die erste Direktwahl des Präsidenten im Jahr 2014 war der Anfang vom Ende dieser Regelung, denn Erdogan war von Anfang an alles andere als unparteiisch, auch wenn er das AKP-Parteibuch zurückgeben musste. Er unterstützte die AKP, attackierte die Opposition und machte sogar Wahlkampf für seine alte Partei.

Nun hat er das Parteiverbot für den Präsidenten mit dem Referendum auch offiziell beseitigen lassen. Am 21. Mai soll er bei einem Sonderparteitag wieder den Vorsitz der AKP übernehmen. Der bisherige Parteichef und Ministerpräsident Binali Yildirim hat ausgedient: Auch das Amt des Regierungschefs wird im Zuge der beschlossenen Machterweiterung des Staatspräsidenten abgeschafft. Bei der Präsidentenwahl in zwei Jahren wird der Übergang zum Präsidialsystem perfekt.

Erdogan eröffnete den Wahlkampf für 2019

Erdogan machte gleich nach der erneuten Eintragung ins AKP-Mitgliederverzeichnis deutlich, dass der Wahlkampf für 2019 eröffnet ist und dass er im Kampf um Wählerstimmen vor allem auf Nationalisten setzt. Trotz der Beschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit in seinem Land und trotz des wachsenden Drucks auf Andersdenkende, besonders seit dem Putschversuch des vergangenen Jahres, verlangte Erdogan in seiner Rede vor der AKP von der EU ein Entgegenkommen an die Türkei. Sollte Brüssel die Eröffnung neuer Verhandlungskapitel im türkischen Beitrittsprozess verweigern, dann heiße es: „Auf Wiedersehen.“

Damit deutete Erdogan zum ersten Mal die Möglichkeit an, dass die Türkei von sich aus auf die EU-Kandidatur verzichten könnte. Zwar ist der Beitrittsprozess ohnehin längst zum Erliegen gekommen: Kurz vor Erdogans Rede hatte EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn festgestellt, die Türkei bewege sich von Europa fort. Auch warnt Brüssel, die von Erdogan in Aussicht gestellte Wiedereinführung der Todesstrafe würde das Ende des Prozesses bedeuten. Doch Erdogans konkrete Drohung mit einem Ausstieg der Türkei aus den Verhandlungen ist neu.

Dass die Chancen für Fortschritte im Beitrittsgesuch auch wegen seiner Nazi-Vorwürfe zuletzt an diverse EU-Staaten gleich null sind, weiß Erdogan genau. Offenbar setzt der Präsident darauf, dass er sich selbst und sein Land bei einem Ende der Verhandlungen in Brüssel als Opfer einer antitürkischen Haltung Europas präsentieren kann.

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