zum Hauptinhalt
Anlass der Spannungen: Im Mai 2010 stürmten israelische Soldaten das Gazi-Schiff mit türkischen Aktivisten an Bord.

© Emrah Dalkaya/REUTERS

Türkei und Israel: Ende der „ewigen“ Feindschaft

Die Türkei und Israel wollen nach langem Streit ihre Beziehungen normalisieren. Drei Bedingungen hatte Ankara gestellt.

Sechs Jahre nach dem Tod von zehn türkischen Aktivisten beim Sturm israelischer Soldaten auf das Gaza-Schiff „Mavi Marmara“ stehen die Türkei und Israel vor einer Normalisierung ihrer Beziehungen. Laut Presseberichten in beiden Ländern wollen Unterhändler an diesem Sonntag eine Einigung verkünden, die im Juli offiziell unterschrieben werden soll. Der Deal markiert eine Wende in der türkischen Nahost-Politik, die weg will vom Konfrontationskurs der vergangenen Jahre.

Drei Bedingungen für eine Erholung der Beziehungen hatte die Türkei nach dem blutigen Ausgang der Fahrt der Mavi Marmara vom 30. Mai 2010 gestellt. Zwei davon – eine offizielle Entschuldigung Israels für den Militäreinsatz und Jerusalems Bereitschaft zur Zahlung von Entschädigung an die Hinterbliebenen der Todesopfer – sind inzwischen erfüllt.

20 Millionen Dollar Entschädigung

Laut Medienberichten will Israel 20 Millionen Dollar zahlen. Die dritte Bedingung machte den Verhandlungsteams beider Länder bei vertraulichen Gesprächen in den vergangenen Monaten weitaus mehr Schwierigkeiten. Ankara fordert eine Lockerung der Blockade des von der militanten Palästinensergruppe Hamas regierten Gaza-Streifens, was Israel nicht zulassen will. Nun haben sich die beiden Länder auf Kompromisse geeinigt.

Demnach darf die Türkei eine Klinik in Gaza fertigbauen sowie mit Medikamenten und Personal versorgen. Zusammen mit Deutschland will Ankara auch ein Kraftwerk bauen, um Energie-Engpässe im Küstenstreifen zu mindern. Der Bau einer Meerwasser-Entsalzungsanlage für die Verbesserung der Trinkwasserversorgung ist ebenfalls geplant.

Die Türkei verpflichtet sich, Hilfsgüter nur über den israelischen Hafen Aschdod nach Gaza zu liefern – und nicht direkt in das Hamas-Gebiet. Zudem schließt die Türkei laut der Vereinbarung die Hamas-Vertretung auf ihrem Gebiet.

Ära der „wertvollen Einsamkeit“ geht zuende

Eine Aussöhnung mit Israel würde die Isolation der Türkei in Nahost mindern und dem Land die Chance geben, an der Ausbeutung der riesigen Erdgasvorräte vor der israelischen Küste teilzuhaben. Wie erst jetzt bekannt wurde, traf sich Präsident Recep Tayyip Erdogan bereits im März mit dem israelischen Energieminister Yuval Steinitz. Die Türkei brauche Israel, hatte Erdogan schon im Januar erklärt.

Gleichzeitig bemüht sich der türkische Präsident um eine Wiederannäherung an Russland. Die Beziehungen befinden sich seit dem Abschuss einer russischen Militärmaschine durch türkische Kampfjets an der syrischen Grenze im November in einer tiefen Krise. In einem Brief an den russischen Staatschef Wladimir Putin schrieb Erdogan kürzlich, er hoffe auf eine Rückkehr zu guten Beziehungen.

Die Ära der „wertvollen Einsamkeit“ in der türkischen Nahost-Politik gehe wohl zu Ende, kommentierte der türkische Leitartikler Murat Yetkin. Mit der „wertvollen Einsamkeit“ hatte Erdogan-Berater Ibrahim Kalin einst beschönigend die Isolation des Landes in der Region beschrieben: Mit Ägypten, Israel, Syrien, Irak und Iran liegt die Türkei im Clinch – Kalin erklärte das damit, dass Ankara nun einmal eine Politik auf der Basis moralischer Werte betreibe, die von den Nachbarn verletzt würden. In Wahrheit hatte Ankara viele Nachbarn mit Arroganz und einem übertriebenen Führungsanspruch vergrätzt.

Zur Startseite