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Der türkische Präsident Erdogan beim ARD-Interview

© ARD

Türkischer Präsident im ARD-Interview: "Die europäischen Regierenden sind nicht aufrichtig"

Der türkische Präsident Erdogan wirft der EU vor, sich nicht an Vereinbarungen in der Flüchtlingspolitik zu halten. Erdogan bekräftigt, beim Thema Todesstrafe Volkes Willen zu folgen.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat der Europäischen Union einen Wortbruch in der Flüchtlingspolitik vorgeworfen. "Die europäischen Regierenden sind nicht aufrichtig", sagte Erdogan in einem am Montag in Ankara aufgezeichneten ARD-Interview. Die EU habe der Türkei drei Milliarden Euro für die Versorgung von etwa drei Millionen Flüchtlingen aus Syrien zugesagt. Doch seien bislang nur "symbolisch" Geldsummen geflossen. Erdogan sprach von "ein bis zwei Millionen Euro".

"Wir stehen hinter unserem Versprechen, unser Versprechen gilt", sagte Erdogan. Doch hätten die Europäer noch nicht wie versprochen gezahlt. "Die EU ist in der Schuld."

Die EU hatte mit der Türkei einen Flüchtlingspakt geschlossen, der einen Tauschhandel vorsieht. Die EU schickt Flüchtlinge und andere Migranten, die seit dem 20. März illegal in Griechenland eingereist sind, zurück in die Türkei. Für jeden zurückgeschickten syrischen Flüchtling darf seit dem 4. April ein anderer Syrer aus der Türkei legal und direkt in die EU einreisen.

Erdogan hält sich eine Verlängerung des zunächst drei Monate währenden Ausnahmezustands nach dem gescheiterten Putschversuch im Land offen. "Wir müssen sehen, wie sich die Situation entwickelt", sagte er. Wenn sich binnen der drei Monate eine Normalisierung zeige, "dann brauchen wir keine zweiten drei Monate." Erdogan verwies darauf, dass es in Frankreich nach mehreren Terroranschlägen einen Ausnahmezustand schon für neun Monate gebe.

In dem Interview mit BR-Chefredakteur Sigmund Gottlieb bezeichnete Erdogan seine Gegner erneut als Terroristen und verteidigte das Vorgehen gegen die Gülen-Bewegung. "Das ist eine Terrororganisation, gegen diese Terrororganisation hat der Staat seinen Reflex gezeigt", sagte Erdogan. Er verteidigte die Säuberungen im Staatsapparat,. "All das, was gemacht worden ist, ist im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit und Justiz gemacht worden", sagte Erdogan. Die Suspendierung Tausender Lehrer und Hochschullehrer werde zu keiner Lücke in der Bildung führen. Es würden 20.000 bis 30.000 Lehrer eingestellt, und auch an den Universitäten werde es keine Probleme geben, sagte Erdogan.

Gefragt nach der möglichen Wiedereinführung der Todesstrafe nach dem Putschversuch, berief sich Erdogan erneut auf den Willen des Volkes. "Das Volk rebelliert momentan und sagt, wir wollen die Todesstrafe", sagte Erdogan. Er habe nicht die Befugnis, die Todesstrafe wieder einzuführen. "Ich bin kein König. Ich bin nur ein Staatspräsident", sagte Erdogan. Ein starker Präsident zu sein, bedeute nicht, gegen die Verfassung zu agieren. Dafür müsse er das Volk anhören. "Nur in Europa gibt es keine Todesstrafe. Ansonsten gibt es sie fast überall", rechtfertigte er zudem seine Überlegungen. (Tsp)

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