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Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei.

© REUTERS

Türkischer Präsident Recep Tayyip Erdogan: Wer den russischen Bären reizt

Recep Tayyip Erdogan wird wegen seines autoritären Stils oft mit Wladimir Putin verglichen. Nun könnte der türkische Präsident seinen Meister in dem Russen finden.

Häufig wird der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wegen seines autokratischen Stils mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin verglichen. Nun steht der von seinen Anhängern als „Meister“ verehrte Erdogan im Konflikt mit Putin wegen des abgeschossenen russischen Jets vor einer schweren Prüfung. Auf dem Spiel stehen nicht nur die türkisch-russischen Beziehungen, russische Gaslieferungen und die türkischen Pläne für eine Pufferzone in Syrien. Erdogan kämpft um seine Vision einer „neuen Türkei“, die als eigenständige Regionalmacht in Nahost ihre Interessen durchsetzt.

Ob das im Fall Russland gelingt, ist alles andere als sicher. Findet Erdogan seinen Meister in Putin? Wer den russischen Bären reize, zahle den Preis dafür, schrieb der türkische Kommentator Semih Idiz.

Schon vor dem Zwischenfall vom Dienstag hatte sich Ankara mehrfach vergeblich über russische Luftangriffe in einem Teil Nord-Syriens beschwert, in dem die mit der Türkei verbündeten Turkmenen leben. Für Putin zählen die Turkmenen zu den Gegnern seines Verbündeten, des syrischen Präsidenten Baschar al Assad. Für die Türkei sind die Turkmenen wichtige Partner im syrischen Bürgerkrieg. Die russischen Angriffe stoppen konnten die Türken nicht.

Nach der militärischen Konfrontation an der Grenze droht Russland mit Konsequenzen – die Türkei bezieht 57 Prozent ihres Erdgases aus Russland – und setzt seine Luftangriffe in der Nähe des türkischen Hoheitsgebietes fort. Unterdessen läuft in Ankara ein dezenter Versuch an, sich von der Episode so gut es geht zu distanzieren: Türkische Zeitungen meldeten, die Entscheidung zum Abschuss des russischen Jets habe der Pilot des türkischen F-16-Kampfflugzeuges selbst getroffen. Bisher gingen ausländische Beobachter davon aus, dass der Abschuss eine politisch vorbereitete Provokation war.

Jetzt wird deutlich, wer Weltmacht ist und wer nicht

Der Streit mit Russland kompliziert auch die bisherige Syrien-Politik Ankaras. So dürfte sich die geplante Einrichtung einer militärisch gesicherten Pufferzone in Nord-Syrien, ein wichtiges Ziel Erdogans, mit dem Abschuss des russischen Flugzeugs erledigt haben. Putin beschuldigte die Türkei darüber hinaus, islamistische Extremisten in Syrien zu unterstützen.

Die Türkei sei ein „großer Staat“ und lasse sich von niemandem reinreden, schrieb Erdogan-Berater Yigit Bulut nach dem Abschuss des russischen Jets trotzig in der Zeitung „Star“. Erdogan selbst sagte am Donnerstag, die Türkei empfinde das gesamte Gebiet zwischen Balkan, Kaukasus und Nordafrika als direkte Interessensphäre. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Es gibt nicht viel, was Erdogan gegen die russische Rolle in Syrien ausrichten kann.

Russland werde sich von der Türkei nicht abschrecken lassen, schrieb Idiz in der „Hürriyet Daily News“. So habe Ankara kaum Möglichkeiten, weitere Angriffe auf die Turkmenen zu verhindern. Möglicherweise werden die Verbündeten Ankaras in Nord-Syrien laut Idiz jetzt sogar noch intensivier von der russischen Luftwaffe unter Beschuss genommen.

Das Engagement Russlands im Syrien-Konflikt lege eben deutlich den Unterschied zwischen einer Weltmacht und einem regionalen Akteur offen, sagt der Istanbuler Politikwissenschaftler Behlül Özkan. Zwar gehen Beobachter davon aus, dass auch Moskau ein tiefes Zerwürfnis mit der Türkei vermeiden will. Doch dass Putin den Affront des Abschusses einfach auf sich beruhen lässt, ist kaum zu erwarten. Türkische Medien überschlugen sich am Donnerstag mit Meldungen über angebliche russische Strafmaßnahmen.

Erdogans These von der Türkei als eigenständiger Ordnungsmacht in Nahost gerät damit ins Wanken. Der 61-Jährige pendelt zwischen versöhnlichen Tönen und harten Worten. Am Tag nach dem Abschuss des russischen Jets beschwor Erdogan „Frieden, Dialog und Diplomatie“ als Leitmotive im Umgang mit Russland. Die Erdogan-treue Zeitung „Yeni Safak“ meldete, der Staatschef wolle sich schon bald mit Putin persönlich treffen.

Gleichzeitig demonstriert Erdogan vor seinen Anhängern Standfestigkeit. In einer Rede vor Lokalpolitikern wies er am Donnerstag russische Vorwürfe zurück, wonach die Türkei mit dem „Islamischen Staat“ (IS) paktiert. Es sei eine „Schande“ von Putin, so etwas zu behaupten. Bei neuen Luftraumverletzungen werde die Türkei wieder auf russische Flugzeuge schießen. Ob sich Moskau davon beeindrucken lässt, ist fraglich. Putin weiß, wie er Erdogan schaden kann. Möglicherweise werde Russland aus Rache nun die syrischen Kurden unterstützen.

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