zum Hauptinhalt
Die Qual der Wahl

© dpa

Uber gegen Deutschland: Mehr als ein Taxi-Krieg

Der Uber-Konflikt ist sinnbildlich für das deutsch-amerikanische Spannungsverhältnis. Lange Zeit wurden die deutschen Führungsqualitäten auf dem internationalen Parkett angezweifelt. Doch bei immer mehr Themen – von den erneuerbaren Energien bis zum Datenschutz – lehnt sich Berlin inzwischen gegen Washington auf. Ein Gastkommentar.

Der umstrittene Fahrtenvermittler Uber hat, aller Aufregung über den aktuellen Rechtsstreit zum Trotz, seine Daseinsberechtigung in der modernen, globalisierten Wirtschaft. Zweifelhaft sind jedoch die Mittel, mit denen er seinen weltweiten Eroberungsfeldzug führt. Man könnte meinen, das US-Unternehmen hätte sich seine Strategie bei Bush junior abgeschaut – erst einmarschieren, dann Fragen stellen. Tatsächlich hat der Uber-Streit, bei dem es um mehr geht als die Besitzstandswahrung des etablierten deutschen Taxigewerbes, eine wichtige internationale Dimension, die sich an folgenden sechs Punkten festmachen lässt.

Erstens: In Deutschland trifft Uber auf ein völlig anderes Umfeld als auf seinem US-Heimatmarkt. In amerikanischen Großstädten besteht die Taxi-Flotte oftmals aus alten Rostlauben im Einheitslook, die bezüglich Produktvielfalt und Servicequalität an alte Sowjetzeiten erinnern. Als leidgeprüfter Wahl-Washingtoner bin ich jedenfalls froh, mit Uber auf eine komfortable, zuverlässige Alternative zurückgreifen zu können. Dagegen ist die vermeintliche Servicewüste Deutschland für den Fahrgast ein wahres Eldorado. Die Fahrzeuge sind vergleichsweise nobel, modern und gut in Schuss, die Taxidienste effizient organisiert. Aus Nutzersicht besteht in Deutschland also ein weit geringerer Bedarf für Alternativangebote.

Es gibt in den USA eine Doppelmoral beim Verbraucherschutz

Zweitens: Uber ist so etwas wie der Inbegriff des Liberalismus. Mit einiger Chuzpe vertreten die Uber-Manager die Devise, die existierenden Regeln gälten für sie nicht. Die Personenbeförderungsgesetze, so das Argument, stammten aus einer Zeit, als die „Sharing Economy“ noch nicht erfunden war. Dabei ist ein Taxi doch die ursprüngliche Form der Sharing Economy. Übers Arroganz hat Konsequenzen. Wenn ein Unternehmen für sich in Anspruch nimmt, über dem Gesetz zu stehen, passt das genau in das Image, das immer mehr Menschen rund um den Globus von den USA haben. Das hilft weder den Firmen selbst noch der US-Außenpolitik.

Drittens: Es gibt in den USA eine offenkundige Doppelmoral beim Verbraucherschutz. Die Europäer können ein Lied singen von der Übervorsicht der US-Behörden, wie etwa bei der Zulassung ausländischer Lebensmittel. Der Klassiker ist das Einfuhrverbot für Rohmilchkäse wegen potenzieller Gesundheitsgefahren. Es fragt sich allerdings, was für die Gesundheit gefährlicher ist – der Genuss von französischem Käse oder die Fahrt in einem nicht behördlich geprüften Privattaxi? Wenn die USA beim Verbot von Produkten auf das Vorsorgeprinzip verweisen, sollten sie sich nicht wundern, wenn andere Nationen die gleiche Argumentation in Anspruch nehmen.

Viertens: Die „Sharing Economy“ wird von ihren Aposteln als Wundermittel zur Förderung von Innovation und Kleinunternehmertum verherrlicht. Was Taxidienste angeht, ist diese Propaganda fehl am Platz. Die meisten Taxibetreiber in Deutschland sind klassische Familienunternehmen. Hier gibt es also keinerlei Nachholbedarf. Im Gegenteil: Uber würde eher zur Vernichtung kleiner Betriebe beitragen.

Andere, wirtschaftlich schwächere Nationen knicken leichter ein

Fünftens: Gleiches Recht für alle. Es gibt keinen Grund, Uber aus Prinzip abzulehnen. Ohne Frage wird das Unternehmen seinen Platz am Markt finden, ob in den USA, Deutschland oder anderswo. Aber es muss doch völlig klar sein, dass es sich dabei an das jeweilige nationale Recht zu halten hat. Und da kann sich Uber nicht damit herausreden, es sei ja „nur eine App“. Uber ist nichts anderes als ein Taxidienst, und dafür gibt es in den meisten Staaten behördliche Auflagen. Das Unternehmen kann also die nötigen Anträge stellen und den Betrieb aufnehmen, sobald die Genehmigung vorliegt.

Sechstens: Der Uber-Konflikt ist im Grunde sinnbildlich für das deutsch-amerikanische Spannungsverhältnis. Lange Zeit wurden die deutschen Führungsqualitäten auf dem internationalen Parkett angezweifelt. Doch bei immer mehr Themen – von den erneuerbaren Energien bis zum Datenschutz – lehnt sich Berlin inzwischen gegen Washington auf. Seine im internationalen Vergleich erfolgreiche Wirtschaft spielt Deutschland dabei in die Karten. Andere, wirtschaftlich schwächere Nationen knicken leichter ein, wenn sie auf den Widerstand der US-Regierung oder amerikanischer Unternehmen stoßen.

Am Ende gilt diese Maxime: Die freie Welt braucht permanente Innovation, aber ebenso dringend eine bessere Balance innerhalb des kapitalistischen Systems, um die Vision des Wohlstands für alle verwirklichen zu können. Im übrigen sind die Zeiten vorbei, in der jede neue Mode – oder App – aus den USA als unausweichlich akzeptiert werden muss. Ohne kritische Auseinandersetzung und gezielten Widerstand, wo sinvoll und nötig, kann es keine echte transatlantische Partnerschaft geben.

- Stephan Richter ist Herausgeber des Online-Magazins The Globalist.com

Stephan Richter

Zur Startseite