zum Hauptinhalt
Bundesumweltminister Peter Altmeier

© Georg Moritz

Umweltminister Altmeier im Interview: "Wahlkämpfe werden immer unpopulärer"

Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) spricht im Interview über Sinn und Unsinn von Rhetorik, sein Verhältnis zu Bündnis 90/Die Grünen und eine gerechte Verteilung der Gewinne in der Energiewende.

Herr Altmaier, haben Sie daheim im Küchenschrank ein paar Batterien liegen?

Wofür sollte ich?

Für den Fall, dass im Winter der Strom ausfällt und Sie eine Taschenlampe brauchen.

Kerzen hab’ ich immer im Haus. Aber die brennen besonders schön, wenn im Hintergrund auch noch eine elektrische Lampe leuchtet.

Also doch ein bisschen Sorge?

Wir waren die vergangenen 20 Jahre das Land mit der höchsten elektrischen Versorgungssicherheit der Welt. Wir hatten weitaus weniger Stromausfälle als beispielsweise die USA mit ihrem hohen Anteil an Kernkraft und konventioneller Energieversorgung. Wir haben alles Sinnvolle und Vernünftige getan, um auch im kommenden Winter eine verlässliche Versorgung zu gewährleisten.

Also, der Strom ist sicher. Dafür haben Sie eine Debatte über Strompreise am Hals.

Diese Energiewende ist die größte Herausforderung für die deutsche Innenpolitik seit dem Krieg. Deshalb ist es absolut notwendig, dass wir darüber öffentlich diskutieren. Ich habe gar nichts dagegen, dass sich dabei mancher holzschnittartig und zugespitzt zu Wort meldet. Nur so werden Entscheidungsalternativen deutlich. Als Umweltminister will ich aber diese Diskussion so gestalten, dass ich einerseits Panikmache vermeide, andererseits Probleme nicht wegdiskutiere.

Wie wollen Sie so denn den Kollegen Wirtschaftsminister Philipp Rösler dazu bringen, endlich einmal positiv über das Projekt zu sprechen?

Indem ich positiv rede über meine Zusammenarbeit mit dem Kollegen Rösler. Wir haben in den vergangenen fünf Monaten schwierige Probleme gemeinsam gelöst. Wir haben die Fotovoltaik-Förderung neu und die Offshore-Haftung geregelt. Man darf nicht immer nur auf die Rhetorik schauen, sondern muss die konkreten Ergebnisse sehen. Und die sind bisher so, dass sie die Energiewende absichern und stützen.

Aber die Rhetorik könnte noch etwas enthusiastischer ausfallen, nicht wahr?

Ich kümmere mich um die eigene Rhetorik. Das ist anspruchsvoll genug. Ich will die bestehenden Probleme benennen. Wir nutzen der Energiewende nicht, wenn wir diese Probleme verdrängen. Andererseits verbinde ich meinen politischen Erfolg mit dem Erfolg dieser Wende. Und ich glaube, dass wir dafür eine positive Grundstimmung brauchen.

Die haben Sie aber bisher nicht. Sieht nicht die Realität so aus, dass jede Interessengruppe rumholzt und dem Altmaier immer nur die Selbstverteidigung bleibt und die Versicherung, sooo schlimm sei’s nicht?

Nein, die Debatte ist anders verlaufen. Der Altmaier hat gesagt: Wir brauchen ein nationales Konzept für die Energiewende und müssen die 16 Konzepte der Länder mit dem des Bundes zusammenführen. Damals haben alle gesagt: Der Altmaier ist ganz schrecklich und will uns von unseren eigenen Ideen abbringen. Inzwischen haben alle Länder gemeinsam erklärt, dass sie eine nationale Ausbau-Konzeption wollen, dass sie zu einer umfassenden Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) bereit sind und dass sie bereit sind, ihre eigenen Ausbaukonzepte für erneuerbare Energie zu verändern. Das ist ein Ergebnis, das ich sehr vernünftig finde.

Kurz vor diesem Ländergipfel hat der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer auf seinem Parteitag noch von bayerischer Autarkie geschwärmt. Hat sich das mit der Abmachung der Länder erledigt?

Der bayerische Ministerpräsident ist ja nicht der Einzige, der solche Vorstellungen präsentiert. Länder im Norden haben angekündigt, sie wollten das Zwei- bis Dreifache ihres Bedarfs an Energie erzeugen. Das sind Positionsbestimmungen, die im Zuge der Konsensfindung darauf überprüft werden müssen, was realistisch und sinnvoll ist. Grundsätzlich ist es so, dass im Norden besonders gute Bedingungen für Windstromproduktion herrschen und im Süden ein besonderes Interesse an Versorgungssicherheit besteht.

Aber viel mehr als eine Bemühenszusage haben Sie von den Ländern nicht!

Wir sind im Prozess der Konvergenz. Wir haben erreicht, dass die Bundesländer anerkennen, dass sie ihre Planungen verändern müssen. Von konkreten Absprachen sind wir noch ein gutes Stück entfernt. Ohne solche Absprachen laufen wir aber Gefahr, dass die volkswirtschaftlichen Kosten unvertretbar hoch werden. Das neue Erneuerbare-Energien-Gesetz soll eine zentrale Steuerung ermöglichen, die diese Gefahr vermeidet.

Manche Parteifreunde wittern darin die Wiederkehr des Sozialismus.

Wir wollen so weit wie möglich marktwirtschaftlich vorgehen. Es gibt zum Beispiel Vorschläge für ein Ausschreibungsmodell. Das sähe so aus, dass wir den Bedarf für einzelne Regionen ermitteln, den Bedarf ausschreiben und dem günstigsten Bieter den Zuschlag geben.

Wir müssen Akzeptanz bei den Bürgern schaffen

Überfrachten Sie nicht ein Gesetz wie das EEG mit Zielvorgaben?

Im Moment könnten wir Absprachen gar nicht umsetzen, weil wir dafür gar keine gesetzlichen Instrumente haben. Die müssen wir uns jetzt Stück für Stück schaffen. Das nächste wird der Netzausbaubedarfsplan sein. Wir müssen unbedingt zu einer Priorisierung kommen. Es hat wenig Sinn, tausende Kilometer Fernleitungen gleichzeitig bauen zu wollen. Wir müssen die vorrangigen Strecken festlegen, die dann aber auch bauen und Akzeptanz bei den Bürgern schaffen.

Akzeptanz für Hochspannungsmasten im Vorgarten stellen wir uns schwierig vor …

Wir müssen zu einem sehr frühen Zeitpunkt den Dialog mit den Bürgern suchen. Die Bundesnetzagentur hat damit schon begonnen, aber wir werden das intensivieren müssen.

Gehört dazu Ihr Plan, Bürger als Investoren am Netzausbau zu beteiligen?

Die Kosten der Energiewende sind – über die Strompreise – sehr gleichmäßig auf die meisten Stromverbraucher verteilt. Die Möglichkeiten zur Wertschöpfung sind aber bisher wenigen vorbehalten. Eine Solaranlage auf dem Dach setzt voraus, dass Sie ein Dach haben und das notwendige Kleingeld. Ich möchte Betroffenen des Leitungsbaus die Chance geben, sich mit einem Darlehen ab 500 Euro zu einem garantierten Zinssatz von etwa fünf Prozent daran zu beteiligen. Das wäre ein attraktives Angebot auch für Menschen mit geringem Einkommen.

Aber sieht das nicht so aus, als wollten Sie damit die Kritiker wegkaufen?

Niemand ist gezwungen, sich zu beteiligen. Jeder ist frei, gegen ein Projekt eine Bürgerinitiative zu gründen oder den Rechtsweg zu beschreiten. Aber wir sollten vermeiden, dass der Betreiber einer Windanlage im windreichen Norden profitiert und der Bezieher des Windstroms im industrialisierten Süden ebenfalls, die Menschen auf den 900 Kilometern dazwischen aber nur Scherereien haben mit Leitungen vor der Haustür. Auch sie müssen von den vielen Milliarden Wertschöpfung etwas abbekommen, die die Energiewende produzieren wird.

Das Wahljahr gilt gemeinhin als Jahr des Stillstands. Können Sie solche Pläne überhaupt noch umsetzen?

Dieses konkrete Projekt möchte ich vor der Bundestagswahl umsetzen. Ich glaube aber sowieso, dass sich im Hinblick auf Wahlen etwas Wesentliches geändert hat. Wahlkämpfe werden immer unpopulärer. Die Bürger erwarten, dass wir Politiker bis zum letzten Tag das tun, wofür wir gewählt wurden, nämlich Gesetze zu machen und zu regieren.

Sie gelten ja als jemand, der mit den Grünen immer ganz gut konnte. Sind Sie damit einverstanden, wie diese heute mit Ihrer Politik umgehen?

Ich habe seit den Zeiten der schwarz-grünen Pizza-Connection mit vielen Kollegen von Bündnis90/Die Grünen ein gutes Verhältnis. Was uns damals fasziniert hat, war der spürbare Ehrgeiz der Grünen, ihre eigene Programmatik realitätstauglich zu machen. Ich habe manchmal den Eindruck, dass dieser Ehrgeiz nachgelassen hat und man heute ein bisschen zu viel auf Wahlkämpfe und eigene Wählergruppierungen schielt, gerade auch, wenn es um wichtige nationale Konsens- Vorhaben geht. Die Grünen warten auch eher darauf, dass die Regierung Fehler macht, als dass sie uns mit eigenen Konzepten unter Druck setzen. Das finde ich schade. Denn ein Wettbewerb der Konzepte ist der Nährboden für gute Lösungen.

Das Interview führten Robert Birnbaum und Dagmar Dehmer. Das Foto machte Georg Moritz.

Infos zur Person:

DER JURIST

Peter Altmaier (54) stammt aus dem Saarland. Dort hat er auch Jura studiert. Von 1990 bis 1994 arbeitete er als Beamter bei der Europäischen Kommission in Brüssel. Er ist bis heute lediglich beurlaubt. Seit 1994 gehört er dem Deutschen Bundestag an.

DER MACHER

2004 wurde Altmaier Justitiar der Unions-Bundestagsfraktion. Von 2005 bis 2012 war er Parlamentarischer Geschäftsführer

der Fraktion.

DER MINISTER

Nach der Entlassung seines Freundes Norbert Röttgen übernahm Altmaier das Umweltressort. Wie seine beiden Vorgänger ist er ohne große Vorkenntnisse ins Amt gegangen – hat aber schnell gelernt.

Zur Startseite