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Vor Journalisten. Außenminister und Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) präsentierte sich am Mittwoch der Bundespressekonferenz. Foto: Axel Schmidt/ddp

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Guido Westerwelle: Und es ist Sommer

Das erste Mal im Leben: Vizekanzler Guido Westerwelle leitet das Kabinett. 20 Minuten dauert die Sitzung, anschließend erzählt er den Hauptstadtjournlisten davon und gibt sich altersmilde.

Berlin - Warum diese Kabinettssitzung eigentlich stattgefunden hat, will ein Kollege wissen. Denn in der letzten Woche war doch keine und in der nächsten Woche gibt es auch keine. Eben drum, lautet die Antwort des Vizekanzlers: „Weil in der letzten Woche keine war und in der nächsten Woche keine ist.“ Einige Dinge waren zu entscheiden, und da habe man sich zusammengesetzt. „Das ist ja in früheren Zeiten auch so gewesen …“

Also gar nichts Besonderes, will Guido Westerwelle damit andeuten, der kurz vor dem Beginn seines Urlaubs einen doch ziemlich besonderen Auftritt absolviert. Er hat am Morgen zum ersten Mal in seinem Leben, gewissermaßen als Quasi-Kanzler, eine Kabinettssitzung geleitet. Und ihre Ergebnisse, die sonst routinemäßig von den Regierungssprechern verkündet werden, trägt er selbst der Bundespressekonferenz vor. So ist es jedenfalls angekündigt. Tatsächlich ist es sein Sommerauftritt, zwei Wochen nach dem der Bundeskanzlerin, die den Hauptstadtjournalisten eine Demonstration ihrer überraschend guten Laune geboten hat.

Westerwelle steht fast anderthalb Stunden Rede und Antwort, Lateinamerika, Abrüstung, Nahost, Innenpolitik und die Tagesfragen zu Afghanistan, Hartz IV, Rente, Akw-Laufzeitverlängerung. Ausgewogen, abgezirkelt, sachlich, bedacht. Fast könnte man vergessen, dass die Koalition, dass seine FDP und er selbst nach dem Wahlsieg des letzten Jahres eine steile Talfahrt erlebt haben.

Westerwelles große Botschaft steckt in einem umwundenen und mehrfach variierten Satz: „Es hat Anfangsschwierigkeiten gegeben, aber ich denke, dass die Ergebnisse der Politik, die die Bundesregierung in diesen ersten Monaten miterarbeitet hat, eine positive Bilanz – jedenfalls eine positive Zwischenbilanz – rechtfertigt.“ Und er hat, trotz des glaubhaften Bekenntnisses, er sei keiner, „der selbstgrüblerisch zurückdenkt“, etwas gelernt. Nämlich: Bloß nicht zu dick auftragen.

Was zu einem „gesunden Optimismus“ berechtigt – die Wirtschaftsdaten, die Pflänzchen auf dem Arbeitsmarkt –, ist immer auch, aber nicht zuerst oder ausschließlich, Resultat einer fleißig arbeitenden Regierung, die – ceterum censeo – „nach anfänglichen Schwierigkeiten“ gute Ergebnisse geliefert hat. Ja, auch die Vorgängerregierungen haben ihre Verdienste. „Sehen Sie, so altersmilde wird man“, sinniert er und räumt ein, dass er neuerdings manchmal Verständnis für frühere Minister habe, die ihm seinerzeit reichlich unausgeschlafen vorgekommen seien. „Natürlich freut man sich nach langen Jahren der Opposition, wenn man an die Regierungsmacht kommt. Aber wenn man sie dann hat, spüren Sie ein Maß an Verantwortung, dass sich nur wenige vorstellen können.“ Und zwar „Tag und Nacht“.

Guido Westerwelle wird im wichtigen Landtagswahljahr 2011 im zehnten Jahr FDP-Chef sein. Ihn, sagt er, könne niemand mit Fragen nach schlechten Umfragen beeindrucken. Er habe in diesen Jahren auf manchem Umfragehoch und in manch tiefem Tal gestanden. Flüchtige Daten, im Negativen wie im Positiven. „Da gibt es ein Rezept: seine Arbeit machen, Probleme lösen. Fragen: Was ist langfristig wichtig fürs Land, was trägt.“ Das, bekennt der Vizekanzler, „ist das Rezept, das ich persönlich lebe“. Und weiter geht es im großen Saal der Bundespressekonferenz, mit Sicherungsverwahrung, Akw-Laufzeiten, den umstrittenen Äußerungen des Isaf-Oberkommandierenden David Petraeus zum Afghanistaneinsatz. „Meine Wortwahl wäre das nicht“, distanziert sich Außenminister Westerwelle ziemlich deutlich. Gezielte Tötungen von Taliban-Führern bewertet er fast ebenso deutlich für rechtlich gedeckt. Der doch noch recht frisch gebackene Außenminister kann nicht umhin, daran zu erinnern, dass er in seiner Regierungserklärung eine rechtliche Neubewertung des Afghanistaneinsatzes vorgenommen habe: „Ich war überrascht, dass es wenig Beachtung gefunden hat.“

Die Journalisten im Saal, irgendwie längst ermüdet vom schwarz-gelben Debakel, wüssten gern, wie es denn war, in Westerwelles Kabinett. „Die Kabinettssitzung war erheblich kürzer. Es ist Sommer …“, dämpft Westerwelle. Aber immerhin: „Man empfindet es in einem solchen Augenblick doch als große Ehre, seinem Land dienen zu dürfen.“ Er habe „nur geografisch“ am Platz der Kanzlerin gesessen, gibt er rätselhaft Auskunft. Ob es auch der Stuhl von Merkel gewesen sei, das lässt sich auch nachträglich nicht restlos aufklären.

Die Bundeskanzlerin hat ihren Vize übrigens die „herzlichsten Grüße“ an die Kabinettssitzung übermitteln lassen, an der nur acht Minister teilgenommen haben. Sie hat zwanzig Minuten gedauert. Und nachdem Westerwelle die Bundespressekonferenz verlassen hat, nehmen dort die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien Platz, um sich, wie üblich, zu den Ergebnissen der Kabinettssitzung und sonstigen Themen befragen zu lassen. So geht es zu, wenn Guido Westerwelle das Ende der Unbescheidenheit zelebriert.

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