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Protest in der Ukraine: Mit Galgenhumor gegen hohe Energiepreise

Die Preise für Gas in der Ukraine explodieren. Mit einer drastischen Aktion protestieren Menschen in Kiew gegen die steigenden Kosten: Sie erhängen sich symbolisch auf der Straße.

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Als in der vergangenen Woche die ukrainischen Energieversorger die Rechnungen für April verschickt haben, gab es für viele Kiewer ein böses Erwachen: Die Gaspreise sind um 40 Prozent gestiegen, Experten sagen, die Tarife seien um das Drei- bis Sechsfache überteuert. Bei den Bürgern wächst der Frust gegen Abzocke und die Tatenlosigkeit der Regierung.

In der Ukraine kennen die Preise nur eine Richtung: nach oben. Nach mehreren Erhöhungen im zweistelligen Prozentbereich 2014 haben die kommunalen Versorgungsbetriebe die Tarife zum Frühjahr noch mal saftig angehoben: für Wasser um 55 Prozent, für Elektrizität um 67 Prozent und für Gas um 40 Prozent. Weitere Erhöhungen sind angekündigt. Die Firmen begründen den Anstieg damit, dass ausländische Geldgeber wie der Internationale Währungsfonds (IWF) die Betriebe dazu zwingen würden.

Für Energieexperten wie Valentin Semljanski gibt es jedoch ganz andere Gründe: „Die Tarife sind sehr überteuert, weil die Firmen verdienen wollen“, sagte er im ukrainischen Fernsehen. Im vergangenen Jahr ist der Gasverbrauch sowohl bei den Privatkunden als auch bei den Großkunden aus der Industrie stark zurückgegangen, das hat vor allem wirtschaftliche Gründe. Das BIP sank 2014 um 6,8 Prozent, in diesem Jahr rechnet die Europäische Bank für Wiederaufbau (EBRD) sogar mit einem Minus von 7,5 Prozent. „Die Energiefirmen wollen trotzdem Kasse machen – auf dem Rücken der Privatkunden“, sagt Semljanski.

Viele Ukrainer fürchten den Blick auf die Strom- und Gaszähler wegen der immer höheren Energiepreise.
Viele Ukrainer fürchten den Blick auf die Strom- und Gaszähler wegen der immer höheren Energiepreise.

© dpa

Vor allem in den ukrainischen Großstädten wehren sich nun immer mehr Bürger gegen die Abzocke. In Charkiw, Dnipropetrowsk und in Kiew kam es in dieser Woche zu Protesten. Vor der Metro-Station Kretschatik, gegenüber dem Bürgermeisteramt in der Kiewer Innenstadt, hatten Anatoli Baschlowka und seine Mitstreiter einen Galgen in Form eines Gasrohrs aufgebaut. Mehrere Tage lang forderten sie Passanten dazu auf, sich symbolisch eine Schlinge um den Hals zu legen. Mit einer Tafel und der Botschaft „Mich haben die Tarife umgebracht“ wurden Fotos gemacht und zum Teil auf Facebook gestellt.

Baschlowka tingelt derzeit durch die Talkshows und nennt sich der Begründer der Protestbewegung „Preis des Lebens“. Ziel der Proteste ist vor allem die Kiewer Zentralregierung, allen voran Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk. Der Vorwurf: Das Kabinett tue trotz aller fortwährenden Bekundungen nichts gegen den Preiswucher der Oligarchen. Kein Wunder: Ein Großteil der Regierungskoalition wird nach wie vor von einer Handvoll mächtiger Oligarchen kontrolliert, die im Energiegeschäft Milliarden verdienen. Mehrere Bürgergruppen hätten in den vergangenen Monaten versucht, mit der Regierung ins Gespräch zu kommen, doch die Treffen hätten zu keinerlei Ergebnissen geführt. „Die jetzige Regierung nimmt die Interessen genauso wenig ernst wie ihre Vorgänger“, sagte Demonstrantin Olena der Wochenzeitung „Focus“.

In Charkiw gehen die Bürger bereits einen Schritt weiter. Jewgenij Lisischkin kann seine Strom- und Gasrechnung nicht mehr zahlen. „Obwohl meine Frau und ich arbeiten, reicht es nicht.“ Der Lehrer ruft derzeit Gleichgesinnte dazu auf, eine Sammelklage gegen die „explodierenden Preise für Wasser, Strom und Gas“ einzureichen. Er ist sich sicher, dass „90 Prozent der Vorstadthaushalte in Charkiw“ seinem Aufruf folgen werden.

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