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Untersuchungsausschuss: BKA gibt Fehler bei NSU-Ermittlungen zu

Neun Morde in fünf Bundesländern - und über Jahre waren mehrere Ermittlungsbehörden auf der falschen Spur. Vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags trat heute der ehemalige BKA-Vizepräsident auf. Und er offenbarte ein chaotisches Kompetenzgerangel.

Der ehemalige Vizepräsident des Bundeskriminalamtes, Bernhard Falk, hat Versäumnisse und Fehler im Zusammenhang mit dem rechtsextremen Terrornetzwerk "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) eingestanden. Vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss zur Mordserie der NSU sagte Falk: "Ich bedauere sehr, dass wir es auch beim BKA nicht fertig gebracht haben, die richtigen Verbindungen herzustellen. Wenn ich Anhaltspunkte für einen rechtsextremen Hintergrund der Taten gehabt hätte, hätte ich reagiert - aber ich hatte solche Informationen nicht."

Falk wies darauf hin, dass es dringend erforderlich gewesen wäre, die Ermittlungen zentral zu steuern und nicht, wie geschehen, ohne klare Hierarchie und in der Hand verschiedenster Polizeidienststellen und Staatsanwaltschaften. Auch die Erfassung der Ermittlungsergebnisse in einer zentralen Verbunddatei und eine zentrale Analyse wäre sinnvoll gewesen. Doch das habe alles nicht stattgefunden. "Das hätte nicht zwingend das BKA sein müssen, aber das BKA wäre am ehesten in der Lage gewesen", sagte er.

Abrissbagger zerstören den NSU-Unterschlupf - Eine Bildergalerie:

Laut Falk sei das BKA auch bemüht gewesen, die Kompetenzen an sich zu ziehen, aber das sei am Widerstand der Länder gescheitert. Der Obmann der Grünen im NSU-Untersuchungsausschuss, Wolfgang Wieland, griff in dem Zusammenhang den "unglaublichen Slalom-Kurs" der Sicherheitsbehörde an. Denn bereits 2004 habe es die Möglichkeit zur kompletten Ermittlungsübernahme gegeben. Das bestätigte auch Falk, er verwies allerdings darauf, dass ohne sein Wissen auf Referatsebene bereits Gespräche zwischen dem BKA und den Ländern, in denen es bereits Morde gab, stattfanden, wonach sich die BKA-Referatsleiter gegen eine Übernahme der Ermittlungen durch das BKA ausgesprochen haben.

Falk sei damals aber bereits der Meinung gewesen, dass es sinnvoller wäre, dem BKA die Ermittlungskompetenzen zu überschreiben. Die Arbeit der Soko "Bosporus" in Bayern bezeichnete Falk als "stümperhaft". Das BKA habe von den Ländern nur einen Teilermittlungsauftrag erhalten, der einen engen thematischen Rahmen gesetzt habe, über den man nicht hätte hinaus gehen können. 2006, als es mittlerweile neun Morde in fünf Ländern gab, sei das Misstrauen größer geworden. Man sei zwar immer noch in erster Linie davon ausgegangen, dass es sich um ein Rauschgiftdelikt oder etwas aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität handele, habe aber andere Möglichkeiten nicht ausgeschlossen - auch eine "politisch motivierte Straftat". Allerdings habe man da weniger in den Bereich Rechtsextremismus gedacht als vielmehr in Richtung der türkischen Hisbollah.

Wie die NSU-Mitglieder Urlaub machten - Eine Bildergalerie:

Das BKA habe einen neuen Versuch unternommen, die Kompetenzen an sich zu ziehen. Im Frühjahr 2006 habe man versucht, das Bundesinnenministerium zu überzeugen, per Anordnung die Ermittlungskompetenzen in die Hände des BKA zu legen. Das sei im Rahmen des BKA-Gesetzes möglich gewesen. Doch der Druck aus den Ländern sei groß gewesen. Aus Bayern sei das Wort "Kriegserklärung" gefallen. Falk widersprach dem ehemaligen bayerischen Innen- und späteren Ministerpräsidenten Günther Beckstein (CSU), der auch vor dem Untersuchungsausschuss gesagt hatte, dass es nicht effektiv sei, mitten in den Ermittlungen statt 200 eingearbeitete Landesbeamte 20 BKA-Beamte, die sich neu einarbeiten müssten, auf die Fälle anzusetzen.

"Wir hätten ja nicht bei Null angefangen und hätten auch die Ermittler vor Ort eingebunden, ich weiß nicht, was Herrn Beckstein da geritten hat. Das ist eher dem Bereich Satire zuzuordnen." Am Ende aber hat das Bundesministerium unter der damaligen Führung von Wolfgang Schäuble (CDU) die Anordnung nicht ausgesprochen - obwohl es laut Falk Gespräche mit dem damaligen Staatssekretär im Bundesinnenministerium August Hanning gegeben habe, in denen er sich "zumindest nicht ablehnend" (Falk) zu der Idee der Anordnung äußerte.

"Der damalige Bundesinnenminister ist vor den Bayern eingeknickt", resümiert die SPD-Obfrau Eva Högl. Auch der Ausschuss-Vorsitzende Sebastian Edathy (SPD) kündigte bereits an, dass man sich mit der Frage beschäftigen werde, warum das Bundesinnenministerium nicht anordnete, die Kompetenzen dem BKA zu übertragen. Ein Jahr später, 2007, so belegen es laut dem Ausschuss auch Unterlagen, sei das BKA dann wieder von der Idee abgerückt, die Ermittlungen an sich zu ziehen. "Das ist ein unglaubliches hin und her", fasste CDU-Obmann Clemens Binninger zusammen.

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