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Der Traum der Piraten vom Einzug in den Bundestag könnte platzen, sagen Meinungsforscher.

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Update

Urteil der Meinungsforscher: Den Piraten droht der Bedeutungsverlust

Johannes Ponader, der Politische Geschäftsführer der Piratenpartei, fordert mehr Kampagnenfähigkeit. Und gleichzeitig sehen mehrere Meinungsforscher die Partei ein Jahr vor der Bundestagswahl im Abwärtstrend - denn eine wichtige Wählergruppe verabschiedet sich gerade.

Angesichts sinkender Umfragezahlen hat der Politische Geschäftsführer der Piratenpartei, Johannes Ponader, von seiner Partei mehr Kampagnenfähigkeit gefordert. „Wir schaffen es derzeit nicht, uns für einen bestimmten Zeitraum auf ein bestimmtes Politikfeld zu konzentrieren. Wir können uns gut Kampagnen anschließen, die aus der Zivilgesellschaft kommen, da sind wir sehr gut und dienen auch als Verstärker. Aber wir stoßen selbst zu selten Kampagnen an“, sagte er dem Tagesspiegel. Er warnte seine Partei vor einem Verlust der Authentizität. "Die Menschen erwarten, dass wir Transparenz in die Politik bringen, dass wir Macht abgeben, Herrschaftswissen loslassen und aufrichtige Politik machen. Und wenn wir das nicht mehr vermitteln, ist das für uns gefährlich."
Nach ihrem Erfolg bei zuletzt vier Landtagswahlen ist die Piratenpartei in Umfragen abgerutscht und rangiert nur noch bei rund sechs Prozent. Führende Meinungsforscher kommen zu dem Ergebnis, dass den Piraten gut ein Jahr vor der Bundestagswahl der Bedeutungsverlust droht. Eine genaue Prognose für die Bundestagswahl lasse sich zwar noch nicht erstellen, aber „wir verzeichnen derzeit einen deutlichen Rückgang für die Piratenpartei in unseren Umfragen“, sagte der Leiter der Forschungsgruppe Wahlen, Matthias Jung. Der Erfolg der Piraten basierte Jung zufolge vor allem auf Protest und dem Charakter des Neuen. „Die Protestwähler verabschieden sich aber gerade von der Piratenpartei, weil sie mit der Programmatik und der Kultur der Partei eigentlich gar nichts anfangen können.“ Es gebe eine „Entfremdung“ zwischen den Protestwählern und der Piratenkultur. Für die Piraten komme erschwerend hinzu, dass die Bereitschaft beim Wähler, bei der Bundestagswahl eine Proteststimme abzugeben viel kleiner sei als bei Landtagswahlen.

In Bildern: Wie die Piraten 2011 ins Berliner Abgeordnetenhaus einzogen

Auch andere Meinungsforscher stellen den Piraten ein schlechtes Zeugnis aus. „Die Piraten befinden sich auf dem absteigenden Ast“, sagte Klaus-Peter Schöppner von Emnid. Die Partei habe jene enttäuscht, die sich eine Stärkung der Basisdemokratie erhofft hatten. „Derzeit hat die FDP größere Chancen in den Bundestag einzuziehen als die Piraten.“ Jung und Schöppner schätzen den Kern der Piratenwählerschaft auf etwa drei Prozent. "Um über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen, ist ein entsprechender Anteil an Protestwählern notwendig, die mit der programmatischen Substanz der Piraten eigentlich eher wenig anfangen können", sagte Jung. Manfred Güllner von Forsa sieht noch gar keinen festen Kern der Wählerschaft. Für den starken Rückgang der Umfragewerte machen die Meinungsforscher auch das Spitzenpersonal der Piraten verantwortlich. „Die Kluft zwischen den Sympathisanten der Piratenpartei und ihren teils exotischen Protagonisten ist sehr groß“, sagte Güllner.

Und Schöppner merkte an: "Die Protagonisten der Piraten treten jetzt stärker in Erscheinung und da wird klar, dass sie nur Moderatoren einer diffusen Netzgemeinde. Sie selbst sind nur beschränkt handlungsfähig und nicht in der Lage, Verantwortung zu übernehmen." Auch die vielen Streitigkeiten innerhalb der Partei würden den Piraten schaden. "Die Piraten verlieren auch an Zustimmung, weil sie vor allem mit Streitigkeiten auffallen, keine homogene Gemeinschaft darstellen und das mögen viele Wähler nicht, wenn sich Parteien nur mit sich selbst beschäftigen. Gleichzeitig liefern sie zu den wichtigsten Fragen der Zeit wie Finanzkrise, Alterssicherung, Gesundheitspolitik keine Antworten", sagte Schöppner.

Insbesondere Ponader stand zuletzt in der Kritik wegen seines Streits mit der Bundesagentur für Arbeit. Diese warf ihm vor, zu viel Zeit in das Partei-Ehrenamt zu stecken und sich so auf Kosten des Steuerzahlers selbst zu verwirklichen. Der Piraten-Geschäftsführer verzichtete dann auf Hartz IV, woraufhin eine Spendenaktion für ihn ins Leben gerufen wurde. Ponader hat nun persönliche Versäumnisse zugegeben. „Es war ein Fehler, dass ich die Spendenaktion, die für mich ins Leben gerufen wurde, mit dem Thema Grundeinkommen verbunden habe“, sagte er. Auch habe er sich viel zu wenig in der Partei rückversichert und zu viele Alleingänge gewagt. In der politischen Kommunikation habe er ebenfalls Fehler gemacht. „Ich wollte mir nie mein Ehrenamt vom Jobcenter finanzieren lassen.“ Er habe immer seine Erwerbstätigkeit in erster Linie verfolgt und alles getan, um an Aufträge zu kommen. Für ihn gelte: „Erst der Job, dann das politische Amt.“

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Piraten im Berliner Abgeordnetenhaus, Martin Delius, sieht - wie viele andere Piraten auch - den Umfragerückgang relativ gelassen. Aber er sagt auch: "Mit unserem Erfolg sind auch die Ansprüche gestiegen an unsere Mandatsträger und Vorstandsmitglieder - von innen und von außen. Und damit müssen wir lernen umzugehen, was ein schmerzhafter aber auch notwendiger Prozess ist." Die Piratenpartei sei keine fertige Partei. "Wir entwickeln uns weiter und bis zur Bundestagswahl ist es wichtig, dass wir uns inhaltlich profilieren. Aber auch Personen, die bisher nicht so wichtig waren, werden eine andere Rolle spielen. Das Auftreten wird sehr genau beobachtet."

Das gesamte Interview mit Johannes Ponader können Sie in unserem ePaper ab 19:30 Uhr in unserer iPhone- und iPad-App lesen oder in unserer gedruckten Samstagausgabe.

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