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Die geheime Tür der Sidi Dschahia Moschee. Seit dem 19. September ist sie wieder an ihrem Platz.

© Joe Penney/Reuters

Urteil des Internationalen Strafgerichtshofs: Neun Jahre Haft für die Zerstörung

Der Islamist Ahmad al Mahdi hat neun Grabmale und eine Moschee in Timbuktu niederreißen lassen. Nach einem Geständnis vor dem Strafgerichtshof in Den Haag geht der Prozess in Rekordzeit zu Ende.

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat erstmals einen Täter wegen der Zerstörung von Kulturgütern verurteilt. Der Gerichtshof bestrafte den malischen Islamisten Ahmad al Mahdi mit einer Haftstrafe von neun Jahren, weil er 2012 die Zerstörung von neun Mausoleen und einer Moschee in Timbuktu befehligt hatte. Al Mahdi hatte seine Taten gestanden, weshalb er nach Abzug seiner Untersuchungshaft 2024 damit rechnen kann, wieder frei zu kommen.

Al Mahdi war ursprünglich gegen die Zerstörung

Der Vorsitzende Richter Raul Pangalangan und seine Beisitzer Antoine Kesia Mbe Mindua sowie der Deutsche Bertram Schmitt bewerteten die Zerstörung der Grabmale als Kriegsverbrechen. Doch weil al Mahdi bereits direkt nach seiner Überstellung nach Den Haag – er war im Sommer 2016 in Niger verhaftet worden – mit der Chefanklägerin Fatou Bensouda kooperierte und umfassend aussagte, fiel die Strafe im Vergleich zum möglichen Strafmaß von 30 Jahren Haft relativ milde aus. Der Prozess im August 2016 dauerte lediglich drei Tage. Am Ende sagte al Mahdi: „Ich möchte allen Muslimen der Welt einen Rat geben: Lasst Euch nicht in Taten verwickeln, wie die, an denen ich beteiligt war. Sie führen zu nichts Gutem für die Menschheit“. Pangalangan zitierte diese Passage in seiner Urteilsbegründung, weil sie „echte Reue“ zeige.

Nachdem die islamistische Tuareg-Miliz Ansar Dine, der al Mahdi angehörte, und die Terrorgruppe Al Qaida im Magreb (Aqim) Timbuktu 2012 besetzt hatten, führten sie einen strikte Auslegung des Islam ein. Al Mahdi wurde im April 2012 Chef der Hisbah, der Religionspolizei. Er blieb es bis September 2012. Wenige Monate später vertrieben französische Truppen die Islamisten aus der Stadt. Am 30. Juni 2012 begann die Zerstörung der Grabmale in Timbuktu. Al Mahdi, der als Religionsgelehrter galt, hatte zunächst davon abgeraten, die Heiligtümer zu zerstören. Es sei zwar verboten, dort zu beten, und Grabmale seien im Islam generell verboten, argumentierte er, aber um die Beziehungen zu den Bewohnern Timbuktus nicht zu zerstören, sollte man die Verwüstung unterlassen. Die Führungsfiguren bei Ansar Dine und Aqim entschieden sich aber anders – und übertrugen die Aufgabe al Mahdi.

Zerstörte Stätten werden wieder aufgebaut

Der Hisbah-Chef organisierte den systematischen Abriss von neun Mausoleen auf zwei Friedhöfen der Stadt. Bei fünf Zerstörungsakten legte er selbst Hand an. Außerdem gab er Interviews während der Zerstörungen. Bis auf einen Fall vermied er aber, schweres Gerät einzusetzen. Dass al Mahdi den Einsatz von Bulldozern auf den Friedhöfen vermieden hatte, führte im Urteil denn auch zu einem Strafabzug. Im Fall der geheimen Tür der Sidi Dschahia Moschee ordnete al Mahdi dann aber doch an, sie mit einem Bulldozer einzureißen. Wenige Tage vor dem Urteil, am 19. September, wurde die restaurierte Tür eingeweiht. Seit 2013 sind 100 lokale Handwerker mit Hilfe der Weltkulturbehörde Unesco damit beschäftigt, die Welterbestätten wieder aufzubauen.

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Schon im Prozess hatte die Chefanklägerin Bensouda das Verfahren als historisch bezeichnet, weil es sich gegen die „zerstörerische Wut unserer Zeit“ richte. Die Zerstörung von Kulturgütern „hat das Ziel, alle Zeichen einer Welt auszuradieren, die sich von der Welt der Täter unterscheidet“, stellte sie fest.

Amnesty fordert Verfolgung anderer Straftaten

Menschenrechtsorganisationen lobten das Urteil. Allerdings kritisierte Erica Bussey von Amnesty International, dass andere Kriegsverbrechen während der Besetzung Timbuktus bisher nicht weiter verfolgt worden seien. Sie forderte den IStGH auf, auch die Vergewaltigungen, Morde und Folter in Mali rechtlich zu verfolgen und es nicht bei diesem Urteil zu belassen. Zumal die malischen Behörden nach der Überstellung des Falles an das Den Haager Gericht keinerlei Anstrengungen mehr unternommen haben, die Verbrechen von 2012 aufzuklären.

Der Angeklagte Ahmad al Mahdi (mitte) bereut, die Grabmale in Timbuktu zerstört zu haben. Er gab seine Taten zu.
Der Angeklagte Ahmad al Mahdi (mitte) bereut, die Grabmale in Timbuktu zerstört zu haben. Er gab seine Taten zu.

© Bas Czerwinski/dpa

Das Urteil fällt in eine Zeit, in der Mali keineswegs über den Berg ist. Es gibt zwar seit einem Jahr einen Friedensvertrag zwischen der Regierung von Ibrahim Boubakar Keita und den Tuareg im Norden des Landes. Doch die Sicherheitslage im Land bleibt prekär. Die International Crisis Group beschreibt den Zustand Malis als den eines „Staatsverlustes“. Banditerie und Anschläge gebe es im ganzen Land. Der UN-Friedenstruppe Minusma und den malischen Sicherheitsbehörden gelinge es nicht, auf diesem Feld die Staatlichkeit Malis wieder herzustellen. Das Institute for Security Studies (ISS) in Südafrika kommt in einer aktuellen Studie zur Radikalisierung von Malis Jugend zu ähnlichen Schlüssen. Der Hauptgrund, warum sich junge Männer den bewaffneten Islamisten anschlossen, ist demnach die Angst um ihre Familien, die sie schützen wollen.

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