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Die Erwartungen an Barack Obama waren im Nahen Osten besonders groß - seine Bilanz in der Region ist zwiespältig.

© Michael Reynolds/dpa

US-Präsidentschaftswahlen: Obamas Nahost-Bilanz

Syrien, Irak, Israel, Iran – Barack Obamas politische Hinterlassenschaft in Nahost fällt zwiespältig aus.

Es waren Tage der Hoffnung und der Zuversicht. „Einen neuen Anfang“ versprach Barack Obama in seiner Grundsatzrede von Kairo im Juni 2009, in der er einen frischen Zugang zur amerikanischen Nahost-Politik ankündigte. Sieben Jahre später hat er zwar einige Erfolge aufzuweisen. Doch insgesamt blicken die USA am Ende von Obamas Präsidentschaft auf eine Region, in der sich das Chaos ausbreitet und in der Amerika nicht mehr das Maß aller Dinge ist.

Bei seinem Amtsantritt musste Obama in Nahost eine Situation übernehmen, in der sein Vorgänger George Bush viel Porzellan zerschlagen hatte. Der Krieg im Irak und der Versuch der Neo-Konservativen in Washington, in der Region eine Wende zur westlichen Demokratie zu erzwingen, hatten das amerikanische Ansehen in der Region stark beschädigt.

Obama habe damals ein „dysfunktionales Staatensystem“ vorgefunden, sagt der Journalist Hisham Melhem vom Sender Al Arabiya. Dennoch dürfte die Geschichte über den 44. Präsidenten ein harsches Urteil fällen, schrieb Melhem in einer Analyse.

Startet Obama in den kommenden Monaten noch eine Nahost-Initiative?

Die persönliche Abneigung zwischen ihm und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu ist Legende. In Washington kursiert das Gerücht, Obama könnte bis zu seinem Ausscheiden aus dem Amt am 20. Januar noch eine Nahost-Initiative starten, um Netanjahu zu ärgern. Amerikas Beziehungen zu seinen Verbündeten in der Türkei sowie zu Saudi-Arabien und den anderen Golf-Staaten haben ebenfalls gelitten.

Teilweise liege das an Obamas Persönlichkeit, sagen Kritiker. Der Präsident ist ein Kopfmensch, der Krieg und Gewalt für überholt hält und der Machtspielchen um Einfluss in Nahost ablehnt. So habe Obama den Wunsch der Herrscher am Golf nach einem „warmen Verhältnis“ zum US-Präsidenten enttäuscht, sagte der Nahost-Experte Perry Cammack der Nachrichtenagentur Bloomberg. Stattdessen empfahl er den Saudis kühl, sie sollten sich mit ihren Erzfeinden, den Iranern, vertragen.

Schon 2009 erhielt Obama den Friedensnobelpreis für seine "Bemühungen für die Zusammenarbeit zwischen den Völkern"

Inzwischen ist eine ganze Weltregion in Aufruhr, während sich die USA immer weiter zurückziehen. Vor harten Entscheidungen wie den angedrohten Bombardements in Syrien nach dem Giftgaseinsatz durch das dortige Regime vor drei Jahren schreckte Obama zurück. Die USA sollten nicht versuchen, den Nahen Osten und Nordafrika zu beherrschen, sagte er dem Magazin „The Atlantic“. Viele in der Region legten ihm dieses Prinzip als Schwäche aus.

Es ist kein Zufall, dass Obamas bevorzugtes militärisches Instrument die Kampfdrohne ist. Damit können einzelne Gegner ausgeschaltet werden, ohne dass amerikanische Soldaten gefährdet werden – und ohne dass Amerika in Nahost neue Verpflichtungen eingeht.

Militärisch setzt Obama lieber Technik als Soldaten ein

Mit Drohnen und Kampfjets beschränkt Obama sich auf die Bekämpfung des „Islamischen Staates“ (IS) in Libyen, Syrien und im Irak. Beobachter wie Tom Farer von der Universität Denver im US-Bundesstaat Colorado argumentieren, es sei ein schwerer Fehler von Obama gewesen, den von Bush angekündigten Truppenrückzug aus dem Irak ohne Rücksicht auf die Entwicklungen dort durchzuziehen. Hätte Obama den Verbleib von 20.000 US-Soldaten im Irak angeordnet, gäbe es heute keinen IS, argumentierte Farer kürzlich bei einer Diskussionsveranstaltung.

In Syrien ist überdeutlich, dass der Rückzug der Amerikaner konkrete Folgen hat, die das Machtgefüge in Nahost auf lange Zeit verändern werden. So sei es Russland erlaubt worden, mit dem Kriegseintritt auf der Seite von Präsident Baschar al Assad zu einem entscheidenden Akteur in Syrien zu werden, sagt der Politologe Andrew Peek von der Universität Pepperdine in Kalifornien. „Das gab’s noch nie“, sagte Peek dem Tagesspiegel.

Peek bemängelt unter anderem, dass Obama in Syrien trotz der Verletzung seiner eigenen „roten Linie“ durch den Giftgaseinsatz der Regierungsseite vor drei Jahren nicht militärisch zugeschlagen habe. „Eine Großmacht sollte tun, was sie sagt.“ Joshua Landis von der Universität Oklahoma sieht eine „neue Sicherheitsstruktur“ unter dem Kommando von Russland und des Iran in Nahost – während die USA aus der Region herausgedrängt werden.

Nicht alle Expertenurteile fallen so vernichtend aus. Obama halte die Lage in Syrien tatsächlich für derzeit kaum lösbar, meint Michael O’Hanlon von der Denkfabrik Brookings Institution in Washington. Der Präsident versuche, in der schwierigen Situation die Risiken für die USA zu minimieren, sagte O’Hanlon.

Obama (2. von links) mit seinem Stab (ganz rechts Joe Biden, 2. von rechts Hillary Clinton)
Obama (2. von links) mit seinem Stab (ganz rechts Joe Biden, 2. von rechts Hillary Clinton)

© White House/Pete Souza/dpa

Doch selbst die größten Erfolge Obamas wecken bei Kritikern ernste Zweifel daran, ob der Präsident und Friedensnobelpreisträger damit auf Dauer tatsächlich Gutes bewirkt hat. Vor fünf Jahren tötete ein US-Spezialkommando auf Befehl Obamas den Al-Qaida-Chef Osama bin Laden – dass die Welt dadurch sicherer geworden ist, kann Obama angesichts von blutigen Aktionen des IS und seiner Anhänger in Nahost, Europa, Afrika und Asien nicht unbedingt behaupten.

Auch die Atom-Vereinbarung mit dem Iran, die das Mullah-Regime an der Entwicklung von Nuklearwaffen hindern soll, gilt nicht allgemein als Pluspunkt für Obama. Israel und die Golf-Staaten beklagen, der Iran sei durch den Atomdeal aufgewertet worden und gehe mit neuem Eifer an seinen Plan, eine schiitische Hegemonie vom Persischen Golf bis zur Mittelmeerküste zu schaffen. Die Aufbruchstimmung von Kairo ist am Ende von Obamas Zeit im Weißen Haus tiefer Skepsis und Enttäuschung gewichen.

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