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Update

Libyen: Briten stoppten Tornado-Angriff

Die USA, Frankreich und Großbritannien haben eine neue Welle von Luftangriffen auf Libyen gestartet. Die Briten brachen aber einen Angriff mit Rücksicht auf Zivilisten ab.

Die Westmächte haben bei ihrem Militäreinsatz gegen Libyen nach Darstellung der Regierung in Tripolis auch einen Komplex mit Privaträumen von Staatschef Muammar Gaddafi angegriffen. "Das war ein barbarischer Angriff", sagte Regierungssprecher Mussa Ibrahim und zeigte Splitter, die nach seinen Angaben von einer Rakete stammten. Westliche Journalisten wurden zwei Stunden nach dem Angriff über das Gelände geführt, auf dem auch Kasernen und Luftabwehrbatterien untergebracht sind.

Das getroffene Gebäude liegt rund 50 Meter von dem Zelt entfernt, in dem Gaddafi häufig seine offiziellen Besucher empfängt. Nach Angaben eines Vertreters der internationalen Einsatzkräfte war dort ein militärisches "Kommando- und Kontrollzentrum" der libyschen Truppen beherbergt. Aus diesem Grund sei das Gebäude auch zerstört worden. Das Verteidigungsministerium in Washington erklärte zudem, Gaddafi selbst sei nicht Ziel der Angriffe.

In der zweiten Nacht des Militäreinsatzes hat Großbritannien eine Operation mit Rücksicht auf Zivilisten kurzfristig abgebrochen. Ein geplanter Tornado-Einsatz sei gestoppt worden, teilte das britische Verteidigungsministerium in der Nacht zum Montag mit. Es habe sich herausgestellt, dass an dem angepeilten Ziel Zivilisten gewesen seien. Von einem britischen U-Boot aus allerdings seien Geschosse gegen die Luft-Verteidigung von Gaddafi abgefeuert worden.

Die alliierten Streitkräfte hatten in der Nacht zum Montag die zweite Welle von Luftangriffen auf das nordafrikanische Land gestartet. Die Verbündeten hatten am Samstag mit massiven Luftangriffen auf Libyen begonnen. Sie unterstützen damit erstmals einen Aufstand in der arabischen Welt.

Die erste Angriffswelle auf Libyen zur Durchsetzung einer Flugverbotszone war nach Angaben des US-Generalstabschef Mike Mullen erfolgreich. Es sei gelungen, den größten Teil der libyschen Flugabwehr auszuschalten. Auch viele Start- und Landebahnen seien zerstört worden, sagte Mullen dem TV-Sender CNN am Sonntag. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass sich noch libysche Flugzeuge in der Luft befänden. Damit sei die Flugverbotszone faktisch durchgesetzt. Auf Grundlage einer UN-Resolution bombardierten die Streitkräfte Frankreichs, Großbritanniens und der USA am Wochenende Dutzende Ziele in dem nordafrikanischen Land.

Berichte über zivile Opfer lägen ihm bisher nicht vor, sagte Mullen dem Sender NBC. Ziel der multinationalen Operation sei, dass Gaddafis Truppen in ihre Kasernen zurückkehrten – nicht der Sturz des libyschen Machthabers. Dann könne der notleidenden Zivilgesellschaft geholfen werden. Libysche Behörden sprachen von insgesamt 64 Toten nach den Luftangriffen. Eine Überprüfung der Angaben ist nicht möglich. Parlamentspräsident Mohammed Swei verurteilte die Angriffe als „barbarische Aggression“. Sie seien erfolgt, obwohl die Regierung einen Waffenstillstand ausgerufen habe. Gaddafi drohte in einem Telefonat mit dem Staatsfernsehen mit Vergeltungsangriffen und einem „Schlachtfeld im Mittelmeer“ und drohte mit einem "langen Krieg". Seine Truppen setzten zunächst ihre Angriffe auf Misrata fort. Später rief die libysche Führung einen erneuten Waffenstillstand aus. Die Waffenruhe gelte ab 20.00 Uhr (MEZ), sagte ein Armeesprecher. Die USA reagierten skeptisch. Die libysche Regierung hatte schon zuvor einen Waffenstillstand ausgerufen. Westliche Nationen warfen jedoch Gaddafi vor, diesen Waffenstillstand zu brechen, was die Regierung in Tripolis von sich wies.

Auch US-Vertreter Gortney zweifelte am Sonntag die neuen Erklärungen an. In der von Rebellen beherrschten ostlibyschen Stadt Benghasi waren am Abend Explosionen und Gewehrschüsse zu hören, wie ein Zeuge der Nachrichtenagentur Reuters berichtete. Nach Darstellung der Opposition kamen bei dem Aufstand gegen Gaddafi bislang 8000 ihrer Anhänger ums Leben.

Nachdem seine Panzer auf dem Weg nach Bengasi vonder französischen Luftwaffe zerstört wurden, will Gaddafi nun Tausende seiner Anhänger dort hinmarschieren lassen. Die staatliche Nachrichtenagentur Jana meldete in der Nacht zum Montag, Gaddafi habe sich mit Mitgliedern einesVolkskomitees getroffen, um diesen „grünen Marsch“ nach Bengasi zu organisieren.

Außenminister Guido Westerwelle forderte Gaddafi auf, den Waffenstillstand einzuhalten. „Oberst Gaddafi muss abtreten“, sagte der FDP-Chef und verlangte eine Ausweitung der Sanktionen. Westerwelle verteidigte erneut die Entscheidung, keine Soldaten nach Libyen zu schicken. Es gebe in der internationalen Gemeinschaft durchaus Staaten wie Polen, die dafür Verständnis hätten. Westerwelle sagte seine Teilnahme an den Gremiensitzungen seiner Partei ab, um am Montag in Brüssel an den Libyen-Beratungen der EU teilnehmen zu können.

Die Nato beriet indes über eine Beteiligung des Bündnisses an dem Militäreinsatz. Am Sonntag kamen erneut die ständigen Nato-Botschafter in Brüssel zusammen. Ob sich auch die Nato an dem Einsatz beteiligen wird, ist jedoch weiter unklar. Zwar einigten sich die Vertreter bei einem Treffen am Sonntag auf einen Plan zur Umsetzung eines Waffenembargos. Für eine Beteiligung zur Umsetzung der Flugverbotszone gebe es aber weiteren Gesprächsbedarf, sagte ein Nato-Vertreter. Das Treffen wurde auf Montag vertagt.

Unterdessen forderte die Türkei eine erneute Überprüfung der möglichen Strategie der Nato in Libyen. Wie aus Diplomatenkreisen in Brüssel verlautete, verlangte die türkische Vertretung, mögliche zivile Opfer stärker zu berücksichtigen.

Das Rote Kreuz warnte vor einem Blutbad in Libyen. Die Eskalation der Kämpfe bedrohe vor allem die Zivilbevölkerung. Die Truppen Gaddafis, die Rebellen und die westlichen Mächte müssten Zivilisten unbedingt verschonen, forderte Carla Haddad Mardini, Sprecherin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, gegenüber dem Tagesspiegel. Das Rote Kreuz befürchtet, dass Kämpfe in dicht besiedelten Städten wie Bengasi die Zahl der zivilen Opfer stark erhöhen könnte.

Vor Beginn der westlichen Intervention waren mehr als 300 000 Menschen aus Libyen geflohen. UN-Diplomaten betonten am Sonntag, angesichts der eskalierenden Gewalt werde die Zahl der Flüchtlinge wahrscheinlich stark steigen.

Der Chef der Arabischen Liga, Amr Mussa, kritisierte die internationalen Streitkräfte. Die Luftangriffe dienten nicht dem vereinbarten Ziel, eine Flugverbotszone durchzusetzen, sagte er. „Wir wollen Schutz für die Zivilbevölkerung und keinen Beschuss weiterer Zivilisten.“ Auch Russland und China kritisierten die Bombardierung. (mit rtr)

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