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Breite Solidarität. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch äußerte sich im Januar auf Twitter

© Matthias Meisner

Update

Verdacht des Vortäuschens einer Straftat: Messerattacke offenbar erfunden - linker Jungpolitiker wird angeklagt

Ein Nachwuchspolitiker der Linkspartei hat eine Messerattacke im Januar in Wismar offenbar erfunden. Die Staatsanwaltschaft Schwerin erhebt gegen den 19-jährigen Julian K. nun Anklage.

Von Matthias Meisner

Ein Ex-Politiker der Linkspartei aus Mecklenburg-Vorpommern ist "hinreichend verdächtig", eine Attacke auf seine Person Anfang Januar in Wismar mit 17 Messerstichen erfunden zu haben. Das teilte die Schweriner Staatsanwaltschaft am Donnerstag nach Abschluss der Ermittlungen mit. Sie klagt den 19-jährigen Julian K. wegen des Verdachts der Vortäuschung einer Straftat an. Ihm droht nun eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Nach Angaben der Linken ist K. inzwischen nicht mehr Mitglied der Partei.

Zwar bestreitet der Angeschuldigte nach wie vor den Vorwurf des Vortäuschens einer Straftat und hielt an seiner eigenen Schilderung fest. Und die Ermittler betonen, dass für ihn "auch nach Anklageerhebung der Grundsatz der Unschuldsvermutung gilt". Allerdings ergab die Rekonstruktion des Geschehens nach Angaben der Staatsanwaltschaft "erhebliche Widersprüche zum Inhalt der Strafanzeige". Die rechtsmedizinische Untersuchung habe zudem ergeben, "dass die Art der Verletzungen nicht mit dem behaupteten Verlauf des Überfalls in Übereinstimmung zu bringen sind". Das Verletzungsbild weise vielmehr "alle Merkmale einer Selbstbeibringung" auf, so die Staatsanwaltschaft.

Julian K. hatte bei der Internetwache der Polizei angezeigt, in einem Park am Wismarer Bahnhof von drei Männern angegriffen worden zu sein. Nach seiner Schilderung schlug ihn ein Täter nieder. Eine zweite Person habe ihm mit einem Messer Schnitt- und Stichverletzungen zugefügt und eine dritte Person ihm gegen das Bein getreten. Die Täter hätten ihn als "schwule Kommunistensau" und "dreckige Zecke" beschimpft. Nur aufgrund seiner starken Gegenwehr seien die Angreifer geflüchtet. Die Ermittlungen gegen Unbekannt wegen Körperverletzung zum Nachteil von K. wurden nun eingestellt.

Im Januar hatten sich prominente Linke mit K. solidarisiert

Die angebliche Attacke hatte in der Linkspartei zunächst eine breite Solidarisierungswelle ausgelöst. Sogar von einem "Mordanschlag" gegen den damals 18-jährigen Studenten wurde gesprochen - und Neonazis als Täter vermutet.

Dietmar Bartsch, Chef der Linksfraktion im Bundestag, verurteilte die Tat "auf das Schärfste" und erklärte, dass die Linke in ihrem Kampf gegen Rechtsextremismus nicht nachlassen werde. Zu Zweifeln an der Darstellung von K. versicherte er, er kenne den jungen Mann sehr gut, dieser sei "klug und ehrlich". Parteichefin Katja Kipping betonte: "Der Messerangriff ist abscheulich und auch ein Angriff auf die Demokratie." Nachdem Mitte Januar Zweifel an dem behaupteten Überfall lauter wurden, löschten Kipping, Bartsch und andere Linken-Politiker ihre Einträge zu dem Fall auf Twitter und Facebook.

Die Staatsanwaltschaft Schwerin hatte das Ermittlungsverfahren gegen K. wegen des Verdachts des Vortäuschens einer Straftat im Januar eingeleitet. Zuvor hatte die Rostocker Polizei den Fall bereits als "etwas nebulös" bezeichnet.

Die Linksfraktion im Bundestag erklärte im Januar auf Facebook: "Die Ermittlungen laufen. Wenn sich der Vorwurf der Staatsanwaltschaft als wahr herausstellt, wird sich Julian K. dem Verfahren und dem Urteil zu stellen haben. Der Rechtsstaat gilt selbstverständlich auch für ihn. Häme aber ist fehl am Platz. Dafür gibt es viel zu viele reale Angriffe von Rechtsextremisten und Rassisten auf Flüchtlinge, ihre Unterkünfte, ihre Unterstützerinnen und Unterstützer, politisch Andersdenkende in Kaltland."

Im Januar hatte Linken-Parteisprecherin Sonja Giese davor gewarnt, "vor Abschluss der Ermittlungen voreilige Schlüsse zu ziehen". Am Donnerstag wollte sich niemand aus der Linken-Bundeszentrale zur Anklageerhebung gegen K. äußern. Julian K. trat, wie der NDR unter Berufung auf den Schweriner Linken-Kreischef Peter Brill meldete, im März aus der Partei aus.

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