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Politik: Verharmlosten Richter die NPD? Jurist kritisiert Vorgehen von Karlsruhe

Berlin - Schwere Vorwürfe erhebt der scheidende Präsident des Verfassungsgerichtshofs für Nordrhein-Westfalen, Michael Bertrams, gegen das Bundesverfassungsgericht – und erntet selbst harsche Kritik. Bertrams Äußerungen seien „unfassbar und unverschämt“, sagte der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestages, Siegfried Kauder (CDU), dem Tagesspiegel.

Von Frank Jansen

Berlin - Schwere Vorwürfe erhebt der scheidende Präsident des Verfassungsgerichtshofs für Nordrhein-Westfalen, Michael Bertrams, gegen das Bundesverfassungsgericht – und erntet selbst harsche Kritik. Bertrams Äußerungen seien „unfassbar und unverschämt“, sagte der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestages, Siegfried Kauder (CDU), dem Tagesspiegel. Bertrams hatte in einem Interview des „Kölner Stadt-Anzeigers“ das Bundesverfassungsgericht, das mehrmals Verbote von Neonazi-Demonstrationen aufgehoben hatte, für eine Verharmlosung des Rechtsextremismus mit verantwortlich gemacht. Bertrams ist auch Präsident des Oberverwaltungsgericht in Münster, das Verbote von Aufmärschen bestätigt hatte und eine andere Entscheidung aus Karlsruhe hinnehmen musste. Der Richter, dessen Amtszeit im Januar endet, „sollte noch für die restlichen Tage in die Wüste geschickt werden“, forderte Kauder.

Bertrams hatte gesagt: „Wenn das Bundesverfassungsgericht das öffentliche Agieren einer Partei wie der NPD über viele Jahre immer wieder durchwinkt, dann entsteht sehr schnell der Eindruck, so schlimm kann das mit dieser Partei ja wohl nicht sein, sonst hätte das oberste Gericht des Landes bestimmt anders entschieden.“ Bertrams betonte, dass die Morde der Terrorgruppe NSU „in die Zeit der sehr liberalen – ich möchte am liebsten sagen: libertinären – Karlsruher Rechtsprechung fielen“. Hätte das Bundesverfassungsgericht „die Existenz solcher hochaggressiven Strukturen bis hin zur Mordbereitschaft vor Augen gehabt, wäre die Rechtsprechung sicher anders ausgefallen“. Man habe „den Rechtsextremismus viel zu lange verharmlost und dramatisch unterschätzt“.

Kauder nahm das Bundesverfassungsgericht in Schutz. Dass Neonazis Rechtsmittel in Anspruch nehmen, „muss in einem Rechtsstaat möglich sein“. Kritisiert wurde Bertrams auch von Jörg van Essen, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion und ebenfalls Mitglied des Rechtsausschusses. Er habe „nicht den Eindruck, dass das Bundesverfassungsgericht Neonazis schützt“, sagte van Essen. Außerdem sei es dem Ansehen von Gerichten abträglich, wenn Richter untereinander unterschiedliche Auffassungen hätten und das „öffentlich austragen“. Ein Sprecher des Bundesverfassungsgerichts sagte, Bertrams’ „eigentümliche Rechtsansichten“ seien bekannt und würden nicht kommentiert.Frank Jansen

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