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Der Bundesverkehrswegeplan macht den Verkehr auch nicht klimafreundlicher, kritisieren die Umweltverbände. Denn darin geht es fast nur um Straßen.

© Maxim_Kazmin - Fotolia

Verkehrspolitik: Der Verkehr trägt nicht zum Klimaschutz bei

Im Klimaaktionsprogramm der Umweltministerin spielt der Verkehr eine Hauptrolle. Doch bisher weist der Kohlendioxid-Ausstoß ständig nur noch oben. Wie kann der Verkehr klimafreundlicher werden?

Etwa 20 Prozent der deutschen Treibhausgase entstehen im Verkehr. Daran hat sich seit Jahren nahezu nichts geändert. Die schon 2010 vereinbarten Ziele zur Energieeinsparung im Verkehr bis 2020 sind kaum noch erreichbar. Bis 2020 hätte der Energieeinsatz im Verkehr um zehn Prozent im Vergleich zu 2005 sinken sollen. Tatsächlich ist er von 2005 bis 2014 um 1,7 Prozent gestiegen, von 718 Terawattstunden auf 730 Terawattstunden. Mit dem Klimaaktionsprogramm, das die Bundesregierung Ende 2014 beschlossen hat, ist diese Zielsetzung noch etwas ehrgeiziger gefasst worden. Damit Deutschland sein Klimaziel bis 2020 erreicht, die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken, sollen im Verkehr zusätzliche rund zehn Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) eingespart werden.

Warum sinkt der Treibhausgasaustoß im Personenverkehr kaum?

95 Prozent der Treibhausgasemissionen im Verkehr stammen aus dem Straßenverkehr, berichtet das Umweltbundesamt (UBA). Von 1995 bis 2013 sind die CO2-Emissionen im Autoverkehr um zwei Prozent gesunken. Die sogenannten spezifischen CO2-Emissionen sind dagegen um 12 Prozent gesunken. Das bedeutet, Autos sind heute um zwölf Prozent effizienter, aber der Pkw-Verkehr hat von 1995 bis 2013 um elf Prozent zugenommen. Der Effizienzfortschritt ist also fast komplett durch mehr Autoverkehr wieder „aufgefressen“ worden. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei den anderen Luftschadstoffen. Die Stickoxid-Emissionen sind im gleichen Zeitraum um 56 Prozent gesunken. Wäre nicht gleichzeitig auch mehr gefahren worden, wären es sogar 60 Prozent gewesen. Bei den Rußpartikeln, die vor allem aus Diesel-Motoren entweichen, ist der Ausstoß um 65 Prozent gesunken. Wäre der Pkw-Verkehr nicht gleichzeitig weiter gewachsen, wären es 68 Prozent gewesen.

Solange die gefahrenen Auto-Kilometer nicht auch sinken oder die Autos emissionsfrei angetrieben werden, ist weder beim CO2 noch bei den klassischen Luftschadstoffen Besserung in Sicht. Dabei geht die Weltgesundheitsorganisation (WHO) von zehntausenden vorzeitigen Toten durch Luftschadstoffe aus. Feinstaub und Stickstoff-Dioxid sowie Ozon greifen die Lungen an. Ein Großteil dieser Luftschadstoffe entsteht im Straßenverkehr.

Der Einsatz von Agrokraftstoffen hat übrigens am Gesamtbild wenig geändert. 2013 lag der Anteil der sogenannten Biokraftstoffe – also Rapsdiesel oder Ethanol aus Mais, Soja oder Zuckerrohr – bei rund fünf Prozent oder 32 Terawattstunden. Der Einsatz von Biokraftstoffen ist umstritten. E10 wird von vielen Autofahrern nach wie vor abgelehnt. Manche haben Sorge, die zehn Prozent Bioethanol-Anteil könnten dem Motor schaden, andere fürchten die Umweltauswirkungen durch die Flächenkonkurrenz mit Nahrungsmitteln. Außerdem ist die Klimabilanz der Agrokraftstoffe umstritten. Dass bis 2050 auch der Verkehr vom Kohlendioxid befreit werden muss, ist zwar unumstritten. Doch welchen Anteil daran der umstrittene Biokraftstoff haben soll, liegt je nach Auftraggeber der entsprechenden Studien zwischen einem kompletten Verzicht darauf bis hin zu 180 Terawattstunden. Bei der Minderung der Luftschadstoffe hilft der Einsatz von Agrokraftstoffen ohnehin wenig, weil sie dem Benzin oder Diesel beigemischt werden.

Wie reagiert die Autoindustrie?

In der deutschen Autoindustrie ist der Klimaschutz bisher noch nicht angekommen. Auch wegen der aktuell niedrigen Ölpreise und des daraus folgenden niedrigen Treibstoffpreises verkaufen sich große Spritfresser wie SUVs gerade wieder prächtig. Die Beratungsfirma PWC rechnet noch mindestens bis 2018 mit weiter wachsenden Zulassungszahlen für SUVs. Demnach wurden 2013 noch 39 SUV- und Geländewagen-Modelle in Europa produziert. Doch bis 2018 werde sich diese Zahl auf 68 erhöhen, schreibt PWC.

Im Übrigen setzt die deutsche Autoindustrie unverdrossen auf den Dieselmotor. Trotz Dieselgate von VW gibt es wenig Anzeichen, dass die deutschen Autobauer nun auf emissionsfreie Fahrzeuge setzen könnten. Fast die Hälfte des in Deutschland verbrauchten Kraftstoffs war 2012 Diesel, knapp 30 Prozent Benzin und lediglich 1,4 Prozent Erd- und Flüssiggas. Große Zulieferer und die Autokonzerne selbst haben in den vergangenen zehn Jahren in zweistelliger Milliardenhöhe in die Weiterentwicklung von Dieselmotoren investiert. Die Investitionen in die Elektromobilität – seien das Batterie-, Hybrid- oder Brennstoffzellenautos – liegen deutlich darunter.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) wirft der Autoindustrie vor, den Klimaschutz vor allem mit vollem Lobbyeinsatz gegen schärfere CO2-Grenzwerte auf EU-Ebene und durch Tricksereien auszuhebeln. In einer umfangreichen Studie über den in den Verkaufsprospekten angegebenen Kraftstoffverbrauch und dem real auf der Straße erfahrenen Verbrauch der europäischen Nicht-Regierungsorganisation ICCT haben die Umweltschützer ermittelt, dass die Differenz immer weiter steigt. Vor zehn Jahren lag die Differenz zwischen den Verbraucherangaben und dem realen Verbrauch bei acht Prozent, inzwischen ist sie nach DUH-Angaben auf durchschnittlich 42 Prozent gestiegen.

Im Auftrag des BUND und des Verkehrsclubs VCD hat Professor Eckard Helmers von der Hochschule Trier die Modellentwicklung der deutschen Autobauer untersucht. Mit dem Ergebnis, dass die Fahrzeuge statt leichter und verbrauchsärmer immer schwerer und stärker motorisiert worden sind, mit der Folge, dass der CO2-Ausstoß trotz höherer Effizienz nicht sinkt. Der amerikanische Effizienzpapst Amory Lovins hat beim Energiewendekongress des Auswärtigen Amtes vor zwei Wochen dagegen leidenschaftlich dafür geworben, Autos leichter zu machen und kleinere Motoren einzubauen, um Elektroautos mit den bisher geliebten „Renn-Reise-Limousinen“ konkurrenzfähig zu machen. Den Begriff hat der Berliner Verkehrsforscher Weert Canzler geprägt, der am Wissenschaftszentrum Berlin der Frage nachgeht, wie ein klimafreundlicher Verkehr aussehen könnte.

Welchen Beitrag liefern Elektroautos?

Bisher leisten Elektroautos keinen messbaren Klimabeitrag. Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen liegt der Anteil erneuerbarer Energien bei der Stromerzeugung aktuell bei rund 30 Prozent. Das bedeutet: Elektroautos fahren zu 70 Prozent mit Kohlestrom. Es sei denn, sie werden direkt an die Haussolaranlage angeschlossen. Zum anderen gibt es auf deutschen Straßen gerade mal rund 20 000 E-Autos. 2014 sind 8422 E-Autos neu zugelassen worden. 2013 waren es 6051. Zum Vergleich: 2015 lag die Zahl der Neuzulassungen bei rund 3,2 Millionen Autos. Insgesamt fahren auf Deutschlands Straßen mehr als 44 Millionen Autos herum.

Die Bundeskanzlerin hatte 2010 das Ziel ausgegeben, bis 2020 rund eine Million Elektroautos auf die Straßen zu bringen. Dass das im gegebenen Förderrahmen eher unwahrscheinlich ist, ist im Kabinett inzwischen Konsens. Was dagegen unternommen werden soll, ist aber weiter umstritten. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat zwar seinen Widerstand gegen Kaufprämien für E-Autos inzwischen aufgegeben. Aber einen 5000-Euro-Zuschuss aus Steuermitteln will er auf keinen Fall mitmachen. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat vorgeschlagen, das Geld für einen solchen Zuschuss über einmalige Abgaben beim Kauf eines Autos einzusammeln. Für Autos, die weniger als 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen, wäre demnach eine Gebühr von 50 Euro fällig, für einen Wagen mit 200 Gramm CO2 pro Kilometer wären es dann 1000 Euro. Auch eine Erhöhung der Dieselsteuer könnte die Einnahmen für die Kaufprämie erwirtschaften, findet Hendricks. Aktuell müssen Autofahrer für Dieselkraftstoff deutlich weniger Mineralölsteuer bezahlen als für Benzin, obwohl insbesondere der Feinstaub- und der Stickoxid-Ausstoß deutlich höher sind.

Bisher gibt es keine Einigung im Kabinett. Während Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sich für eine Kaufprämie einsetzen, hat nicht nur Schäuble Bedenken. Denn diese Prämie wäre eine indirekte Subvention für die Autoindustrie und eine ziemlich direkte Subvention in Firmenflotten. Denn zwei Drittel der neu zugelassenen Autos in Deutschland sind Firmen- oder Dienstwagen.

Wie sieht es im Güterverkehr aus?

Der Güterverkehr wächst noch schneller als der Personenverkehr. Daran hat auch die seit 2005 eingeführte Lkw-Maut nichts geändert. Die absoluten CO2-Emissionen im Lkw-Verkehr sind nach UBA- Angaben von 1995 bis 2013 von 34,2 auf 38,7 Millionen Tonnen gestiegen. Das sind 13 Prozent. Der Güterverkehr auf der Straße hat im gleichen Zeitraum um 31 Prozent zugenommen. Die Prognosen gehen alle von einem weiter wachsenden Straßengüterverkehr aus. Das UBA fordert deshalb eine Einbeziehung aller Fahrzeuge von 3,5 Tonnen an in die Lkw- Maut. Bisher müssen nur Lastwagen von 7,5 Tonnen an die kilometerbedingte und schadstoffbezogene Maut bezahlen. Außerdem schlägt das UBA vor, alle Straßen mautpflichtig zu machen. Bisher sind es nur Autobahnen und ein Teil der Bundesstraßen. Im Kabinett gibt es dafür bisher keine Mehrheit.

Was ist mit dem Flug- und Schiffsverkehr?

Auch im Pariser Klimaabkommen fehlen die Emissionen aus dem Flug- und dem Schiffsverkehr. Das ist klimapolitisch die wohl härteste Nuss. Denn nach wie vor sehen die meisten Regierungen im stetig wachsenden Flugverkehr und dem ebenso wachsenden Schiffsgüterverkehr die Grundlage für ihr Wirtschaftswachstum. In den UN-Gremien, die sich mit Fragen des Flugverkehrs und dem Seerecht befassen, steht das Thema Emissionsminderung im Flug- und Schiffsverkehr allerdings seit einigen Jahren auf der Tagesordnung. Schnelle Einigungen sind allerdings nicht wahrscheinlich. Der Versuch der Europäischen Union, im Flugverkehr Fakten zu schaffen, indem er in den Emissionshandel einbezogen wird, ist gescheitert. China und die USA vor allem verweigerten den Kauf von CO2-Rechten für die Nutzung der europäischen Luftwege und Flughäfen.

Ist der Bundesverkehrswegeplan ein Beitrag zum Klimaschutz?

Der vom Verkehrsministerium vorgelegte Plan sieht Investitionen von 13 Milliarden Euro in die Verkehrsinfrastruktur vor, davon 7,4 Milliarden in den Erhalt und Neubau von Straßen. Bisher haben mehr Straßen allerdings immer nur mehr Verkehr mit sich gebracht. Die Widerlegung dieser These steht noch aus. Die Umweltverbände kritisieren, dass dem Bundesverkehrswegeplan jegliches umweltpolitische Konzept fehle. Sie verlangen, die öffentliche Anhörung zunächst zu stoppen, bis er klimafreundlich überarbeitet ist.

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