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Auf Band. Überwachungen sind in bestimmten Fällen weiterhin erlaubt.

© dpa

Videoüberwachung in Firmen: Koalition will offene Kontrollen legalisieren

Zwei Jahre lang konnte sich die Koalition nicht einigen. Nun hat sie einen Gesetzesentwurf eingebracht, der die heimliche Überwachung von Angestellten verbieten, aber offene Kontrollen ausweiten soll. Das Vorhaben stößt auf massive Kritik von vielen Seiten.

Von Katrin Schulze

Dürfen Chefs das? Ihre Mitarbeiter ausspionieren, deren E-Mails lesen und über soziale Netzwerke Informationen einholen? Seit fast zwei Jahren schon versucht die schwarz-gelbe Koalition, diese Fragen gesetzlich zu regeln. Nun hat sie sich geeinigt – und stößt damit auf heftigen Widerstand von allen Seiten. Arbeitgeber sehen sich übergangen, bei der Opposition ist von einer „Mogelpackung“ die Rede und in Gewerkschaftskreisen sogar von einem „Anschlag auf die Arbeitnehmerrechte“. Ein wenig Kritik hatten die Beteiligten ja erwartet, so viel Aufregung haben sie aber offenbar wirklich nicht einkalkuliert.

Am Wochenende war bekannt geworden, dass Union und FDP die heimliche Videoüberwachung von Angestellten verbieten möchten. Gleichzeitung soll die offene Überwachung aber legalisiert und sogar ausgeweitet werden. Und genau da beginnt für viele das Problem. „Dieses Gesetz macht eine offene 24-Stunden-Bewachung möglich und stellt Arbeitnehmer unter einen Generalverdacht“, sagte Michael Hartmann dem Tagesspiegel. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion fordert, den Entwurf noch einmal gründlich zu beraten und zu überarbeiten.

Anstoß zum neuen Gesetz hatten Bespitzelungsskandale bei Lebensmitteldiscountern, der Bahn und der Telekom gegeben. Künftig soll die Überwachung von Angestellten nur noch in bestimmten Fällen, etwa bei der Qualitätssicherung, bei der Zugangskontrolle oder zur Sicherung von Anlagen, erlaubt sein. Allerdings nur, wenn dies zuvor bekannt gemacht wird. Die Kontrolle müsse „erforderlich“ und „verhältnismäßig“ sein, sagt Michael Frieser (CSU). Der zuständige Experte der Unionsfraktion sagte dem Tagesspiegel, dies sei das „detaillierteste Arbeitnehmerschutzgesetz, das es jemals gab“. Schließlich stelle die Neuregelung sicher, dass der Arbeitnehmer keine Angst vor Bespitzelung haben muss.

Im Gegensatz dazu sieht der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Peter Schaar, in dem Gesetzesentwurf „überwiegend Verschlechterungen für den Datenschutz der Beschäftigten“. Die Gewerkschaften gehen in ihrer Kritik noch weiter. „Der Entwurf schafft in Wahrheit ein Arbeitnehmer-Ausforschungsgesetz“, sagte der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske. Arbeitgeber würden Überwachungsmöglichkeiten erhalten, die bislang ausschließlich polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungen vorbehalten seien. Vor allem die Regelung, wonach Callcenter-Beschäftigte fast lückenlos überwacht werden könnten, hält Verdi für inakzeptabel.

Überraschend war es, dass FDP und Union in dieser Legislaturperiode überhaupt einen Kompromiss in der Sache fanden. „Eineinhalb Jahre stand die Luft, und plötzlich will man das Thema reindrücken“, sagte SPD-Experte Hartmann. „Das zeigt die Untiefen einer nicht funktionierenden Koalition, die unbedingt ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen will.“ Tatsächlich hatte das Kabinett schon im Sommer 2010 den ursprünglichen Gesetzentwurf beschlossen, nach der ersten Lesung lag der Entwurf jedoch im Bundestag, ohne dass eine Einigung gefunden wurde.

Am Mittwoch soll die Neuerung nun im Innenausschuss besprochen werden, Ende Januar soll der Bundestag darüber entscheiden. Weil der Bundesrat nicht zustimmen muss, sei das Gesetz „verfahrenstechnisch kaum aufzuhalten“, sagte Hartmann. Er kündigte für die kommenden Tage allerdings schon einen „Riesenrabatz“ darüber an: „Und notfalls gibt es kompetente Kräfte, die dagegen vor Gericht ziehen werden.“

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