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Politische Partner. Russlands Präsident Medwedew und Kanzlerin Merkel.

© AFP

Russland: Vorrang für die Deutschen

Medwedews Außenpolitik orientiert sich stärker nach Westen – das Treffen mit Merkel soll es zeigen. Der Russland-Besuch der Kanzlerin dient auch dem kulturellen Austausch.

Ein Abendessen mit dem Kremlchef hat Angela Merkel bereits hinter sich, beim Frühstück sieht die Bundeskanzlerin Dmitri Medwedew an diesem Donnerstag ein zweites Mal. Danach steht eine Begegnung mit deutschen und russischen Wirtschaftsvertretern auf beider Programm, anschließend eine Pressekonferenz und dann die Teilnahme am Abschlussplenum des Petersburger Dialogs, einem von ihren Vorgängern bereits vor zehn Jahren auf den Weg gebrachten Diskussionsforum für Konzernchefs und Künstler, Politiker und Medienleute. Die Jubiläumsveranstaltung wird in Jekaterinburg zelebriert, die Millionenstadt im Ural ist Gastgeberin der diesjährigen deutsch-russischen Regierungskonsultationen, die nach ähnlich fest gefügtem Ritual wie der Petersburger Dialog ablaufen. Kanzlerin und Kremlchef sowie ein gutes Dutzend Minister pro Seite erörtern das Erreichte, stellen Weichen für künftige Projekte.

Es ist bereits die zwölfte Runde der bilateralen Regierungskonsultationen und die fünfte persönliche Begegnung von Merkel und Medwedew allein in diesem Jahr. Das spricht aus Sicht russischer Experten Bände für Stand und Klima der bilateralen Beziehungen. In der offiziellen Pressemitteilung des Kremls war sogar von „strategischer Partnerschaft“ die Rede. Und zwei Tage vor dem Gipfel hatte Medwedew einen außen- und sicherheitspolitischen Kurswechsel verkündet. Für seine Vorgänger hatte die Kooperation mit den anderen UdSSR-Nachfolgestaaten Vorrang, künftig, so Medwedew in einer Rede vor Russlands Botschaftern im Ausland, werde man sich auf die Zusammenarbeit mit Westeuropa und den USA konzentrieren.

An prominenter Stelle nannte er Deutschland. Dabei geht es vorrangig um die konkrete Ausgestaltung der mit der EU ausgehandelten Modernisierungspartnerschaft. Merkel hat im Ural einen Tross von fast 500 Personen bei sich, darunter zahlreiche Konzernchefs und Banker, die mit ihren russischen Kollegen Kooperationsabkommen mit einem Gesamtwert im zweistelligen Milliardenbereich unterzeichnen wollen. Moskau ist vor allem an Hightech und energiesparenden Technologien sowie am Einstieg bei deutschen Unternehmen interessiert. Geplant ist sogar ein neuer Anlauf für die gescheiterte Übernahme der Werften in Mecklenburg-Vorpommern. Zudem geht es um den Feinschliff für die Ostseepipeline Nordstream, die ab 2011 russisches Gas nach Lubmin am Greifswalder Bodden pumpen soll, und um den Gegenentwurf der EU: Nabucco, mit der Europa sich den Zugriff auf das Gas der Kaspi-Region unter Umgehung Russlands sichern will.

Im außenpolitischen Teil der Agenda steht neben Dauerbrennern wie Nahost, Iran und Afghanistan auch ein europäischer Sicherheitsvertrag, für den Medwedew seit Amtsantritt im Mai 2008 die Trommel rührt. Die EU zeigt wenig Interesse, vor allem die osteuropäischen Neumitglieder fürchten eine Schwächung der Nato und suchen Sicherheit nicht mit, sondern vor Russland. Bessere Karten hat ein Komitee Russland-EU für Außen- und Sicherheitspolitik auf Ministerebene, auf das sich Merkel und Medwedew bei dessen Deutschlandbesuch Anfang Juni einigten.

Freuen auf konkrete Ergebnisse dürfen sich vor allem Kunstfreunde: Gleich zwei spektakuläre Ausstellungen will Hermann Parzinger, der Chef der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (in Russland vor allem als erfolgreicher Archäologe bekannt), für 2012/2013 mit seinen russischen Kollegen perfekt machen: eine zur tausendjährigen Geschichte kultureller Kontakte zwischen Deutschen und Russen und eine weitere zur Bronzezeit, Parzingers Spezialgebiet. Ihr Arbeitstitel – „Europa ohne Grenzen“ – weckt Erinnerungen an die Merowinger-Ausstellung vor drei Jahren, die durch den Zweiten Weltkrieg getrennte Sammlungen erstmals wieder zusammenführte, darunter Beutekunst aus dem Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte, deren Rückgabe Moskau nach wie vor verweigert. Die Schätze aus dem frühen Mittelalter wurden deshalb nur in Russland gezeigt.

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