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Der Syrer Ahmed Alsamiye steht auf der Hallig Langeneß (Schleswig-Holstein) mit seiner einjährigen Tochter Halasham auf der Warft. Die Flüchtlingsfamilie aus Syrien hat auf der Hallig Langeneß ihr neues Zuhause gefunden.

© Carsten Rehder/dpa

Vorschlag von Thomas de Maizière: Was genau soll das neue Integrationsgesetz regeln?

Bundesinnenminister Thomas de Maiziére plant ein neues Integrationsgesetz. Doch ist das überhaupt nötig? Ein Überblick über Probleme, Angebote, Regelungen.

Mehr als eine Million Flüchtlinge sind im vergangenen Jahr nach Deutschland gekommen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) plant nun ein Gesetz, das sie zur Integration verpflichten soll und auch Strafmaßnahmen vorsieht, wenn sie dagegen verstoßen.

Was ist in dem Gesetz geregelt?

Integrationspflicht: Flüchtlinge sollen verpflichtet werden, Deutsch zu lernen und sich zu integrieren. Dazu gehört laut de Maizière, die "Grundregeln unseres Zusammenlebens" zu akzeptieren und sich Mühe zu geben, die Sprache zu lernen und einen Beruf zu finden. Erbringen die Flüchtlinge diese "Integrationsleistungen" nicht, kann der Bundesinnenminister sich Kürzungen der Sozialleistungen vorstellen, wie er im Interview mit der ARD sagte. Wie die Flüchtlingsleistungen im Detail kontrolliert und gemessen werden sollen, ließ er offen.

Doch die Pflicht zu Integrationskursen gibt es auch heute schon. Anerkannte Flüchtlinge, die nicht gut Deutsch sprechen, müssen einen solchen Kurs besuchen. Der besteht aus einem Sprach- und einem Orientierungsteil. Verweigern sie das, können sie mit Strafen belegt werden oder weniger Geld vom Amt bekommen. 

Befristete Aufenthaltserlaubnis: De Maizière will auch den Aufenthaltsstatus an die "Integrationsleistung" koppeln. Momentan schreibt das Gesetz vor, dass anerkannte Asylbewerber und anerkannte Flüchtlinge eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre erhalten. Danach wird geprüft, ob die Schutzgründe immer noch vorliegen, also die Verfolgung oder der Krieg im Heimatland. Wenn das der Fall ist, bekommen sie eine unbefristete Niederlassungserlaubnis, unabhängig von ihren Sprachkenntnissen. Der Plan des Innenministers: Haben sich die Kandidaten nach drei Jahren nicht genug integriert, wird ihr Aufenthalt nur um einige Jahre verlängert. Sie werden also nicht zur Strafe abgeschoben, dürfen aber auch nicht für immer bleiben.

Verlängerung der Wohnsitzauflage: Momentan dürfen Flüchtlinge ab dem Zeitpunkt ihrer Anerkennung selbst entscheiden, wo sie leben möchten. Nach dem Gesetzentwurf sollen auch anerkannte Asylbewerber und Flüchtlinge dort bleiben, wo der Staat sie während ihres Verfahrens untergebracht hat. Erst wenn sie Arbeit haben, dürfen sie frei umziehen.Das soll "Ghettobildung" verhindern. Derzeit ballten sich die Flüchtlinge in den Großstädten, sagt der SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka. Afghanen gingen beispielsweise oft nach Hamburg, Syrer nach Berlin. Gerade in ländlichen Regionen könnten die Flüchtlinge aber dezentral in Wohnungen unterkommen. Die Änderung würde aber auch bedeuten, dass Flüchtlinge, die den Großstädten zugewiesen sind, dort nicht wegziehen dürfen. Eine solche Verlängerung der Wohnsitzauflage müsse klar zeitlich befristet sein, sagt die Integrationsbeauftragte Aydan Özoğuz, SPD.

Gibt es genug Integrationskurse?

Das weiß das Bamf nicht. Eine Sprecherin sagt: "Die Zahl der Integrationskurse ist nachfrageorientiert. Die Träger warten, bis ein Kurs genug Teilnehmer hat. Wie lang das dauert, ist regional sehr unterschiedlich." Wie viele Menschen auf diesen Wartelisten stehen, wird nicht überregional erfasst. Einzelne Volkshochschulen, die Integrationskurse anbieten, berichten aber von langen Wartelisten und zu wenig Lehrern.

Seit Oktober 2015 dürfen auch Flüchtlinge, deren Asylantrag noch nicht anerkannt ist, freiwillig an Integrationskursen teilnehmen.

Gibt es überhaupt ein Problem mit "Integrationsverweigerern"?

Die Zahl der Flüchtlinge in den Kursen ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen: Im Zeitraum vom 1.01. bis 30.09.2015 haben laut Bamf 70.052 Personen an einem Integrationskurs teilgenommen. Insgesamt rechnet das Bundesamt laut Mediendienst Integration mit 190.000 Teilnehmern für 2015 und 300.000 Teilnehmern für 2016.

Wie viele Teilnehmer 2015 ihren Kurs abbrachen oder gar nicht erst besuchten, teilte das Bamf nicht mit. Wie groß das Problem ist, das de Maizière mit dem Gesetz beheben will, bleibt unklar.

Im Jahr 2010 berichtete die taz, laut Bamf hätten im Jahr 2009 rund 82 Prozent der Menschen, die von den Ausländerbehörden zu einem Integrationskurs verpflichtet wurden, ihn auch besucht. Zwischen 2005 bis 2008 waren es nur rund 73 Prozent. Die taz zitiert das Bamf: "Dem Bamf liegen keine Erkenntnisse darüber vor, weshalb ein bestimmter Anteil einen Integrationskurs nicht antritt oder nicht ordnungsgemäß an einem Integrationskurs teilnimmt. Die Gründe für einen Abbruch können sehr unterschiedlich sein: z. B. Krankheit, Schwangerschaft, Arbeitsaufnahme oder mangelnde Motivation."

Wann soll das Gesetz in Kraft treten?

Laut de Maizière arbeitet sein Ministerium gemeinsam mit dem Arbeitsministerium von Andrea Nahles (SPD) an einem Entwurf, den sie im Mai dem Kabinett vorlegen wollen. In einem Eckpunktepapier einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Thema Integration, das "Zeit Online" vorliegt, ist die verlängerte Wohnsitzauflage enthalten, ebenso die Integrationspflicht. Darüber hinaus etwa die Förderung ehrenamtlicher Sprachmittler und Integrationspaten. Außerdem soll das Bamf mehr Geld und Personal für die Integrationskurse und für berufsbezogene Sprachkurse bekommen.

Für wen ist das Gesetz gedacht?

Das neue Integrationsgesetz würde zum Teil Dinge regeln, die bereits festgelegt sind, wie die verpflichtenden Deutschkurse. Dass das neue Gesetz auch ein Signal an die deutsche Bevölkerung sein soll, sagt de Maizière im Interview mit der ARD selbst: "In der Flüchtlingsfrage ist unsere Gesellschaft nicht einig. [...] Es wird sehr leidenschaftlich diskutiert. Aber das kann nur geschehen in einem Klima des Zusammenhalts, ohne Hass und Hetze. Und das verlangt Rücksichtnahme im Verhalten, es verlangt aber auch harte Maßnahmen in einer Gesellschaft, die Integration zu regeln."

Der SPD-Innenpolitiker Lischka nennt einen weiteren Adressaten: die eigene Regierung. "Es ist auch eine Botschaft, wir liefern jetzt. Der Staat kann nur einfordern, was er auch anbietet", sagt er. Nicht nur Lischka hält einen Ausbau der Integrationsangebote für nötig.

Seine Parteikollegin Aydan Özoğuz sagte im Deutschlandfunk: "Ich wundere mich über das, was Thomas de Maizière gesagt hat." Im Umgang mit Flüchtlingen müsse klar sein, "dass sie eben nicht nur aus Verweigerern bestehen", sagte sie. De Maizières Vorschlag konzentriere sich einseitig auf Sanktionen.

Dieser Text erschien zuerst auf "Zeit Online".

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