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Benjamin Netanjahu soll ihm das Leben gerettet haben: Ex-Mossad-Chef Meir Dagan, der in der Nacht zum Sonntag bei einer Großdemonstration in Tel Aviv die Politik des Ministerpräsidenten scharf verurteilte.

© Jack Guez/dpa

Wahl in Israel: Der Aufstand von Militärs und Geheimdiensten

Kurz vor der Wahl in Israel greifen Vertreter von Militär und Geheimdiensten Ministerpräsident Benjamin Netanjahu offen an. Ihr Gesicht: Der Ex-Mossad-Chef Meir Dagan, ein alter "Bibi"-Getreuer.

Sie sind sich fast alle einig, die israelischen Generäle und Geheimdienstchefs: Die Politik von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist verheerend, sie schadet Israels Sicherheit und Ansehen. Bis vor Kurzem äußerten sie ihre Kritik nur intern, wenn überhaupt. Erst in letzter Zeit dringen die Meinungsverschiedenheiten zwischen Militär, Geheimdiensten und Politik nach draußen - kurz vor der Wahl am 17. März.

Ehemalige Verantwortungsträger organisierten sich in Hundertschaften und taten meist in riesigen Zeitungsanzeigen ihre Meinung zum Vorgehen des Regierungschefs kund. Am deutlichsten war diesbezüglich bis Ende letzter Woche Juval Diskin, Ex-Chef des auch für die palästinensischen Gebiete zuständigen Inlandgeheimdienstes Shin Beth.

Benjamin Netanjahu soll geholfen haben, eine Spenderleber für Meir Dagan zu besorgen

Doch seit Freitag ist alles anders. Der große Schweiger, der „Mann mit den eisernen Nerven“, Meir Dagan, hat zuerst ein ausführliches Zeitungsinterview, dann eines im Fernsehen gegeben und schließlich Samstagnacht als Hauptredner der überparteilichen Großkundgebung gegen Netanjahu mit diesem abgerechnet. Und wie.

Dagan verdankt Netanjahu wohl sein Leben und seine überlange Amtszeit als Mossad-Chef 2002–2011. Der kleine, dickliche 70-Jährige wartete seinerzeit lange vergeblich auf eine Lebertransplantation. Schließlich soll es Netanjahu gewesen sein, der im Ausland für ihn eine solche in buchstäblich letzter Minute organisierte, weil er Dagan für unersetzlich hielt. Schließlich war der Ex-Armee-General zwischenzeitlich auch Likud-Parteimitglied geworden.

Am Sonnabend demonstrierten Zehntausende in Tel Aviv gegen die Politik Netanjahus

Und nun das: „Ich habe den Traum, meinen drei Kindern und sieben Enkeln eine andere Zukunft zu hinterlassen. Israel ist ein von Feinden umgebener Staat. Doch die Feinde machen mir keine Angst. Ich fürchte mich vor unserer Führung“, erklärte er unter dem tosenden Beifall der 50 000 Anti-„Bibi“-Demonstranten auf dem Rabin-Platz vor dem Tel Aviver Rathaus.

Netanjahus einziges Interesse ist der Machterhalt. Dafür hat er sich jetzt wählerwirksam mit Israels Patron, der amerikanischen Regierung, angelegt – mit noch unabsehbarem militärischen und politischen Schaden. Aus Washington tönt bereits die Reaktion auf das nicht nur Dagan unverantwortlich scheinende Vorgehen Netanjahus: Man könnte ja einmal das traditionelle Veto im Sicherheitsrat bei antiisraelischen Resolutionen „vergessen“ oder gar eigene für Jerusalem kritische Vorlagen einbringen.

Charles Landsmann

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