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Präsident Recep Tayyip Erdogan hat Ärger wegen eines Dienstwagens für den Chef des staatlichen Religionsamtes.

© AFP

Wahlkampf in der Türkei: Minister löst mit „Peanuts“-Vergleich Empörung aus

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine islamisch-konservative Regierungspartei AKP sehen sich im Parlamentswahlkampf neuen Vorwürfen ausgesetzt: Verschwendungssucht. Finanzminister Mehmet Simsek spricht in der Affäre um einen Luxus-Dienstwagen von "Peanuts" - was viele Türken zusätzlich erzürnt.

Ausgerechnet der fromme Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine islamisch-konservative Regierungspartei AKP sehen sich im türkischen Parlamentswahlkampf dem Vorwurf un-islamischer Verschwendungssucht ausgesetzt. Anlass ist das Vorhaben, dem Chef des staatlichen Religionsamtes einen teuren Dienst-Mercedes zukommen zu lassen. Für die Opposition ist die Karosse für 300.000 Euro ein gefundenes Fressen: Knapp zwei Wochen vor dem Wahltag gerät Erdogan in die Defensive.

Das Religionsamt ist für die Auslegung des Islam zuständig

Die Religionsbehörde ist in der Türkei für eine staatstreue Auslegung des Islam zuständig und bezahlt die Geistlichen in allen 80.000 Moscheen im Land. Unter Erdogan und der AKP erhält die Behörde in jüngster Zeit eine zunehmend politische Rolle, etwa als Arm der Außenpolitik: Das Religionsamt baut Moscheen im Ausland, um den türkischen Einfluss zu erweitern.

Religionsamtschef Mehmet Görmez steht bei Regierungsgegnern im Verdacht, die an sich überparteiliche Behörde auch in der Innenpolitik zum Instrument der AKP umzufunktionieren. Im vergangenen Jahr ließ Görmez in den Moscheen eine Freitagspredigt verlesen, die als Parteinahme für Erdogans Vorgehen gegen soziale Medien wie Twitter verstanden wurde.

Jetzt steht Görmez erneut am Pranger. Er hatte sich einen neuen Dienstwagen bestellt, dessen stolzer Preis für einen Sturm der Entrüstung sorgte; einigen Presseberichten zufolge ließ sich Görmez zudem in seiner Dienstwohnung ein luxuriöses Jacuzzi-Bad installieren. Unter dem Eindruck der Kritik verzichtete Görmez auf den neuen Mercedes, wurde aber von Erdogan zurückgepfiffen. Der Präsident veranlasste die Lieferung eines anderen Wagens. Das Religionsamt habe ein solches Fahrzeug verdient.

Die Reaktion von Finanzminister Mehmet Simsek löste großen Ärger aus

Finanzminister Mehmet Simsek heizte die Kritik noch weiter an, indem er sagte, die staatlichen Ausgaben für Dienstwagen seien angesichts der Wirtschaftskraft der Türkei "nicht einmal Peanuts". Kritiker attackierten diese Äußerung als Schlag ins Gesicht für rund 17 Millionen Türken, die mit einem Monatseinkommen von weniger als 380 Euro unterhalb der Armutsgrenze leben müssen.

Die Opposition fordert nun den Rücktritt von Religionsamtschef Görmez. Mit einem Mercedes könne man nicht ins Paradies fahren, sagt Kurdenchef Selahattin Demirtas mit Verweis auf die islamische Vorstellung von einer schmalen Brücke über dem Höllenfeuer, die von den Gläubigen nach dem Tod überquert werden muss. Der Islam verbiete Luxus, sagte Demirtas. Auch von regierungskritischen islamischen Gelehrten kommen Vorwürfe. Angesichts der immer noch weit verbreiteten Armut in der Türkei müsse die Regierung Bescheidenheit demonstrieren statt Prunksucht.

Die Opposition wirft der AKP Verschwendung vor

Bei Regierungsgegnern weicht der Islamismus-Vorwurf gegen Erdogan und die AKP dem Eindruck, Präsident und Regierungspartei seien nach den langen Jahren an der Macht inzwischen blind für die Realitäten im Land. Nicht weniger als 34 Milliarden Euro habe die AKP seit ihrem Regierungsantritt im Jahr 2002 für Luxusprojekte wie den Präsidentenpalast, schicke Jets und Dienstwagen ausgegeben, erklärte die Oppositionspartei CHP.

Für eine Partei wie die AKP, die sich als Vertretung der kleinen Leute präsentiert, ist das eine ungemütliche Lage. Nach Presseberichten gesteht Erdogan im kleinen Kreis inzwischen Probleme im AKP-Wahlkampf ein.

Die Partei von Recep Tayyip Erdogan könnte am 7. Juni die Mehrheit verlieren

Die Umfragen sehen für die Wahl am 7. Juni zwar einen erneuten Sieg der Regierungpartei mit 40 bis 45 Prozent der Stimmen voraus. Doch die wachsende Stärke der Kurdenpartei HDP und der Nationalistenpartei MHP könnte der Erdogan-Partei im neuen Parlament die absolute Mehrheit kosten. Erdogans Ziel, per Verfassungsänderungen ein Präsidialsystem einzuführen, rückt in weite Ferne.

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