zum Hauptinhalt
Bald wieder im Duell? CDU-Landeschef Norbert Röttgen und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD).

© WDR/Klaus Gšrgen

Nordrhein-Westfalen: Wahltaktik im Karneval

Das Superwahljahr hat gerade erst begonnen. Bald könnte es um eine weitere Abstimmung reicher sein. In Nordrhein-Westfalen wird über vorgezogene Neuwahlen diskutiert – noch vor der Sommerpause.

Wolfgang Zimmermann versteht die ganze Debatte nicht. „Neuwahlen sind kein Ausweg im Rechtsstreit um einen verfassungsgemäßen Haushalt“, argumentierte der Fraktionschef der Linken im Düsseldorfer Landtag, nachdem die Debatte um eine schnelle Neuwahl im bevölkerungsreichsten Bundesland erheblich an Fahrt aufgenommen hatte. Sogar Termine kurz vor den nordrhein-westfälischen Sommerferien im Juli werden als mögliches Neuwahldatum genannt. Ob es so weit kommen wird, ist allerdings längst nicht ausgemacht. Viele aktuelle Wortmeldungen sind eher von Taktik geprägt und haben wenig mit den realen Wünschen der politischen Klasse in Nordrhein-Westfalen zu tun.

Zimmermanns Hinweis zeigt das deutlich. Weil die Linken seit Monaten damit rechnen müssen, bei einer vorgezogenen Neuwahl unter die Fünfprozentmarke zu sinken, steht er fest auf der Bremse, sobald dieses Thema angesprochen wird. Weil das so ist, kann Rot-Grün damit rechnen, den Haushalt für das laufende Jahr mit einem Volumen von rund 55 Milliarden Euro und noch einmal 7,1 Milliarden Euro an neuen Schulden mit Mehrheit durch den Landtag zu bringen. Weil die Klage von CDU und FDP gegen den rot-grünen Nachtragshaushalt 2010 beim Landesverfassungsgericht in Münster Aussicht auf Erfolg verspricht – ein Urteil wird für 15. März erwartet –, planen die Oppositionsparteien den erneuten Gang vor das Gericht, sobald der Haushalt des laufenden Jahres verabschiedet worden ist. Das könnte am 19. oder 20. Mai sein. „Wenn die CDU das macht, werden wir die Wähler fragen“, hat nun SPD-Fraktionschef Norbert Römer klargestellt. Unterstützung gibt es vom grünen Koalitionspartner. „Wir dürfen uns nicht von den taktischen Spielchen der Opposition abhängig machen“, sagte die grüne Schulministerin Sylvia Löhrmann. „Wir müssen dann über den politischen Entwurf für Nordrhein-Westfalen mit den Wählern diskutieren“, fuhr Löhrmann fort. Und die CDU willigt ein. Der nordrhein-westfälische CDU-Generalsekretär Oliver Wittke sagte: „Wir stehen Gewehr bei Fuß, wir haben keine Angst vor Neuwahlen.“ Norbert Röttgen, CDU-Chef in NRW, hat sich zu Neuwahlen noch vor der Sommerpause bislang nicht geäußert.

Ein großes Interesse daran dürfte aber keiner der Beteiligten haben. Die CDU müsste zwei Fragen beantworten: Würde Röttgen sein Amt als Bundesumweltminister auch bei einer möglichen Niederlage in Düsseldorf aufgeben und könnte die CDU den aktuellen Haushalt noch einmal um drei Milliarden kürzen, um die Verfassungsgrenze einzuhalten? Und die SPD müsste mit dem Makel eines verfassungswidrigen Haushaltes und Hannelore Kraft mit dem Stempel „Schuldenkönigin“ vor die Wähler treten.

Und dem Haushalt hilft die mögliche Neuwahl auch nicht richtig weiter, weil eine Wahl keine Verfassungskonformität herstellen kann. Dabei steht Nordrhein-Westfalen laut dem Rheinisch- Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) vor großen Herausforderungen. Das strukturelle Defizit des Landes im Jahr 2010 beläuft sich nach Berechnungen des RWI in Relation zu den bereinigten Ausgaben auf mehr als zehn Prozent. Diese strukturelle Unterfinanzierung muss bis 2020 nach der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse abgebaut werden. „Wollte man dieses Ziel bis 2020 in gleichmäßigen Schritten erreichen, müsste der Ausgabenanstieg zukünftig um einen Prozentpunkt je Jahr begrenzt werden. Schiebt man diese Kürzungen auf, wird es schwieriger, den verfassungsrechtlich gebotenen Abbau des strukturellen Defizits zu erreichen“, sagt Heinz Gebhardt vom RWI. Man könne durchaus höhere Investitionen tätigen, wie es die rot-grüne Minderheitsregierung derzeit mache, müsse dann aber im Gegenzug auch bei den konsumtiven Ausgaben einsparen, um einen weiteren Anstieg der Landesverschuldung zu vermeiden. „In den kommenden Jahren ist eine merkliche Rückführung der Neuverschuldung erforderlich, damit der Haushalt mittelfristig ohne Einnahmen aus Krediten ausgeglichen werden kann“, sagt Gebhardt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false