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Deutsche PKK-Kämpferin: Was geschah mit Andrea Wolf?

Im Oktober 1998 wurde die Münchnerin Andrea Wolf in Ostanatolien bei einem Gefecht zwischen der türkischen Armee und den PKK-Kurdenrebellen getötet. Nun will eine Delegation aus Deutschland das Grab der deutschen PKK-Kämpferin suchen.

Eine türkische Militäreinheit liefert sich in Ostanatolien ein Gefecht mit Kurdenrebellen. Einige PKK-Kämpfer suchen Zuflucht in einer Höhle. Wieder fallen Schüsse, am Ende sind 42 Rebellen tot. Die Episode aus dem grausamen Alltag des Kurdenkrieges im Oktober 1998 wäre längst vergessen, wenn nicht ein Verdacht aufgekommen wäre: Unter den toten PKKKämpfern soll eine Deutsche gewesen sein, die damals 33-jährige Münchnerin Andrea Wolf, die sich unter dem Kampfnamen „Ronahi“ den Rebellen angeschlossen hatte. Nun wollen türkische Menschenrechtler und deutsche Aktivisten nach Ostanatolien reisen, um nach den sterblichen Überresten Wolfs zu suchen.

„Wir wissen, wo das Massengrab ist“, sagte die türkische Menschenrechtsanwältin Eren Keskin dem Tagesspiegel in Istanbul. „Wir glauben, dass Andrea Wolf dort verscharrt ist.“ Eine deutsche Unterstützergruppe will zusammen mit den Familien der mehr als 40 anderen getöteten Kurdenkämpfern bei der Staatsanwaltschaft in Catak in der Provinz Van einen Antrag zur Öffnung des Massengrabs stellen. Zu der Delegation gehören auch die Linken-Bundestagsabgeordneten Nicole Gohlke und Andrej Hunko.

Fast alles am Fall Wolf ist umstritten. Die türkische Regierung sagt, die PKK-Kämpfer seien am jenem 23. Oktober 1998 bei einem Feuergefecht getötet worden. Menschenrechtler und Aktivisten verweisen auf Aussagen von überlebenden PKK-Mitgliedern und auf neu aufgetauchte Berichte von Mitgliedern einer Ankara-treuen Miliz, die an jenem Tag an der Höhle dabei waren. Sie sagen demnach, die Soldaten hätten Wolf und mindestens zwei andere PKK-Kämpferinnen nach der Gefangennahme verhört, misshandelt und getötet. Anschließend sei die Leiche Wolfs geschändet und mit denen der anderen Opfer verscharrt worden.

Keskin hatte bereits vor mehr als zehn Jahren versucht, das vermutete Massengrab öffnen zu lassen, war aber abgewiesen worden. „Damals hatte der Staatsanwalt wohl einen Wink von oben erhalten“, sagte sie. Nun ist sie gespannt, ob die türkische Justiz inzwischen an einer Wahrheitsfindung interessiert ist. An mehreren Orten des türkischen Kurdengebietes sind in den vergangenen Jahren Massengräber der Opfer außergerichtlicher Hinrichtungen geöffnet worden, in einem Fall muss sich ein Oberst der Armee wegen Beteiligung an einem der Verbrechen vor Gericht verantworten.

Vor dem Europäischen Menschenrechtsgericht in Straßburg hat die Aufarbeitung im Fall Wolf bereits stattgefunden. Die Richter verurteilten die Türkei im vergangenen Jahr, weil es nie eine ernsthafte Untersuchung des Vorfalls gegeben habe. Den Vorwurf der Familie, türkische Soldaten hätten die unbewaffnete Wolf getötet, sahen die Europa-Richter nicht als erwiesen an. Die deutsche Delegation, die an diesem Donnerstag mit Keskin und anderen türkischen Menschenrechtlern nach Catak reisen will, will einen neuen Strafantrag wegen Mordes gegen die am Einsatz beteiligten Soldaten stellen. „Die türkische Regierung kann, wenn sie will, innerhalb weniger Tage die Schuldigen festnehmen lassen“, sagte Michael Backmund vom „Freundeskreis Andrea Wolf“ am Mittwoch in Istanbul. Es handele sich um ein Kriegsverbrechen, das aufgeklärt werden müsse. Backmund verlangte eine internationale gerichtsmedizinische Untersuchung des Massengrabes, um die Identität der Opfer einwandfrei zu klären.

Aus Sicht des türkischen Staates stellt sich der Fall ganz anders dar. In Straßburg argumentierten die Anwälte Ankaras, es sei erstens unklar, ob Wolf überhaupt tot sei, und zweitens unmöglich zu wissen, ob sie bei dem fraglichen Gefecht ums Leben kam. Auch die deutschen Behörden hätten bisher nur wenig unternommen, um den Fall aufzuklären, sagte Hunko.

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