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Begrenzte Auswahl. Wahlplakate in der zentraliranischen Stadt Karaj. Viele Bewerber, entweder reformorientiert oder Anhänger von Präsident Ahmadinedschad, wurden bereits im Vorfeld ausgeschlossen. Foto: Abedin Taherkenareh/dpa

© dpa

Iran: Wer den Mund aufmacht, wandert ins Gefängnis

Vor den Parlamentswahlen am Freitag im Iran herrscht ein Klima der Unterdrückung – im konservativen Lager tobt ein Machtkampf.

Egal ob Blogger, Filmemacher, Menschenrechtler, Frauenaktivistinnen, Rechtsanwälte, Studenten, Journalisten und Mitglieder religiöser Minderheiten – wer dieser Tage die leiseste Kritik am iranischen Regime übt, dem drohen Verhaftung und Gefängnis. „Alles kann einen hinter Gitter bringen – wenn man im Internet eine Diskussionsgruppe gründet, einer Nichtregierungsorganisation beitritt oder seinen Unmut äußert“, erklärte Ann Harrison, Vizedirektorin für Nahost und Nordafrika bei Amnesty International. Die Organisation legte am Dienstag eine 77-seitige Dokumentation unter dem Titel „Wir haben den Befehl, Euch zu zermahlen. Wie der Iran die Repression gegen Andersdenkende ausdehnt“ vor.

Noch nie in jüngster Zeit stand die Islamische Republik innen und außen so unter Druck wie vor den Parlamentswahlen am 2. März. Der Machtkampf an der Staatsspitze, die Angst vor einem neuerlichen Aufbegehren des Volkes, der wirtschaftliche Druck durch die Sanktionen, die internationale Isolation sowie der drohende Sturz des engsten arabischen Verbündeten in der Region, Syriens Präsident Baschar al Assad, haben die Paranoia und Brutalität des iranischen Regimes bis ins Absurde gesteigert.

Die Wahlen im Iran in Bildern:

Auch die kommende Wahl ist kaum mehr als eine pseudodemokratische Farce. Um die 310 Parlamentssitze bewerben sich 3444 Kandidaten, die fast alle aus dem konservativen oder erzkonservativen Lager stammen und vom Wächterrat aus 5400 Bewerbern ausgesiebt wurden. Vertreter aus dem Reformlager sind nur wenige zugelassen oder treten aus Protest gar nicht erst an. Die Galionsfiguren der grünen Bewegung, Mehdi Karroubi und Mir-Hossein Mussawi, stehen seit Februar 2011 unter Hausarrest.

Umso stärker eskalieren die Rivalitäten zwischen den konservativen Machtfraktionen des Landes. Mahmud Ahmadinedschad gegen Revolutionsführer Ali Khamenei, Präsident gegen Parlament, Parlament gegen Minister sowie Minister gegen Justiz. Khamenei, der sich nach der umstrittenen Wahl 2009 noch bedingungslos vor Ahmadinedschad gestellt hatte, zog in der Hitze des Gefechts sogar das Amt des Präsidenten grundsätzlich in Zweifel und erklärte, man könne den Iran auch in ein parlamentarisches System umwandeln. Konservative Geistliche titulierten Mitarbeiter des Präsidenten als „Dreck“ und „die größte Gefahr für den Islam“. Mehrere Dutzend Vertraute wurden verhaftet. Umgekehrt wollen die Kreise um Ahmadinedschad die Macht des Präsidentenamtes ausbauen und den politischen Klerus mit Khamenei an der Spitze zurückdrängen.

Bisher allerdings hat Ahmadinedschad im Ringen mit seinem Ziehvater Khamenei politisch stets den Kürzeren gezogen. Im neuen Parlament werden seine Mitstreiter wohl deutlich schwächer vertreten sein, weil die herrschenden Geistlichen bereits vorab rund die Hälfte von ihnen aus den Kandidatenlisten streichen ließen. Ahmadinedschad selbst darf nach zwei Amtszeiten im nächsten Jahr bei den Präsidentschaftswahlen nicht mehr antreten. Die Chancen, einen Nachfolger in seinem Sinne zu installieren, sind gleich null. Die Bevölkerung dagegen leidet unter den internationalen Sanktionen, unter Arbeitslosigkeit und wachsender Verarmung. Mit den Stimmzetteln können sie an dem abgekarteten Machtspiel wenig ändern. Ihnen bleibt nur der Boykott der Wahl, um ihrem Unmut Gehör zu verschaffen.

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