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Wettrennen um Rohstoffe: Den Claim abstecken

Nach Russland haben auch die USA und Kanada im Wettrennen um die Rohstoffe in der Arktis Forschungsschiffe in Richtung Nordpol entsandt. Was hat es damit auf sich?

Wenn dieser Tage Forschungsschiffe aus den USA, Kanada und Russland im Nordpolarmeer unterwegs sind, nehmen offiziell Wissenschaftler den Meeresgrund unter die Lupe: Wie tief ist das Wasser, wie dick ist die Schicht von Sedimenten, die sich vom Meeresgrund bis zum gewachsenen Fels in größerer Tiefe erstreckt? Antworten auf solche zunächst wissenschaftlichen Fragen wollen die Polarmeeranrainer aber vor allem aus den Gründen haben, aus denen im 19. Jahrhundert auch hunderte Goldgräber in Kalifornien, Alaska oder Kanada ihre Claims absteckten: Es gilt, Ansprüche unter dem Wasserspiegel abzustecken – ohne zunächst zu wissen, ob sich in der Tiefe Bodenschätze verbergen.

Es ist ein moderner Golfrausch, dessen politisch-juristischer Hintergrund in der Seerechtskonvention der Vereinten Nationen zu suchen ist, die seit 1994 in Kraft ist. Im Zeitraum von zehn Jahren, nachdem eine Nation diesen internationalen Vertrag unterschrieben hat, darf sie Ansprüche auf Gebiete anmelden, die außerhalb der eigenen 200 Seemeilen-Wirtschaftszone vor der jeweiligen Küste liegen. Innerhalb der Wirtschaftszone steht ihr die Nutzung eventueller Bodenschätze ohnehin zu.

Aus Sicht eines Geologen dehnt sich das Festland auch unter dem Meeresspiegel aus – bis zur der Kante, wo der Meeresboden aus Tiefen von wenigen hundert Metern meist sehr plötzlich bis in einige Tausend Meter abfällt. Liegt der äußere Rand dieses Festlandssockels außerhalb der Zone von 200 Seemeilen (rund 370 Kilometer), kann die betroffene Nation auch darüber hinaus ihre Claims abstecken. Aber eben nur in den ersten zehn Jahren nach Unterzeichnung des Vertrags.

Die russische Unterschrift stammt aus dem Jahr 1997. Genau aus diesem Grund hissten vier Menschen an Bord eines Mini-Unterseebootes im Jahr 2007 auch 4000 Meter unter dem Meeresspiegel eine russische Flagge am Nordpol. Juristisch war das zwar ohne Belang, aber die spektakuläre Aktion entwickelte eine hohe symbolische Kraft. Bis auf Norwegen, das die Seerechtskonvention bereits 1996 unterschrieben hat, haben die drei übrigen Länder mit Polarmeerküsten noch etwas Zeit, ihre Claims abzustecken: Kanada und Dänemark haben 2003 und 2004 den Vertrag unterzeichnet, die Unterschrift der USA fehlt bis heute.

Hintergrund des Wettlaufs zum Nordpol ist die Klimaerwärmung, die das Eis auf dem Nordpolarmeer zunehmend schmelzen lässt. Dadurch werden Bodenschätze im Meeresgrund leichter zugänglich, wirtschaftlich rentabel aber scheint der Tiefseebergbau auch in absehbarer Zukunft nicht zu sein. „Es gibt schließlich eine ganze Reihe von Lagerstätten, die schon heute viel leichter zugänglich sind, bisher aber nicht ausgebeutet werden“, erklärt Christian Reichert, der an der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover den Fachbereich für Rohstofferkundung im Meer leitet. Die größte Frage in diesem Zusammenhang ist bisher noch gar nicht beantwortet: Gibt es dort unten wirklich lohnende Mineralien oder Erdöl?

Mineralien finden Geologen vor allem im Boden der Kontinente, also bis zum Rand des Festlandssockels. Auch für Erdöl und Erdgas gibt es im Nordpolarmeer kaum stichhaltige Hinweise. Daher konzentrieren sich die Vermessungsteams auf den lukrativeren Sockel.

Der aber befindet sich nicht nur vor der Küste der jeweiligen Länder, sondern auch in der Nähe des Nordpols und damit fernab von Sibirien, Grönland und Nordamerika. Die Geschichte dieses seltsamen Landstriches, dessen höchste Erhebung sich 954 Meter unter dem Meeresspiegel befindet, begann vor 50 oder 60 Millionen Jahren. Damals wie heute weitet sich der Atlantik von der Mitte her immer weiter aus. Auch wenn diese Ausdehnung nur ein paar Zentimeter im Jahr beträgt, reichte sie damals doch, ein Stück von Sibirien abzusprengen. Heute zieht sich dieses Stück Festland tief unter dem Nordpolarmeer ungefähr von den Neusibirischen Inseln bis zur kanadischen Ellesmere-Insel und Grönland, das ein autonomer Teil von Dänemark ist.

In diesem „Lomonossow-Rücken“ am Grund des Nordpolarmeers aber könnten ähnliche Rohstoffe stecken, wie sie im russischen Ural gefunden werden. „Das könnten also Gold und Silber, Blei und Zink, Nickel, Kobalt und Kupfer, aber auch Uran und Germanium, Indium und Tantal sein“, vermutet Christian Reichert. Sicher ist das aber keineswegs.

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