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Politik: „Wir brauchen einen Ausgleich der Systeme“ Pflegereform: Caritas-Präsident Neher fordert Umverteilung auf Kosten der Privatversicherten

Eine Pflegereform ohne deutlich höhere Beitragssätze, geht das aus Ihrer Sicht?Das Kernstück der Pflegereform muss die Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs sein, die dringend erforderlich ist.

Eine Pflegereform ohne deutlich höhere Beitragssätze, geht das aus Ihrer Sicht?

Das Kernstück der Pflegereform muss die Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs sein, die dringend erforderlich ist. Um die daraus resultierenden Kosten zu finanzieren, ist eine moderate Erhöhung der Beitragssätze sicher notwendig. Es gibt aber noch einen zweiten wichtigen Reformbedarf: Aufgrund der demografischen Entwicklung werden wir zukünftig eine sehr hohe Belastung der Sozialversicherungssysteme haben. Deswegen müssen wir für die Pflegeversicherung schon jetzt über einen kollektiven Kapitalstock eine Demografiereserve aufbauen. Die Einzahlung in diesen Kapitalstock muss über eine Pflichtversicherung geregelt und generationengerecht ausgestaltet sein. Wichtig ist, dass die Einzahlung nicht an das individuelle Pflegebedürftigkeitsrisiko gebunden ist. Darüber hinaus ist entscheidend, dass die Finanzierung sozial gerecht erfolgt.

Sie fordern eine Umverteilung von den privaten zu den gesetzlichen Kassen. Warum?

Sowohl die private als auch die gesetzliche Pflegeversicherung sichern das Risiko der Pflegebedürftigkeit ab. In beiden Systemen sind die Leistungen identisch. Doch in der privaten Pflegeversicherung sind die Versicherten derzeit im Durchschnitt jünger und es gibt weniger Pflegefälle pro Einzahler. Deswegen fordern wir, diese strukturellen Risiken zwischen den beiden Versicherungssystemen auszugleichen.

In welcher Höhe stellen Sie sich einen solchen Risikoausgleich vor?

Der Ausgleich muss die unterschiedliche Versichertenstruktur der beiden Systeme in den Blick nehmen. Daraus resultieren nämlich unterschiedliche Ausgaben, die in der Höhe ausgeglichen werden müssen. Dazu gibt es mehrere Berechnungsmodelle. Welches dieser Modelle herangezogen wird, muss diskutiert werden.

Die private Pflegeversicherung gibt auch deshalb weniger aus, weil viele ihrer Versicherten noch nicht so alt sind. Das wird sich ändern. Muss eine Ausgleichssumme nicht Jahr für Jahr neu berechnet werden?

Ja. Um das Risiko der Pflegebedürftigkeit in unserer Gesellschaft solidarisch zu tragen, brauchen wir den Ausgleich zwischen beiden Systemen. Dieser muss an jeweils veränderte Bedingungen angepasst werden. Die Ausgleichsberechnung muss deswegen jährlich erfolgen.

Die Opposition fordert, die Systeme komplett zusammenzulegen – und die Rücklage der Privaten allen zukommen zu lassen. Wäre das nicht die bessere Lösung?

Die Aufteilung der Versicherungssysteme ist historisch gewachsen. Eine Veränderung ist verfassungsrechtlich hochproblematisch. Wenn man heute ein System neu aufbauen wollte, dann würde man diese Spaltung vermutlich vermeiden.

Peter Neher (56) ist seit acht Jahren Präsident des Deutschen Caritasverbandes. Mit mehr als 500 000 Mitarbeitern und fast ebenso vielen Helfern ist der katholische Wohlfahrtsverband einer der größten privaten Arbeitgeber Deutschlands. Das Gespräch führte Rainer Woratschka.

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