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Weiter in der Kritik: Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg

© dapd

Guttenberg-Affäre: "Wir sind einem Betrüger aufgesessen"

Erstmals greift ein Bayreuther Jurist Karl-Theodor zu Guttenberg öffentlich an. Weitere namhafte Juristen sehen Vorsatz bei Guttenbergs Plagiatsaffäre. Dessen Umfragewerte sinken.

In der Diskussion um den rechtswidrigen Doktortitel von Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Matthias Kleiner, davor gewarnt, Plagiate in der Wissenschaft zu verharmlosen. „Weil Wissenschaft von Ideen und Erkenntnissen handelt und diese darin aufeinander aufbauend weitergeführt werden, ist geistiges Eigentum in der Wissenschaft genauso wertvoll wie materielles Eigentum. Dies muss von Gesellschaft und Politik wohl noch bewusster mitgetragen werden“, sagte Kleiner dem Tagesspiegel.

Nach dem Entzug des Doktortitels durch die Uni Bayreuth hat erstmals ein Rechtswissenschaftler der Fakultät Vorwürfe gegen den Verteidigungsminister erhoben. „Wir fühlen uns getäuscht. Wir sind einem Betrüger aufgesessen“, sagte der Staatsrechtler Oliver Lepsius der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Guttenberg besteht indes darauf, weder vorsätzlich noch bewusst getäuscht zu haben. Im Bundestag hatte er angesichts der Vorwürfe gesagt: „Da muss man aufpassen, dass man nicht in den Bereich kommt, dass man in die üble Nachrede oder Ähnliches abdriftet.“ Sein Bundestagsbüro erklärte am Freitag, man wisse angesichts der Vorwürfe von Lepsius nicht, ob der Minister nun Strafanzeige erstatte. Dies sei „seine persönliche Entscheidung“, sagte ein Mitarbeiter.

Aus Fakultätskreisen hieß es weiter, die Stimmung sei auch nach dem überraschend schnellen Titelentzug angespannt. Der Fall sei nicht erledigt. Am Freitag wurde auch Kritik am Zweitgutachter der Dissertation laut, dem Münchner Europarechtler Rudolf Streinz. Streinz war zwischen 1978 und 1990 Stadtrat in seiner Heimatstadt Landshut und ist als Vertrauensdozent in der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung tätig.

Die Universität prüft derweil die fehlerhafte Dissertation. Es sei eine „Vollprüfung“, hieß es, bei der die Schrift im Detail auseinander genommen würde. Nach den Regeln der zuständigen Untersuchungskommission liegt ein Fehlverhalten vor, wenn „bewusst oder grob fahrlässig Falschangaben gemacht werden“ oder „geistiges Eigentum anderer verletzt“ wird, insbesondere bei „unbefugter Verwertung unter Anmaßung der Autorschaft (Plagiat)“. Nach den Regeln könnte auch die Mitverantwortung anderer geprüft werden, etwa bei „grober Vernachlässigung der Aufsichtspflicht“. Am Ende steht eine Empfehlung, wie mit dem Fall weiter zu verfahren und ob zivil- oder strafrechtliche Schritte einzuleiten seien. Grundsätzlich handelt es sich um interne Vorgänge, eine anschließende Veröffentlichung ist nicht zwingend.

Nach Einschätzung mehrerer Juristen hat Guttenberg aus Vorsatz gehandelt. Wie der „Spiegel“ am Samstag vorab berichtete, sehen mehrere namhafte Juristen die Beweise als erdrückend an. Der auf Streitereien um Examensarbeiten spezialisierte Rechtsanwalt Michael Hofferbert sagte dem Magazin: „Kein Richter wird einem Kandidaten glauben, der über hundert Seiten seiner Doktorarbeit abschreibt und hinterher behauptet, er habe dies versehentlich getan.“ Ähnlich bewerte der Kölner Strafrechtsprofessor Thomas Weigend den Fall. „Ich würde einem Kandidaten nicht glauben, der in einem Fall behauptet, dass es bloße Fahrlässigkeit war.“ Der frühere Verfassungsrichter Winfried Hassemer sagte, selbst wenn der faktische Beweis nicht vorliege, seien Juristen gut darin geübt, „den Vorsatz aus den äußeren Umständen einer Tat zu schließen“. Guttenberg hat sich bisher stets gegen den Vorwurf des Vorsatzes verwahrt und lediglich „gravierende handwerkliche Fehler“ eingeräumt.

DFG-Präsident Matthias Kleiner erklärte, Wissenschaft beruhe auf den Prinzipien der Wahrhaftigkeit, der Redlichkeit und des Vertrauens. „Wissenschaftler teilen ihre Ideen und Erkenntnisse, sie führen sie gemeinsam weiter, aber sie entwenden sie nicht.“ Für die Annahme, dass in Deutschland bei wissenschaftlichen Arbeiten oft getäuscht wird, sieht Kleiner jedoch keinen Anlass. Die Zahl der Verstöße sei, „gemessen an der Gesamtzahl der Personen und Projekte in der Wissenschaft, sehr gering“, sagte er. Seit 1999 seien dem von der DFG eingesetzten Ombudsman für die Wissenschaft insgesamt 400 bis 500 Verdachtsfälle auf wissenschaftliches Fehlverhalten mitgeteilt worden, von denen ein Zehntel Plagiate betrafen. Die Zahl der tatsächlichen Fälle sei noch geringer gewesen. „Zum Vergleich: Alleine die DFG fördert gut 40 000 laufende Forschungsprojekte.“ Das System der wissenschaftlichen Selbstkontrolle funktioniere, sagte der DFG-Präsident. „Eine allein auf Misstrauen gegründete Kontroll- und Prüfkultur brauchen wir nicht.“ Allerdings sei „nichts so gut, dass man es nicht noch besser machen könnte“. Die Tendenz zur stärkeren Veröffentlichung von Forschungsdaten im Internet führe schon jetzt dazu, dass die Möglichkeit der Datenfälschung abnehme.

Der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, der Ingenieur Wolfgang Marquardt, sagte, die hiesigen Qualitätssicherungssysteme seien im internationalen Vergleich „hoch anerkannt“. Diese Reputation dürfe nicht durch „Bagatellisierung wissenschaftlichen Fehlverhaltens beschädigt werden“. Bernhard Kempen, Präsident der konservativen Interessenvertretung der Professoren, des Deutschen Hochschulverbandes, kritisierte die Regierung scharf: „Die Marginalisierung schwersten wissenschaftlichen Fehlverhaltens durch höchste Repräsentanten unseres Staates ist empörend.“

Guttenberg bleibt zwar laut „Politbarometer“ der beliebteste Politiker, aber seine Popularität bröckelt. Sein Durchschnittswert fiel von 2,0 auf 1,4. (mit dapd)

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