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Die Vorstände von VW, BMW und Daimler auf dem Diesel-Gipfel: Politik und Manager verstehen sich nicht mehr.

© AFP Photo / Axel Schmidt

Wirtschaft und Politik: Demokratie ohne Kapitalismus gibt es nicht

Angesichts zahlloser Skandale in der Wirtschaft haben sich Politiker und Unternehmer entfremdet. Doch die neue Feindseligkeit ist gefährlich. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ursula Weidenfeld

Jahrzehntelang waren sie das Traumpaar der Weltgeschichte. Demokratie und Kapitalismus waren nicht zu trennen. Unternehmer und Spitzenpolitiker sangen gemeinsam das Hohelied des Westens: Was der Wirtschaft nutzt, ist auch gut fürs Land. Die Chefs waren nicht Feinde, sondern Teil der demokratischen Gesellschaft. Heute dagegen – die Finanzkrise markiert die Wende – droht das Gespräch zwischen Wirtschaft und Politik abzubrechen. Man redet, wenn überhaupt, im Ton der Verachtung übereinander.

Diese Entfremdung ist gefährlich. Nicht nur für die Wirtschaft, sondern mehr noch für die Demokratie.

Doppelmoral ist zur Unternehmensethik geworden

Die milliardenteure Bankenrettung, die Dieselaffäre oder die Tricks, mit denen internationale Konzerne ihre Steuerlast verringern: Unter dem Druck der Globalisierung ist Doppelmoral zur Unternehmensethik geworden. Nach außen geben sich die Firmen rechtstreu und gemeinwohlorientiert. Doch wenn es um Gewinne und Marktanteile geht, werden die Gesetze umgangen oder verdreht. Die Kommunikation mit der Gesellschaft wird der Abteilung Corporate Social Responsibility übertragen. Das muss reichen.

Umgekehrt würde sich heute kein Politiker in Deutschland mehr offen von einem Manager beraten lassen. Undenkbar, dass sich die Kanzlerin von einem Personalvorstand die Blaupause für eine Arbeitsmarktreform schreiben ließe, wie das der damalige VW-Vorstand Peter Hartz für Gerhard Schröder tat. Heute redet man mit Managern vorzugsweise im Format „Gipfel“. Heißt: Man lädt die Chefs vor und stellt gelassen fest, dass man sich nicht mehr versteht.

Die Demokratie braucht wirtschaftliche Freiheit und Wachstum

Die Sprachlosigkeit ist alarmierend. Sie zeigt, dass sich beide Seiten nicht mehr füreinander verantwortlich und aneinander gebunden fühlen. Der Kapitalismus kann sich auch ohne die Demokratie prächtig einrichten. Umgekehrt gilt das nicht. Eine Demokratie ohne wirtschaftliche Freiheit und Wachstum ist nicht denkbar. Deshalb dürfen die Politiker ihre lieb gewordenen Feindbilder nicht weiter pflegen so verlockend und nachvollziehbar das auch ist. Politiker und Manager müssen neue Beziehungen zueinander aufbauen – solche, die sich auch bei Tageslicht sehen lassen können. Das gilt übrigens auch und gerade dann, wenn die Grünen Teil einer neuen Bundesregierung werden sollten.

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