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Gleiche Richtung. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm (vorn) bei der Vorstellung des aktuellen Berichts am Freitag in Berlin. Sie warnten vor allem vor islamistischen Organisationen, die immer mehr Anhänger gewännen. Foto: dapd

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Politik: Woher Gefahr droht

Verfassungsschutz sieht militanten Islamismus als größtes Problem – mehr als rechte und linke Gewalt

Von Frank Jansen

Berlin - Die Extremisten bleiben eine kleine Minderheit in der Bundesrepublik, dennoch bereiten sie den Sicherheitsbehörden reichlich Sorgen. „Wir müssen weiter wachsam sein“, mahnte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), als er am Freitag in Berlin den Jahresbericht 2010 des Bundesamtes für Verfassungsschutz präsentierte. Als erstes Extremistenspektrum nannte Friedrich die Islamisten, bei denen sich allerdings wie schon seit Jahren ein paradoxes Bild ergibt. Die Zahl der Straftaten ist erheblich geringer als bei linken und rechten Extremisten, dennoch steht der gewaltorientierte Islamismus in der Rangliste der Gefahren ganz oben. Der Grund ist so simpel wie gruselig: Keiner anderen Extremistenszene wird ein terroristisches Potenzial zugetraut, das mit dem der militanten Islamisten vergleichbar wäre.

Das verdeutlicht schon eine Zahl aus diesem Jahr. Im März starben am Frankfurter Flughafen bei dem Anschlag des Kosovo-Albaners Arid U. zwei US-Soldaten. Es sind in diesem Jahr laut Polizei die bislang einzigen Todesopfer extremistischer Gewalt in Deutschland, obwohl die Zahl der brachialen Angriffe linker und rechter Extremisten täglich wächst. Linke oder rechte Terrorgefahren sehen Verfassungsschützer allerdings nicht.

Wie viele Männer und Frauen der islamistischen Terrorszene zuzurechnen sind, bleibt offen. „Zu den in Deutschland in internationale dschihadistische Netzwerke eingebundenen Personen liegen keine gesicherten Zahlen vor“, heißt es im Jahresbericht. Allerdings ist schon seit einiger Zeit bekannt, dass der Verfassungsschutz das Spektrum der in Teilen terrornahen Salafisten, einer ultrastrengen Strömung im Islamismus, auf 2500 Personen schätzt. „Gestützt auf das Internet missbrauchen Salafisten die Begeisterungsfähigkeit von Jugendlichen“, warnte der Minister und verwies auf Arid U. Er wurde mit 21 Jahren zum Attentäter, radikalisiert durch salafistische Propaganda im World Wide Web.

Die Mehrzahl der Salafisten in Deutschland agiere jedoch nicht gewalttätig, sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm. Aber auch die rein „politischen Salafisten“ verträten eine extremistische Ideologie, die „in diametralem Gegensatz“ zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehe. „Wir haben es mit einer ausgesprochen problematischen Entwicklung zu tun“, sagte Fromm. Fast alle Terrorverdächtigen aus Deutschland seien Salafisten oder hätten zumindest Kontakt zu Salafisten unterhalten.

Das „Islamismuspotenzial“ (ohne Dschihadisten) in der Bundesrepublik beziffert der Verfassungsschutz auf 37 470 Personen. Das sind 1200 mehr als im Jahr 2009. Gewachsen ist da vor allem der türkische Verein Milli Görüs (2010: 30 000 Anhänger, 2009: 29 000). Das „Mitgliederpotenzial“ ausländischer Extremisten in Deutschland jenseits des Islamismus umfasst 24 910 Personen (2009: 24 710). Größte Gruppierung bleibt die mit einem Betätigungsverbot belegte „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)“ mit unverändert 11 500 Anhängern. Es folgt mit 7000 Anhängern die rechtsnationalistische „Föderation der türkisch-demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V.“, auch bekannt als „Graue Wölfe“.

Der Präsident des Bundesamtes ging auch auf die Diskussion um antisemitische Tendenzen in der Linkspartei ein. Es gebe für den Verfassungsschutz „derzeit keine Veranlassung, die Einschätzung der Gesamtpartei zu modifizieren“, sagte Fromm. Der Verfassungsschutz bescheinigt der Linkspartei ein „ambivalentes Erscheinungsbild“ und erwähnt „zahlreiche Anhaltspunkte für linksextremistische Bestrebungen“, doch Antisemitismus spielt im Jahresbericht keine Rolle. Fromm warnte allerdings, sollte es in der Partei Stimmen geben, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, müsste das Bundesamt „Bestrebungen gegen den Gedanken der Völkerverständigung“ melden. Er könne jedoch „im Moment nicht erkennen“, dass Einzeläußerungen mit antisemitischer Tendenz der Gesamtpartei zuzurechnen wären.

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