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Neu nutzen statt neu bauen: Dieses ehemalige Parkhaus in Münster wurde in ein Möbelhaus, ein Fahrrad-Parkhaus, Büros und zahlreiche Wohnungen umgebaut.

©  Guido Erbring/dpa

Update

Wohnungsbau: "Verbietet das Bauen!"

Aus dem Blog des Stadtplaners Daniel Fuhrhop ist ein Buch entstanden - eine kurzweilige Polemik gegen immer mehr Häuschen im Grünen und andere Formen des Betongoldrauschs.

In Wuppertal stehen etwa 13000 Wohnungen leer, trotzdem hat die schrumpfende Stadt 33 neue Wohnbaugebiete ausgewiesen. In Cottbus wurden in den Nullerjahren 9000 Wohnungen abgerissen – und gleichzeitig tausend neue gebaut. Im Deutschland lebten 1995 etwa genauso viele Menschen wie heute, aber die Zahl der Wohnungen stieg in dieser Zeit von 35 auf 41 Milllionen. Shoppingcenter überall, Regionalflughäfen auch, inzwischen 60, von denen gerade mal sechs rentabel sind. Die Bauwut rast. Was tun?

Daniel Fuhrhop, einem studierten Stadtplaner und Betriebswirt, schwebt da eine radikale Lösung vor: „Verbietet das Bauen!“ Der Buchtitel lässt eine reine Polemik vermuten, augenzwinkernde Übertreibung. Aber dann bringt Fuhrhop so viele plausible, ja schlagende Argumente für seinen Schlachtruf, dass man sich nach 192 ebenso kurzweiligen wie hochinformativen Seiten fragt, warum das nicht eigentlich längst geschehen ist – und Neubau strikt untersagt. Nicht nur in Schrumpfstädten, sondern überall. Wohnungsnot – für Fuhrhop nur ein Kampfbegriff. Dass sie „nach Jahrzehnten des Bauens von Hundertausenden Wohnungen stets aufs neue ausgerufen werde, beweise nur, „dass mehr Bauen keine Probleme löst, sondern neue schafft.“ Auch Sozialer Wohnungsbau nicht. „Die Lösung der sozialen Frage“, schreibt er, „hat mit Bauen gar nichts zu tun.“

Fuhrhop belegt anschaulich und temperamentvoll, dass nicht Bedarf, sondern ein Übermaß an Geld die Bauwut maßlos steigert: Internationale Banken, Fonds, Versicherungen, aber auch hiesige Versorgungswerke investierten ihr Kapital gern in den Bau neuer Büros und Wohnhäuser im stabilen Deutschland. Banken und Bausparkassen verdienten gut an den langfristig laufenden Eigenheim-Krediten und rechneten das eigene Häuschen auch Leuten schön, die es sich gar nicht leisten können.

Neubau ist für Anleger und die Bauwirtschaft lukrativ - weil er gefördert wird

In Städten und Gemeinden würden alte Stadthallen kaputtgespart und dann neue gebaut, einfach weil es für schicke Projekte Geld von Bund und Land gebe, der Betrieb aber von den Kommunen allein getragen werden müsse. Den Rest erledigten Architekten, zu deren Berufsbild es gehört, immer ganz von vorn anzufangen. Und nicht zuletzt die deutsche Seele. Der „Mythos Eigenheim“, diagnostiziert Fuhrhop, scheint hierzulande unzerstörbar, obwohl er Pendelverkehr und dazu den Stress im Stau erzeugt, die Landschaft zerstört – und die Ehe manch überschuldeten Paars. Deren Kinder, die das Reihenhaus im Restgrünen einst aufatmend verließen, bauen, wenn sie Eltern werden, selbst, und der Kreislauf beginne aufs neue.

Auch Öko-Bauten verschlingen Natur

Sarkastisch beißt sich Fuhrhop am „ökologischen Bauen“ fest. Auch Niedrigenergie-, Effizienz- und Passivhäuser fressen bisher unverbaute Fläche, produzieren neuen Verkehr, weil auch sie bevorzugt im Pendlergrün entstehen („ein Acker leistet keinen Widerstand“). Sie sind aber vor allem Neubauten und die „sparen nie Energie“.

Fuhrhop gibt aber nicht nur den Mythen-Mörder, er macht eine Fülle von Vorschlägen für eine Gesellschaft ohne Neubauten: Kein Staatsgeld mehr für neue Eigenheime, stattdessen für Sanierung – das sei auch fürs Baugewerbe besser. Umzüge und Umbauten mit Geld und Beratung fördern, damit ältere Alleinstehende ohne Verlust an Lebensqualität ihre großen Wohnungen zugunsten von Familien oder Wohngemeinschaften räumen oder sie teilen können. Boom-Städte und –Kieze mit Antiwerbung überziehen („Machen wir Prenzlauer Berg uncool“) und vergessene Nachbarschaften aufwerten und bewerben: Würde aus Duisburg „Düsseldorf-Nord“, gäbe es ein Ventil für den überhitzten Wohnungsmarkt der Landeshauptstadt, und Duisburgs Niedergang wäre zugleich gebremst. Ohnehin lägen zwischen den Hauptbahnhöfen beider Städte gerade mal 20 Kilometer.

Was „cool“ sei und was nicht, welche Städte und Viertel als schön gälten oder als hässlich, sei beweglich, meint der Autor, also auch beeinflussbar. Am schwächsten ist Fuhrhop beim kniffligen Thema Gentrifizierung, deren Mechanismen er beschreibt, ohne Lösungen anzubieten. „Zuzugssperre für Reiche in Szenevierteln“ nach dem Vorbild der Ausländerpolitik der 70er, da geht dann doch die polemische Begabung mit ihm durch.

Fukushima hat eine plötzliche Politikveränderung ausgelöst. In der Bauwirtschaft gibt es keine derartige Katastrophe, die zur allgemeinen, öffentlich akzeptierten Meinungsänderung führen wird.

schreibt NutzerIn w.wang

"Flüchtlinge brauchen keinen Neubau"

Wer jetzt meinte, der Flüchtlingszustrom werde seine Vorschläge zu Makulatur machen, würde Fuhrhops Furor unterschätzen. Fürs Buch kam ihm der Redaktionsschluss dazwischen, aber in seinem Blog und in einem Beitrag für die „Zeit“ hat er inzwischen nachgelegt. Auch wenn die Neuankömmlinge jetzt als neue Begründung für alte Forderungen herhalten müssten - mehr Wohnungsbau, mehr Gewerbefläche, weniger Naturschutz – in der Not habe man schon viel von dem umgesetzt, was ohnehin nötig sei: Bürger machen Platz in ihren Einliegerwohnungen oder nehmen die Neuen in ungenutzten Zimmern auf,  leerstehende Büros, Kasernen, Krankenhäuser werden umgenutzt  und der Ausverkauf öffentlichen Immobilienbesitzes gestoppt. Fazit Fuhrhop: Auch "Flüchtlinge brauchen keinen Neubau".

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